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Energie & Management > Bilanz - Münsters Stadtwerke überraschen mit höherem Gewinn
Gebäude der Stadtwerke Münster. Quelle: Stadtwerke Münster
Bilanz

Münsters Stadtwerke überraschen mit höherem Gewinn

Die Stadtwerke Münster haben das Jahr 2023 über Plan abgeschlossen. Die Westfalen fuhren 11,2 Millionen Euro Gewinn ein und knackten beim Umsatz erstmals die Marke von 1 Milliarde Euro.
Zufriedene Gesichter in der Domstadt: 11,2 Millionen Euro Gewinn für die Stadtwerke Münster im Geschäftsjahr 2023 seien ein Ergebnis, „das uns stolz macht“, so Sebastian Jurczyk, Vorsitzender der Geschäftsführung. Gerechnet hatten die Westfalen mit einer Million Euro weniger, erklärte der Stadtwerke-Chef bei der Präsentation der Zahlen am 17. Juni.

Zugleich überschritt der kommunale Versorger zum ersten Mal die Umsatzgrenze von 1 Milliarde Euro. Hier relativierte Sebastian Jurczyk allerdings den Wert, der vor allem durch die hohen Beschaffungs- und Energiepreise entstanden sei. Die Stadt Münster soll 6,5 Millionen Euro erhalten. Der dafür erforderliche Beschluss des Aufsichtsrats erfolgt im Herbst.

Profitabel war vor allem das Stromgeschäft, die Erzeugung steigerten die Münsteraner um 7,4 Prozent auf 347 Millionen kWh, der Großteil (86 Prozent) kommt hier nach wie vor aus dem Gas- und Dampfkraftwerk am Hafen. Eigene Wind- und Sonnenkraftwerke steuerten aber bereits ein Viertel mehr bei. Der leicht gesunkene Stromabsatz (minus 12 Prozent) auf 1,1 Milliarden kWh und das Minus bei Gas (minus 5 Prozent auf 1,9 Milliarden kWh) und Fernwärme (minus 9 Prozent auf 503 Millionen kWh) fielen angesichts des hohen Preisniveaus in der Stromsparte nicht ins Gewicht.
 
Noch besser als erwartet: Die Geschäftsführer Frank Gäfgen und Sebastian Jurczyk stellten im Beisein von Aufsichtsratschef Walter von Göwels (von links) die Bilanz der Stadtwerke Münster vor
Quelle: E&M / Volker Stephan

Stadtwerke-Chef leitet den Vertrieb noch bis Herbst selbst

Der Verlust von mehr als 4.000 Stromkunden dagegen schmerze sehr, so Jurczyk. Es sind in Summe mehr, als die Stadtwerke in der Energiekrise hinzugewonnen hatten. 2023 seien die von ihm heftig kritisierten Discounter mit günstigen Angeboten auf den Markt zurückgekehrt. Der daraus folgende Kundenverlust in Münster ähnele dem anderer Grundversorger. Weil Jurczyk nach Problemen im Vertrieb diese Verantwortung komplett an sich gerissen hat, solle die Kehrtwende schon bald erfolgen. Dies zeichne sich seit gut einem Monat auch ab. Im Herbst wolle er einen neuen Vertriebschef präsentieren.

Für den Aufsichtsratsvorsitzenden Walter von Göwels ist die Jahresbilanz die Bestätigung dafür, mit der langjährigen Verpflichtung von Sebastian Jurczyk und Mobilitätsvorstand Frank Gäfgen die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Ende 2022 hatte die Stadt zunächst den Vertrag von Jurczyk zu deutlich verbesserten Konditionen vorzeitig bis 2029 verlängert, im Frühjahr 2023 folgte der entsprechende Aufschlag bei Gäfgen (wir berichteten). Hintergrund waren Abwerbeversuche des Oldenburger Konzerns EWE.

Jurczyk sieht durch den Gehaltssprung den Druck auf ihn nicht gewachsen. „Ich spüre die gleiche Verantwortung, die Stadtwerke dauerhaft erfolgreich in die Zukunft zu bringen.“ Die nähere Zukunft sei gekennzeichnet von den „größten Investitionen der Geschichte“, sagte er. 800 Millionen Euro wollen die Stadtwerke bis 2028 in die Hand nehmen, 700 weitere Millionen bis 2035. Das Geld soll – auch aus steuerlichen Gründen – zu 70 Prozent fremdfinanziert sein. Die stabile Eigenkapitalquote (34,3 Prozent, minus 13,6 Prozent) sowie Partnerschaften bei Erneuerbaren-Projekten sollen den Rest erbringen.

