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Energie & Management > Windkraft Kleinwind - Landkreis bekämpft 6,50 Meter hohe Kleinwindräder
Symbolbild für eine Kleinwindenergieanlage. Quelle: Shutterstock
Windkraft Kleinwind

Landkreis bekämpft 6,50 Meter hohe Kleinwindräder

Windenergieanlagen können so klein sein, wie sie wollen − es findet sich ein Landratsamt, das sie verhindern will − und seine Entscheidung über zwei Instanzen durchfechtet.
Der Landkreis Altenkirchen in Rheinland-Pfalz hat seinen Widerstand gegen vier Kleinwindkraft-Anlagen mit einer Gesamthöhe von 6,50 Metern bis zur zweiten Gerichtsinstanz durchgefochten und jedes Mal verloren. Am 4. April wies das Oberverwaltungsgericht (OVG) Koblenz die Berufung des Kreises gegen ein Urteil des dortigen Verwaltungsgerichtes (VG) zurück, das den Kreis dazu verpflichtet hatte, einen Bauvorbescheid zu erteilen.

Bis 17. Mai kann der Kreis auch gegen das zweitinstanzliche Urteil Rechtsmittel einlegen. Ob er das tut, dazu läuft eine Anfrage dieser Redaktion. Damit hat eine Hobbyimker-Familie gut vier Jahre, nachdem sie dem Kreis Altenkirchen den Bau der Kleinwindanlagen gemeldet hatte, immer noch keine Rechtssicherheit.

Edit: Der Landkreis wird keine weiteren Rechtsmittel einlegen, teilte ein Sprecher auf Anfrage der Redaktion am 10. Mai mit.

Die Familie wohnt außerorts in einem ehemaligen Forsthaus. Sie will nach eigenem Bekunden zur ökologischen Berufsimkerei übergehen und den dann für das Jahr 2027 prognostizierten Strombedarf von nur 1.500 bis 2.000 kWh mit vier Kleinwindenergie-Anlagen selbst erzeugen. Diese sind mit insgesamt 6,50 Metern Höhe kleiner als alle Bäume in der Umgebung, so das VG. Die Familie hat demnach auch im Laufe der Prozesse zugesagt, diese farblich an die Bäume anzupassen.

Behörde konstruiert „ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal“

Der Landkreis hatte den im August 2021 beantragten Bauvorbescheid für die Kleinwindanlagen verweigert, die in den Prozessen beigeladene Standortkommune erteilte ebenfalls ihr Einvernehmen nicht. Der Kreis berief sich auf eine angebliche obergerichtliche Rechtsprechung, wonach Erneuerbaren-Anlagen im Außenbereich nicht privilegiert seien, wenn sie nur dem Eigenbedarf dienen, also nicht ins Stromnetz der allgemeinen Versorgung einspeisen. Die Familie klagte im Juni 2022 gegen den Ablehnungsbescheid.

Das OVG schrieb dem Kreis laut Pressemitteilung ins Stammbuch, er habe durch seine feinsinnige baurechtliche Unterscheidung, ob der erzeugte Ökostrom selbst verbraucht oder eingespeist wird, „ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal“ konstruiert, für das es in der Entstehungsgeschichte der baurechtlichen Privilegierung von Erneuerbaren-Anlagen im Außenbereich „keine hinreichenden Anhaltspunkte“ gebe. Zudem sprächen Sinn und Zweck des Paragrafen 35 Baugesetzbuch dafür, dass auch eine private Nutzung erneuerbarer Energien den Ressourcenverbrauch reduziere.

Das OVG selbst räumte ein, dass es in diese Richtung erst seit 2023 urteilt. Diese Kehrtwende habe der Kreis aber ignoriert.

