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Energie & Management > Kernkraft - Gericht stellt Betreiber von Hamm-Uentrop vor Millionen-Problem
Quelle: Shutterstock / lassedesignen
Kernkraft

Gericht stellt Betreiber von Hamm-Uentrop vor Millionen-Problem

Rund sechs Jahre vor dem Beginn der Abrissarbeiten gibt es einen Fingerzeig, wer die Folgekosten des gescheiterten Kernkraftwerks Hamm-Uentrop stemmen soll: laut Urteil die Betreiber.
Der Thorium-Hoch-Temperatur-Reaktor (THTR) in Hamm-Uentrop, nordöstlich von Dortmund (Nordrhein-Westfalen), bleibt auch Jahre nach seiner Stilllegung eine teure Angelegenheit. Das Landgericht Düsseldorf entschied jetzt in erster Instanz, wer für den Abriss und die Folgekosten für Lagerung radioaktiven Abfalls aufkommen muss. Die Millionen-Kosten habe laut Urteil die Betreibergesellschaft zu stemmen.

In der Gesellschaft Hochtemperatur-Kernkraftwerk GmbH − kurz HKG − ist der Essener Energiekonzern RWE mit rund 37 Prozent größter Anteilseigner. Daneben sind die Eon-Tochter Preussen Elektra (rund 17 Prozent) sowie die Stadtwerke aus Hagen (11 Prozent), Bielefeld (9 Prozent), Lüdenscheid, Wuppertal (je rund 6 Prozent) und Aachen (5 Prozent) beteiligt.
 
 
Ende 2022 war eine letzte Ergänzungsvereinbarung zum 1989 geschlossenen Rahmenvertrag mit Landes- und Bundesregierung, der die Stilllegung regelt, ausgelaufen. Danach hatte die HKG im Februar 2023 Klage gegen Land und Bund eingereicht, um die Kosten für Abbau und Atommüll-Lagerung in die Verantwortung der öffentlichen Hand zu übertragen.

Bund und Land nicht unbegrenzt für Folgekosten verantwortlich

Das Landgericht hatte nach einer mündlichen Verhandlung im Juli 2024 nun erklärt, im Rahmenvertrag keinen Hebel für die HKG erkennen zu können. Aus der vorhandenen Formulierung „Fehlbeträge werden geregelt“ lässt sich demnach kein Argument ableiten, das für die Übernahme der Folgekosten durch Land und Bund spricht. Eine unbegrenzte Haftung der öffentlichen Hand, die die Betreiber von der Zahlungsverpflichtungen freistelle, ergebe sich aus dem Vertragswerk nicht.

Der Hochtemperaturreaktor in Hamm war bei seiner Inbetriebnahme von großen Hoffnungen begleitet. Allerdings kam es seit dem 1983 begonnenen Testbetrieb des Kugelhaufenreaktors zu technischen Problemen, Vorwürfen der unzulässigen Emission von Radioaktivität und schließlich zu wirtschaftlichen Problemen der Betreibergesellschaft. Land und Bund hatten laut Vertrag zugesichert, für die ersten drei Betriebsjahre 90 Prozent der Anlaufverluste zu übernehmen. Dieser Anteil sollte danach auf 70 Prozent sinken. Doch auch unter diesen Bedingungen war der THTR für die HKG nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben.

Der 1987 aufgenommene kommerzielle Betrieb endete im September 1988, aus der vorläufigen Stilllegung wurde ein Jahr später der endgültige. Der 300-MW-Reaktor lief insgesamt nur 423 Tage unter Volllast. Nach der Stilllegung erfolgte 1997 der sogenannte sichere Einschluss des Reaktors. Die bislang dafür erforderlichen Ausgaben belaufen sich laut Medienberichten auf 441 Millionen Euro, wovon 156 Millionen auf die HKG, 152 Millionen Euro auf das Land NRW und 133 Millionen Euro auf den Bund entfallen.