„Der Verkauf von Kilowattstunden ist in zehn bis 20 Jahren tot“

Beim Investitionsprogramm bis 2028 sind 300 Millionen Euro für den Ausbau der Netze vorgesehen, ebenso viel Geld sollen neue Wind- und Solarenergieanlagen kosten. 80 Millionen Euro verschlingen Projekt für erneuerbare Wärme, 30 Millionen Euro sind für die Mobilitätswende veranschlagt.

Ein Ende des gasbetriebenen Kraftwerks am Hafen könne er noch nicht absehen, sagte Jurczyk. Ob das Kraftwerk eine Wasserstoff-Zukunft habe, sei ebenfalls noch offen. Da Münster an die Netze von Open Grid Europe und Thyssengas angeschlossen sei, „haben wir alle Optionen“. Die Stadtwerke selbst setzen aber zunächst stärker auf die Karten Tiefengeothermie und Solarthermie.

Eine besondere Transformation sieht Jurczyk für die Stadtwerke im Vertriebsbereich voraus. Das Geschäft mit „Verkauf von Kilowattstunden ist in zehn bis 20 Jahren tot, dann müssen wir umfassender Dienstleister sein“. Er arbeite daran, Pachtmodelle für die Kunden zu entwickeln – etwa für Wärmepumpen, wo die Stadtwerke das „Rundum-Sorglos-Paket“ aus Produkt, Wartung, Überwachung und Reparatur anbieten wollen.

Zudem starten die Münsteraner mit dem Start-up-Partner Enytime Green bei Musterhaushalten in Kürze die ersten Versuche mit dynamischen Stromtarifen, die Versorger ab 2025 im Angebot haben müssen. Ferner ist ein digitaler Helfer für die individuelle Wärmeplanung in Vorbereitung, die anhand persönlicher Daten über Gebäude, Wärmebedarf und Solarpotenzial auf dem Dach einen Vorschlag für die künftige Heizquelle macht. Hier erwartet Jurczyk eine Treffergenauigkeit von bis zu 80 Prozent, die die eine gute Ausgangsbasis für folgende Kundengespräche bilde.

Bei den Stadtwerken (ohne Netztochter) arbeiteten zum Jahresende 914 Beschäftigte, das ist ein Plus von 3,3 Prozent. Insgesamt zählt das Unternehmen rund 1.300 Mitarbeitende.

Montag, 17.06.2024, 17:24 Uhr
Volker Stephan
Energie & Management > Bilanz - Münsters Stadtwerke überraschen mit höherem Gewinn
Gebäude der Stadtwerke Münster. Quelle: Stadtwerke Münster
Bilanz
Münsters Stadtwerke überraschen mit höherem Gewinn
Die Stadtwerke Münster haben das Jahr 2023 über Plan abgeschlossen. Die Westfalen fuhren 11,2 Millionen Euro Gewinn ein und knackten beim Umsatz erstmals die Marke von 1 Milliarde Euro.
Zufriedene Gesichter in der Domstadt: 11,2 Millionen Euro Gewinn für die Stadtwerke Münster im Geschäftsjahr 2023 seien ein Ergebnis, „das uns stolz macht“, so Sebastian Jurczyk, Vorsitzender der Geschäftsführung. Gerechnet hatten die Westfalen mit einer Million Euro weniger, erklärte der Stadtwerke-Chef bei der Präsentation der Zahlen am 17. Juni.

Zugleich überschritt der kommunale Versorger zum ersten Mal die Umsatzgrenze von 1 Milliarde Euro. Hier relativierte Sebastian Jurczyk allerdings den Wert, der vor allem durch die hohen Beschaffungs- und Energiepreise entstanden sei. Die Stadt Münster soll 6,5 Millionen Euro erhalten. Der dafür erforderliche Beschluss des Aufsichtsrats erfolgt im Herbst.

Profitabel war vor allem das Stromgeschäft, die Erzeugung steigerten die Münsteraner um 7,4 Prozent auf 347 Millionen kWh, der Großteil (86 Prozent) kommt hier nach wie vor aus dem Gas- und Dampfkraftwerk am Hafen. Eigene Wind- und Sonnenkraftwerke steuerten aber bereits ein Viertel mehr bei. Der leicht gesunkene Stromabsatz (minus 12 Prozent) auf 1,1 Milliarden kWh und das Minus bei Gas (minus 5 Prozent auf 1,9 Milliarden kWh) und Fernwärme (minus 9 Prozent auf 503 Millionen kWh) fielen angesichts des hohen Preisniveaus in der Stromsparte nicht ins Gewicht.
 