Argumente: „Wildwuchs“ und „Splittersiedlung“

Als weitere Argumente gegen die Kleinwindanlagen hatte der Kreis aufgefahren, die Kleinwindanlagen dienten entgegen der Behauptung der Familie gar nicht dem Imkerbetrieb, weil jener nicht mit dem nötigen unternehmerischen Ernst aufgebaut werde, und seien daher in Wirklichkeit ein Selbstzweck, der kein baurechtliches Privileg genieße. Außerdem drohe „Wildwuchs“, der das Landschaftsbild verschandele und die Entwicklung einer „natürlichen“ Landwirtschaft störe. Schließlich würde die Genehmigung der ersten vier Anlagen einer „Splittersiedlung“ Vorschub leisten.

Das war für das OVG „nicht nachvollziehbar“. Es sei für den Fall unerheblich, ob die Familie vom Imkern leben wolle oder nicht. Vernünftigerweise würden Kleinwindanlagen aber im Außenbereich nur dann aufgestellt, wenn es in der Nähe entsprechende Verbraucher oder einen Einspeisepunkt gibt, da das Legen einer Leitung eigens für eine solche Anlage immer unrentabel wäre. Unterm Strich stünden dem Vorhaben keine öffentlichen Belange entgegen.

Die Imker verloren schon in der ersten Instanz nur in einem Punkt: Die betroffenen Kleinwind-Anlagen bedurften, zumindest in Rheinland-Pfalz, einer Genehmigung, meinten die Gerichte. Die Kleinunternehmer hatten erfolglos die Genehmigungsfreiheit beantragt. In Bayern beispielsweise ist die Errichtung von bis zu 10 Meter hohen Windenergie-Anlagen auf den meisten Flächen genehmigungsfrei, auch innerorts, berichtete Vera Kragl, Windkraft-Referentin des bayerischen Agrarnetzwerks Carmen, am 7. Mai in einem Webinar über Kleinwindkraft.

Die Urteile

Zu dem OVG-Urteil unter dem Aktenzeichen 1 A 10247/23.OVG gibt es nur eine Pressemitteilung. Das vorangegangene Urteil des VG Koblenz von 2023 ist in einer rheinland-pfälzischen Entscheidungs-Datenbank veröffentlicht.
 

Mittwoch, 8.05.2024, 09:19 Uhr
Georg Eble
Energie & Management > Windkraft Kleinwind - Landkreis bekämpft 6,50 Meter hohe Kleinwindräder
Symbolbild für eine Kleinwindenergieanlage. Quelle: Shutterstock
Windkraft Kleinwind
Landkreis bekämpft 6,50 Meter hohe Kleinwindräder
Windenergieanlagen können so klein sein, wie sie wollen − es findet sich ein Landratsamt, das sie verhindern will − und seine Entscheidung über zwei Instanzen durchfechtet.
Der Landkreis Altenkirchen in Rheinland-Pfalz hat seinen Widerstand gegen vier Kleinwindkraft-Anlagen mit einer Gesamthöhe von 6,50 Metern bis zur zweiten Gerichtsinstanz durchgefochten und jedes Mal verloren. Am 4. April wies das Oberverwaltungsgericht (OVG) Koblenz die Berufung des Kreises gegen ein Urteil des dortigen Verwaltungsgerichtes (VG) zurück, das den Kreis dazu verpflichtet hatte, einen Bauvorbescheid zu erteilen.

Bis 17. Mai kann der Kreis auch gegen das zweitinstanzliche Urteil Rechtsmittel einlegen. Ob er das tut, dazu läuft eine Anfrage dieser Redaktion. Damit hat eine Hobbyimker-Familie gut vier Jahre, nachdem sie dem Kreis Altenkirchen den Bau der Kleinwindanlagen gemeldet hatte, immer noch keine Rechtssicherheit.

Edit: Der Landkreis wird keine weiteren Rechtsmittel einlegen, teilte ein Sprecher auf Anfrage der Redaktion am 10. Mai mit.

Die Familie wohnt außerorts in einem ehemaligen Forsthaus. Sie will nach eigenem Bekunden zur ökologischen Berufsimkerei übergehen und den dann für das Jahr 2027 prognostizierten Strombedarf von nur 1.500 bis 2.000 kWh mit vier Kleinwindenergie-Anlagen selbst erzeugen. Diese sind mit insgesamt 6,50 Metern Höhe kleiner als alle Bäume in der Umgebung, so das VG. Die Familie hat demnach auch im Laufe der Prozesse zugesagt, diese farblich an die Bäume anzupassen.