Das Millionengrab THTR wird noch viel mehr Geld verschlingen, sobald Ende 2030 der auf zehn Jahre veranschlagte Rückbau startet. Die Ausgangsrechnung hatte Kosten von 350 Millionen Euro kalkuliert. Auf eine Anfrage der Grünen hatte die Landesregierung 2021 die Summe auf jetzt 753 Millionen Euro geschätzt. Spekulationen zufolge könnten die effektiven Aufwendungen durch Kostensteigerungen die Grenze von 1 Milliarde Euro letztlich überschreiten.

HKG prüft Berufung vor dem Oberlandesgericht

Die HKG hatte sich bei der Verkündung am 30. August vom Urteil „sehr überrascht“ gezeigt. Laut einer Mitteilung wolle die Betreibergesellschaft die schriftliche Begründung abwarten und dann entscheiden, ob sie eine Berufungsverhandlung beim Oberlandesgericht Düsseldorf anstrebt. „Unsere Erwartung ist weiterhin, dass Bund und Land NRW zu ihrer historischen Verantwortung für die Restabwicklung des THTR 300 stehen, die sie mit dem Projektstart eingegangen sind“, heißt es in der Stellungnahme.

Die Gesellschafter seien über die bereits geleisteten Beiträge hinaus „nicht zu weiteren Zahlungen verpflichtet“, betont die HKG-Geschäftsführung. Dies wirft die Frage auf, woher die Millionenbeträge kommen sollen. Die Stadtwerke Bielefeld etwa stünden vor Folgekosten von etwa 87 Millionen Euro, würden sie gemäß ihres Anteils bei den bis 2040 entstehenden Ausgaben von geschätzt 1 Milliarde Euro zur Kasse gebeten. Vorausgesetzt, Bund und Land sind komplett außen vor.

Die HKG wird nicht müde, den THTR als Initiative von Bund und Land darzustellen. Sie hätten das Kugelreaktor-Projekt seit den 1960er-Jahren vorangetrieben, um aus dem Prototypen Folgekraftwerke entwickeln zu können. Weil der Bund ab 2023 keine Bereitschaft zur weiteren Übernahme von Anschlusskosten gezeigt habe, reichte die HKG Feststellungsklage ein, um die Zahlungsverpflichtung von Bund und Land zu klären.

Montag, 2.09.2024, 14:04 Uhr
Volker Stephan
Energie & Management > Kernkraft - Gericht stellt Betreiber von Hamm-Uentrop vor Millionen-Problem
Quelle: Shutterstock / lassedesignen
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Gericht stellt Betreiber von Hamm-Uentrop vor Millionen-Problem
Rund sechs Jahre vor dem Beginn der Abrissarbeiten gibt es einen Fingerzeig, wer die Folgekosten des gescheiterten Kernkraftwerks Hamm-Uentrop stemmen soll: laut Urteil die Betreiber.
Der Thorium-Hoch-Temperatur-Reaktor (THTR) in Hamm-Uentrop, nordöstlich von Dortmund (Nordrhein-Westfalen), bleibt auch Jahre nach seiner Stilllegung eine teure Angelegenheit. Das Landgericht Düsseldorf entschied jetzt in erster Instanz, wer für den Abriss und die Folgekosten für Lagerung radioaktiven Abfalls aufkommen muss. Die Millionen-Kosten habe laut Urteil die Betreibergesellschaft zu stemmen.

In der Gesellschaft Hochtemperatur-Kernkraftwerk GmbH − kurz HKG − ist der Essener Energiekonzern RWE mit rund 37 Prozent größter Anteilseigner. Daneben sind die Eon-Tochter Preussen Elektra (rund 17 Prozent) sowie die Stadtwerke aus Hagen (11 Prozent), Bielefeld (9 Prozent), Lüdenscheid, Wuppertal (je rund 6 Prozent) und Aachen (5 Prozent) beteiligt.
 
 
Ende 2022 war eine letzte Ergänzungsvereinbarung zum 1989 geschlossenen Rahmenvertrag mit Landes- und Bundesregierung, der die Stilllegung regelt, ausgelaufen. Danach hatte die HKG im Februar 2023 Klage gegen Land und Bund eingereicht, um die Kosten für Abbau und Atommüll-Lagerung in die Verantwortung der öffentlichen Hand zu übertragen.