Noch besser als erwartet: Die Geschäftsführer Frank Gäfgen und Sebastian Jurczyk stellten im Beisein von Aufsichtsratschef Walter von Göwels (von links) die Bilanz der Stadtwerke Münster vor
Quelle: E&M / Volker Stephan

Stadtwerke-Chef leitet den Vertrieb noch bis Herbst selbst

Der Verlust von mehr als 4.000 Stromkunden dagegen schmerze sehr, so Jurczyk. Es sind in Summe mehr, als die Stadtwerke in der Energiekrise hinzugewonnen hatten. 2023 seien die von ihm heftig kritisierten Discounter mit günstigen Angeboten auf den Markt zurückgekehrt. Der daraus folgende Kundenverlust in Münster ähnele dem anderer Grundversorger. Weil Jurczyk nach Problemen im Vertrieb diese Verantwortung komplett an sich gerissen hat, solle die Kehrtwende schon bald erfolgen. Dies zeichne sich seit gut einem Monat auch ab. Im Herbst wolle er einen neuen Vertriebschef präsentieren.

Für den Aufsichtsratsvorsitzenden Walter von Göwels ist die Jahresbilanz die Bestätigung dafür, mit der langjährigen Verpflichtung von Sebastian Jurczyk und Mobilitätsvorstand Frank Gäfgen die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Ende 2022 hatte die Stadt zunächst den Vertrag von Jurczyk zu deutlich verbesserten Konditionen vorzeitig bis 2029 verlängert, im Frühjahr 2023 folgte der entsprechende Aufschlag bei Gäfgen (wir berichteten). Hintergrund waren Abwerbeversuche des Oldenburger Konzerns EWE.

Jurczyk sieht durch den Gehaltssprung den Druck auf ihn nicht gewachsen. „Ich spüre die gleiche Verantwortung, die Stadtwerke dauerhaft erfolgreich in die Zukunft zu bringen.“ Die nähere Zukunft sei gekennzeichnet von den „größten Investitionen der Geschichte“, sagte er. 800 Millionen Euro wollen die Stadtwerke bis 2028 in die Hand nehmen, 700 weitere Millionen bis 2035. Das Geld soll – auch aus steuerlichen Gründen – zu 70 Prozent fremdfinanziert sein. Die stabile Eigenkapitalquote (34,3 Prozent, minus 13,6 Prozent) sowie Partnerschaften bei Erneuerbaren-Projekten sollen den Rest erbringen.

„Der Verkauf von Kilowattstunden ist in zehn bis 20 Jahren tot“

Beim Investitionsprogramm bis 2028 sind 300 Millionen Euro für den Ausbau der Netze vorgesehen, ebenso viel Geld sollen neue Wind- und Solarenergieanlagen kosten. 80 Millionen Euro verschlingen Projekt für erneuerbare Wärme, 30 Millionen Euro sind für die Mobilitätswende veranschlagt.

Ein Ende des gasbetriebenen Kraftwerks am Hafen könne er noch nicht absehen, sagte Jurczyk. Ob das Kraftwerk eine Wasserstoff-Zukunft habe, sei ebenfalls noch offen. Da Münster an die Netze von Open Grid Europe und Thyssengas angeschlossen sei, „haben wir alle Optionen“. Die Stadtwerke selbst setzen aber zunächst stärker auf die Karten Tiefengeothermie und Solarthermie.

Eine besondere Transformation sieht Jurczyk für die Stadtwerke im Vertriebsbereich voraus. Das Geschäft mit „Verkauf von Kilowattstunden ist in zehn bis 20 Jahren tot, dann müssen wir umfassender Dienstleister sein“. Er arbeite daran, Pachtmodelle für die Kunden zu entwickeln – etwa für Wärmepumpen, wo die Stadtwerke das „Rundum-Sorglos-Paket“ aus Produkt, Wartung, Überwachung und Reparatur anbieten wollen.

Zudem starten die Münsteraner mit dem Start-up-Partner Enytime Green bei Musterhaushalten in Kürze die ersten Versuche mit dynamischen Stromtarifen, die Versorger ab 2025 im Angebot haben müssen. Ferner ist ein digitaler Helfer für die individuelle Wärmeplanung in Vorbereitung, die anhand persönlicher Daten über Gebäude, Wärmebedarf und Solarpotenzial auf dem Dach einen Vorschlag für die künftige Heizquelle macht. Hier erwartet Jurczyk eine Treffergenauigkeit von bis zu 80 Prozent, die die eine gute Ausgangsbasis für folgende Kundengespräche bilde.

Bei den Stadtwerken (ohne Netztochter) arbeiteten zum Jahresende 914 Beschäftigte, das ist ein Plus von 3,3 Prozent. Insgesamt zählt das Unternehmen rund 1.300 Mitarbeitende.

Montag, 17.06.2024, 17:24 Uhr
Volker Stephan

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