Behörde konstruiert „ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal“

Der Landkreis hatte den im August 2021 beantragten Bauvorbescheid für die Kleinwindanlagen verweigert, die in den Prozessen beigeladene Standortkommune erteilte ebenfalls ihr Einvernehmen nicht. Der Kreis berief sich auf eine angebliche obergerichtliche Rechtsprechung, wonach Erneuerbaren-Anlagen im Außenbereich nicht privilegiert seien, wenn sie nur dem Eigenbedarf dienen, also nicht ins Stromnetz der allgemeinen Versorgung einspeisen. Die Familie klagte im Juni 2022 gegen den Ablehnungsbescheid.

Das OVG schrieb dem Kreis laut Pressemitteilung ins Stammbuch, er habe durch seine feinsinnige baurechtliche Unterscheidung, ob der erzeugte Ökostrom selbst verbraucht oder eingespeist wird, „ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal“ konstruiert, für das es in der Entstehungsgeschichte der baurechtlichen Privilegierung von Erneuerbaren-Anlagen im Außenbereich „keine hinreichenden Anhaltspunkte“ gebe. Zudem sprächen Sinn und Zweck des Paragrafen 35 Baugesetzbuch dafür, dass auch eine private Nutzung erneuerbarer Energien den Ressourcenverbrauch reduziere.

Das OVG selbst räumte ein, dass es in diese Richtung erst seit 2023 urteilt. Diese Kehrtwende habe der Kreis aber ignoriert.

Argumente: „Wildwuchs“ und „Splittersiedlung“

Als weitere Argumente gegen die Kleinwindanlagen hatte der Kreis aufgefahren, die Kleinwindanlagen dienten entgegen der Behauptung der Familie gar nicht dem Imkerbetrieb, weil jener nicht mit dem nötigen unternehmerischen Ernst aufgebaut werde, und seien daher in Wirklichkeit ein Selbstzweck, der kein baurechtliches Privileg genieße. Außerdem drohe „Wildwuchs“, der das Landschaftsbild verschandele und die Entwicklung einer „natürlichen“ Landwirtschaft störe. Schließlich würde die Genehmigung der ersten vier Anlagen einer „Splittersiedlung“ Vorschub leisten.

Das war für das OVG „nicht nachvollziehbar“. Es sei für den Fall unerheblich, ob die Familie vom Imkern leben wolle oder nicht. Vernünftigerweise würden Kleinwindanlagen aber im Außenbereich nur dann aufgestellt, wenn es in der Nähe entsprechende Verbraucher oder einen Einspeisepunkt gibt, da das Legen einer Leitung eigens für eine solche Anlage immer unrentabel wäre. Unterm Strich stünden dem Vorhaben keine öffentlichen Belange entgegen.

Die Imker verloren schon in der ersten Instanz nur in einem Punkt: Die betroffenen Kleinwind-Anlagen bedurften, zumindest in Rheinland-Pfalz, einer Genehmigung, meinten die Gerichte. Die Kleinunternehmer hatten erfolglos die Genehmigungsfreiheit beantragt. In Bayern beispielsweise ist die Errichtung von bis zu 10 Meter hohen Windenergie-Anlagen auf den meisten Flächen genehmigungsfrei, auch innerorts, berichtete Vera Kragl, Windkraft-Referentin des bayerischen Agrarnetzwerks Carmen, am 7. Mai in einem Webinar über Kleinwindkraft.

Die Urteile

Zu dem OVG-Urteil unter dem Aktenzeichen 1 A 10247/23.OVG gibt es nur eine Pressemitteilung. Das vorangegangene Urteil des VG Koblenz von 2023 ist in einer rheinland-pfälzischen Entscheidungs-Datenbank veröffentlicht.
 

Mittwoch, 8.05.2024, 09:19 Uhr
Georg Eble

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