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Energie & Management > Windkraft Offshore - Netzbetreiber distanziert sich von 30.000-MW-Zwischenziel
Quelle: Fotolia / vadim petrakov
Windkraft Offshore

Netzbetreiber distanziert sich von 30.000-MW-Zwischenziel

2030 sollen in der See 30.000 MW Windleistung stehen, so das EEG und eine Realisierungsvereinbarung mit den ÜNB. Sie wird wohl verfehlt. Tennet will jetzt davor gewarnt haben.
Demonstrative Euphorie herrschte im November 2022 im Bundeswirtschaftsministerium, als Minister Robert Habeck (Grüne) mit den Ländern und den Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) eine „Realisierungsvereinbarung“ unterzeichneten. Um das gesetzlich auf 70.000 MW ausgeweitete Offshorewind-Endziel für 2045 zu erreichen, wenn Deutschland klimaneutral sein soll, einigte sich die Politik mit den ÜNB auf ehrgeizige Zwischenziele:

2030 sollte es eine EEG-Punktlandung mit 30.000 MW geben - derzeit sind es 8.500 MW −, und die 40.000 MW sollten nicht erst zehn Jahre später erfüllt sein, sondern schon 2035. Die ÜNB müssen die Windparks ans Netz anschließen und den Windstrom in die Verbrauchszentren im Westen und Süden Deutschlands abführen.

Habeck sprach damals von einem „klaren Prozess“, um „etappenweise die Dinge so auszurichten, dass wir die 30 Gigawatt erreichen können“, samt Zeitplänen für die Anbindungsleitungen. Spitzenmanager von drei ÜNB, darunter auch Tennet-COO Tim Meyerjürgens, begrüßten die Realisierungsvereinbarung

Indes, das Papier hielt nur gut ein Jahr, seitdem hängt es an einem seidenen Fädchen: Diesen Januar räumten Tennet für zwei Anbindungsprojekte und der ÜNB Amprion für ein weiteres von jeweils 2.000 MW ein, dass sie um bis zu zweieinviertel Jahre später fertig werden könnten. Begründung: die in ganz Europa hochgeschnellte Nachfrage nach Konvertern und anderen Komponenten.

Das Vorhaben Balwin 1 von Amprion gibt dabei den Ausschlag: Kommt es, wie es jetzt heißt, im dritten Quartal 2030, könnten die 30.000 MW 2030 einen sinnvollen Stromanschluss bekommen, kommt es erst 2031, dann nicht.

Zwischenziel schon damals skeptisch beäugt

Bei der Windforce Conference in Bremerhaven von dieser Redaktion darauf angesprochen, enthüllte Tim Meyerjürgens von Tennet, der ÜNB habe damals die Politik vor dem 30.000-MW-Ziel gewarnt: „Wir sahen das Zwischenziel skeptisch, aber die Politik wollte wegen der hohen Symbolkraft daran festhalten“, sagte er sinngemäß vor Journalisten.

Tennet habe die Bedenken damit begründet, dass man den Zubau-Peak in den Jahren 2029 und 2030, da bis zu 10.000 MW pro Jahr ans Netz gehen sollen, eher nach hinten abtragen solle. In den Jahren zuvor ist lediglich ein Ausbau um 3.000 MW per annum vorgesehen. Auch danach flacht die Kurve nach den bisherigen Planungen ab.

Für Meyerjürgens ist es gleichwohl kein Beinbruch, dass das 2030er-Ziel wankt. Wichtiger seien die damals um fünf Jahre vorgezogenen 40.000 MW 2035. Der Tennet-COO bekräftigte diese zweite Ausbaustufe. Im Übrigen beträfen die Verzögerungsmeldungen von Tennet und Amprion Windpark-Flächen, die noch nicht einmal ausgeschrieben sind. Es gebe also noch Spielraum.

Kapazitätsziele versus sinkende Volllaststunden

Auf einem Podium der Windforce hatte der Tennet-COO zuvor mit Bezug auf installierte elektrische Leistungen bekannt: „Ich war nie ein Freund von Kapazitätszielen in der dichtgedrängten deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone.“ Gesellschaftlich effizienter wären seiner Ansicht nach Strommengenziele.

