Timm Kehler (links) und Charlie Grüneberg bei einer Pressekonferenz auf der E-world 2025. Quelle: E&M / Stefan Sagmeister
Händler wetten gegen den deutschen Speichermarkt − das führt zu ungewöhnlichen Phänomenen. Möglich machen das auch die Vorgaben der Bundesregierung.
Auf den Erdgasmärkten herrscht eine paradoxe Situation. Wer aktuell für den kommenden Sommer Erdgas kaufen will, zahlt teilweise mehr als für die Erdgasbeschaffung im Winter. Der sogenannte Sommer-Winter-Spread beim Erdgas ist teilweise negativ − eine Rarität.
Eigentlich sollte der Spread positiv sein: Händler speichern Erdgas günstig im Sommer ein und speisen es im Winter aus, um von der höheren Nachfrage und den damit verbundenen höheren Preisen zu profitieren. Doch genau das passiert derzeit nicht. Wie Timm Kehler, Vorstand des Verbandes Gas und Wasserstoffwirtschaft (vormals Zukunft Gas), auf einer Presseveranstaltung der E-world sagte, laufe „eine Wette gegen den Staat.“
Der Grund: Im Zuge des Stopps der russischen Gaslieferungen hat die Regierung verbindliche Vorgaben zur Befüllung der Gasspeicher gemacht. So mussten die deutschen Gasspeicher zum 1. November zu 90 Prozent gefüllt sein.
Händler treiben bewusst Preise nach obenDiese Vorgaben führten dazu, dass Händler Erdgasmengen zurückhalten, um die Preise zu treiben, so Kehler. Sie gehen davon aus, dass die Gasspeicherbetreiber früher oder später das Gas zu höheren Preisen einkaufen müssen, um ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen.
Für Kehler ist das Verhalten beider Seiten – Staat und Händler – nachvollziehbar. Allerdings müsse überlegt werden, ob es nicht andere Mechanismen gebe, um die Befüllung der Speicher sicherzustellen, ohne dass auf Erdgaspreise spekuliert werde.
Denn auch das sei Fakt: „Gas ist nach wie vor der wichtigste Energieträger in der Industrie“, sagte Kehler. Doch bedrohten die hohen Erdgaspreise − wie generell zu hohe Energiekosten − die gesamte deutsche Wirtschaft. Die deutsche Wirtschaft sei eine der am komplexesten vernetzten Volkswirtschaften der Welt. „Aber wir laufen Gefahr, diese Stärke zu verlieren und Wertschöpfungsketten zu zerstören.“
Der Erdgasabsatz in Deutschland sei weiterhin hoch und habe im vergangenen Jahr wieder zugelegt, auch wenn das Vorkrisenniveau noch nicht erreicht wurde. „Der Absatz in der Industrie ist auf 301 TWh gestiegen – ein Plus von acht Prozent gegenüber dem Vorjahr.“
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Der Verband Gas und Wasserstoffwirtschaft hat die „Gasbilanz 2024 - Erdgas, Wasserstoff und Biogas in Deutschland“ veröffentlicht Quelle: Gas und Wasserstoffwirtschaft |
Kritik äußerte Kehler zudem daran, dass sich die energiepolitische Diskussion zu stark auf den Strompreis konzentriere. Dabei werde oft übersehen: „Der Strompreis orientiert sich noch immer sehr stark am Erdgaspreis. Gaskraftwerke setzen weiterhin häufig den Strompreis fest.“
Eine größere Diversifizierung der Gasbezugsquellen könnte helfen, das Preisrisiko zumindest besser zu verteilen. Die USA und Katar seien hier mögliche Lieferländer. Allerdings bevorzugten diese langfristigen Lieferverträge, die in Deutschland wegen des absehbar sinkenden Gasverbrauchs kritisch gesehen würden. Kehler forderte hier mehr Flexibilität: „Mehr kurzfristige Beschaffung führt zu höheren Kosten − und damit steigenden Strompreisen, da diese weiterhin stark vom Gaspreis abhängen.“
Fortschritte bei WasserstoffOptimistisch zeigte sich Kehler beim Thema Wasserstoff. Hier seien die Planzahlen erreicht worden: „Die angekündigten Vorhaben zum Aufbau von Elektrolysekapazitäten ergeben eine geplante Erzeugungsleistung von 11,3 GW. Damit wurde das Ziel der Bundesregierung von 10 GW erstmals übertroffen.“
Die installierte Elektrolyseleistung sei um 83,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 110 MW gestiegen. Trotz dieser Fortschritte mahnte Kehler, die Dynamik beizubehalten: Die Lücke zwischen realisierten und geplanten Projekten sei noch immer „sehr groß.“
Unzufrieden zeigte sich Kehler hingegen beim Thema CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS): „Die scheidende Regierung ist gescheitert, CCS zu ermöglichen. Die weiterhin fehlende Legalisierung blockiert den Zugang der energieintensiven Industrie zu einer kostengünstigen Dekarbonisierungslösung und behindert die Entwicklung von blauem Wasserstoff.“
Es brauche vor allem rechtliche Klarheit, um die Technologie voranzubringen. Zentral seien die Ratifizierung des London-Protokolls zur Ermöglichung von CO2-Exporten und die zügige Umsetzung des Kohlenstoffspeichergesetzes für Speicherprojekte in Deutschland.
Die 20-seitige
„Gasbilanz 2024 − Erdgas, Wasserstoff und Biogas in Deutschland“ stellt der Branchenverband auf seiner Internetseite zum Download bereit.
Dienstag, 11.02.2025, 12:39 Uhr
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