Bund und Land nicht unbegrenzt für Folgekosten verantwortlich

Das Landgericht hatte nach einer mündlichen Verhandlung im Juli 2024 nun erklärt, im Rahmenvertrag keinen Hebel für die HKG erkennen zu können. Aus der vorhandenen Formulierung „Fehlbeträge werden geregelt“ lässt sich demnach kein Argument ableiten, das für die Übernahme der Folgekosten durch Land und Bund spricht. Eine unbegrenzte Haftung der öffentlichen Hand, die die Betreiber von der Zahlungsverpflichtungen freistelle, ergebe sich aus dem Vertragswerk nicht.

Der Hochtemperaturreaktor in Hamm war bei seiner Inbetriebnahme von großen Hoffnungen begleitet. Allerdings kam es seit dem 1983 begonnenen Testbetrieb des Kugelhaufenreaktors zu technischen Problemen, Vorwürfen der unzulässigen Emission von Radioaktivität und schließlich zu wirtschaftlichen Problemen der Betreibergesellschaft. Land und Bund hatten laut Vertrag zugesichert, für die ersten drei Betriebsjahre 90 Prozent der Anlaufverluste zu übernehmen. Dieser Anteil sollte danach auf 70 Prozent sinken. Doch auch unter diesen Bedingungen war der THTR für die HKG nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben.

Der 1987 aufgenommene kommerzielle Betrieb endete im September 1988, aus der vorläufigen Stilllegung wurde ein Jahr später der endgültige. Der 300-MW-Reaktor lief insgesamt nur 423 Tage unter Volllast. Nach der Stilllegung erfolgte 1997 der sogenannte sichere Einschluss des Reaktors. Die bislang dafür erforderlichen Ausgaben belaufen sich laut Medienberichten auf 441 Millionen Euro, wovon 156 Millionen auf die HKG, 152 Millionen Euro auf das Land NRW und 133 Millionen Euro auf den Bund entfallen.

Das Millionengrab THTR wird noch viel mehr Geld verschlingen, sobald Ende 2030 der auf zehn Jahre veranschlagte Rückbau startet. Die Ausgangsrechnung hatte Kosten von 350 Millionen Euro kalkuliert. Auf eine Anfrage der Grünen hatte die Landesregierung 2021 die Summe auf jetzt 753 Millionen Euro geschätzt. Spekulationen zufolge könnten die effektiven Aufwendungen durch Kostensteigerungen die Grenze von 1 Milliarde Euro letztlich überschreiten.

HKG prüft Berufung vor dem Oberlandesgericht

Die HKG hatte sich bei der Verkündung am 30. August vom Urteil „sehr überrascht“ gezeigt. Laut einer Mitteilung wolle die Betreibergesellschaft die schriftliche Begründung abwarten und dann entscheiden, ob sie eine Berufungsverhandlung beim Oberlandesgericht Düsseldorf anstrebt. „Unsere Erwartung ist weiterhin, dass Bund und Land NRW zu ihrer historischen Verantwortung für die Restabwicklung des THTR 300 stehen, die sie mit dem Projektstart eingegangen sind“, heißt es in der Stellungnahme.

Die Gesellschafter seien über die bereits geleisteten Beiträge hinaus „nicht zu weiteren Zahlungen verpflichtet“, betont die HKG-Geschäftsführung. Dies wirft die Frage auf, woher die Millionenbeträge kommen sollen. Die Stadtwerke Bielefeld etwa stünden vor Folgekosten von etwa 87 Millionen Euro, würden sie gemäß ihres Anteils bei den bis 2040 entstehenden Ausgaben von geschätzt 1 Milliarde Euro zur Kasse gebeten. Vorausgesetzt, Bund und Land sind komplett außen vor.

Die HKG wird nicht müde, den THTR als Initiative von Bund und Land darzustellen. Sie hätten das Kugelreaktor-Projekt seit den 1960er-Jahren vorangetrieben, um aus dem Prototypen Folgekraftwerke entwickeln zu können. Weil der Bund ab 2023 keine Bereitschaft zur weiteren Übernahme von Anschlusskosten gezeigt habe, reichte die HKG Feststellungsklage ein, um die Zahlungsverpflichtung von Bund und Land zu klären.

Montag, 2.09.2024, 14:04 Uhr
Volker Stephan

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