Hier bereite ihm Sorge, dass einige der jüngst im Entwurf des Flächenentwicklungsplans 2024 festgelegten neuen Flächen (wir berichteten) nur noch mit 2.500 statt 4.000 Volllaststunden nutzbar seien und die Auslastung ihrer künftigen Netzanschlüsse damit von 40 auf 25 Prozent sinke. „Es ist zu überlegen: Ist der Zuschnitt der Flächen wirklich richtig?“, fragte Meyerjürgens rhetorisch. „Für die Gesellschaft ist das nicht effizient.“

Der Tennet-Manager verwies auf technologische Fortschritte in der Anbindung, die Tennet zum einen durch seinen neuen 2.000-MW-Standard vorangetrieben habe, zum anderen durch Interkonnektoren, die den Auslastungsgrad der damit gekreuzten Leitungssysteme von 25 auf 90 Prozent erhöhten. Der erste dieser Interkonnektoren ist im schleswig-holsteinischen Heide/West mit Verschränkung zum Ostseenetz des ÜNB 50 Hertz vorgesehen.

Dennis Kruse vom technischen Windenergie-Dienstleister Windguard erinnerte daran, dass der erste deutsche Offshore-Windpark „Alpha Ventus“ 2010 mit „weit über 4.000 Volllaststunden“ gestartet sei und die Prognosen seinerzeit in Richtung Grundlast gingen. „So ist es nicht gekommen“, bilanzierte Kruse. Das liegt unter anderem an Abschattungseffekten, mit denen sich Windparks gegenseitig den unverwirbelten Wind wegnehmen.

Die geringeren Volllaststunden in späteren Windparks haben laut Kruse allerdings auch den Vorteil, dass mit ihnen auch die Abschattungseffekte sinken.

Donnerstag, 13.06.2024, 14:52 Uhr
Georg Eble
Energie & Management > Windkraft Offshore - Netzbetreiber distanziert sich von 30.000-MW-Zwischenziel
Quelle: Fotolia / vadim petrakov
Windkraft Offshore
Netzbetreiber distanziert sich von 30.000-MW-Zwischenziel
2030 sollen in der See 30.000 MW Windleistung stehen, so das EEG und eine Realisierungsvereinbarung mit den ÜNB. Sie wird wohl verfehlt. Tennet will jetzt davor gewarnt haben.
Demonstrative Euphorie herrschte im November 2022 im Bundeswirtschaftsministerium, als Minister Robert Habeck (Grüne) mit den Ländern und den Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) eine „Realisierungsvereinbarung“ unterzeichneten. Um das gesetzlich auf 70.000 MW ausgeweitete Offshorewind-Endziel für 2045 zu erreichen, wenn Deutschland klimaneutral sein soll, einigte sich die Politik mit den ÜNB auf ehrgeizige Zwischenziele:

2030 sollte es eine EEG-Punktlandung mit 30.000 MW geben - derzeit sind es 8.500 MW −, und die 40.000 MW sollten nicht erst zehn Jahre später erfüllt sein, sondern schon 2035. Die ÜNB müssen die Windparks ans Netz anschließen und den Windstrom in die Verbrauchszentren im Westen und Süden Deutschlands abführen.

Habeck sprach damals von einem „klaren Prozess“, um „etappenweise die Dinge so auszurichten, dass wir die 30 Gigawatt erreichen können“, samt Zeitplänen für die Anbindungsleitungen. Spitzenmanager von drei ÜNB, darunter auch Tennet-COO Tim Meyerjürgens, begrüßten die Realisierungsvereinbarung

Indes, das Papier hielt nur gut ein Jahr, seitdem hängt es an einem seidenen Fädchen: Diesen Januar räumten Tennet für zwei Anbindungsprojekte und der ÜNB Amprion für ein weiteres von jeweils 2.000 MW ein, dass sie um bis zu zweieinviertel Jahre später fertig werden könnten. Begründung: die in ganz Europa hochgeschnellte Nachfrage nach Konvertern und anderen Komponenten.

Das Vorhaben Balwin 1 von Amprion gibt dabei den Ausschlag: Kommt es, wie es jetzt heißt, im dritten Quartal 2030, könnten die 30.000 MW 2030 einen sinnvollen Stromanschluss bekommen, kommt es erst 2031, dann nicht.

Zwischenziel schon damals skeptisch beäugt

Bei der Windforce Conference in Bremerhaven von dieser Redaktion darauf angesprochen, enthüllte Tim Meyerjürgens von Tennet, der ÜNB habe damals die Politik vor dem 30.000-MW-Ziel gewarnt: „Wir sahen das Zwischenziel skeptisch, aber die Politik wollte wegen der hohen Symbolkraft daran festhalten“, sagte er sinngemäß vor Journalisten.

Tennet habe die Bedenken damit begründet, dass man den Zubau-Peak in den Jahren 2029 und 2030, da bis zu 10.000 MW pro Jahr ans Netz gehen sollen, eher nach hinten abtragen solle. In den Jahren zuvor ist lediglich ein Ausbau um 3.000 MW per annum vorgesehen. Auch danach flacht die Kurve nach den bisherigen Planungen ab.

Für Meyerjürgens ist es gleichwohl kein Beinbruch, dass das 2030er-Ziel wankt. Wichtiger seien die damals um fünf Jahre vorgezogenen 40.000 MW 2035. Der Tennet-COO bekräftigte diese zweite Ausbaustufe. Im Übrigen beträfen die Verzögerungsmeldungen von Tennet und Amprion Windpark-Flächen, die noch nicht einmal ausgeschrieben sind. Es gebe also noch Spielraum.

Kapazitätsziele versus sinkende Volllaststunden

Auf einem Podium der Windforce hatte der Tennet-COO zuvor mit Bezug auf installierte elektrische Leistungen bekannt: „Ich war nie ein Freund von Kapazitätszielen in der dichtgedrängten deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone.“ Gesellschaftlich effizienter wären seiner Ansicht nach Strommengenziele.

Hier bereite ihm Sorge, dass einige der jüngst im Entwurf des Flächenentwicklungsplans 2024 festgelegten neuen Flächen (wir berichteten) nur noch mit 2.500 statt 4.000 Volllaststunden nutzbar seien und die Auslastung ihrer künftigen Netzanschlüsse damit von 40 auf 25 Prozent sinke. „Es ist zu überlegen: Ist der Zuschnitt der Flächen wirklich richtig?“, fragte Meyerjürgens rhetorisch. „Für die Gesellschaft ist das nicht effizient.“

Der Tennet-Manager verwies auf technologische Fortschritte in der Anbindung, die Tennet zum einen durch seinen neuen 2.000-MW-Standard vorangetrieben habe, zum anderen durch Interkonnektoren, die den Auslastungsgrad der damit gekreuzten Leitungssysteme von 25 auf 90 Prozent erhöhten. Der erste dieser Interkonnektoren ist im schleswig-holsteinischen Heide/West mit Verschränkung zum Ostseenetz des ÜNB 50 Hertz vorgesehen.

Dennis Kruse vom technischen Windenergie-Dienstleister Windguard erinnerte daran, dass der erste deutsche Offshore-Windpark „Alpha Ventus“ 2010 mit „weit über 4.000 Volllaststunden“ gestartet sei und die Prognosen seinerzeit in Richtung Grundlast gingen. „So ist es nicht gekommen“, bilanzierte Kruse. Das liegt unter anderem an Abschattungseffekten, mit denen sich Windparks gegenseitig den unverwirbelten Wind wegnehmen.

Die geringeren Volllaststunden in späteren Windparks haben laut Kruse allerdings auch den Vorteil, dass mit ihnen auch die Abschattungseffekte sinken.

Donnerstag, 13.06.2024, 14:52 Uhr
Georg Eble

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