Die Politik und die Wirtschaft in Deutschland suchen nach einem Weg, Angebot und Nachfrage nach Wasserstoff gleichmäßig auszubauen.
Die Chefin des BDEW, Kerstin Andreae, hat eine klare Perspektive, wenn es um die Zukunft von Wasserstoff geht. Es gehe darum, möglichst schnell in industrielle Dimensionen hineinzuwachsen. Wasserstoff müsse ein Rohstoff werden, keine seltene und damit teure Ware, sagte sie am 11. Februar auf einer Videokonferenz ihres Verbandes. Das bedeutet auch, dass die EU ihren Bedarf an Wasserstoff nicht alleine decken kann. Auf die Dauer werde man ohne Importe nicht auskommen.
Ein Teil der Infrastruktur dafür ist vorhanden. Das dichte Netz der Erdgasleitungen in ganz Europa könnte nach Ansicht Andreaes mittelfristig auch für den Transport von Wasserstoff genutzt werden. Die Lobbyistin der Energie- und Wasserwirtschaft ist deswegen nicht glücklich darüber, dass die Bundesregierung Wasserstoffleitungen anders regulieren will als die bestehenden Erdgas-Pipelines. Man werde darüber im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens noch zu reden haben.
Die Unternehmen brauchten eine technologieoffene Perspektive für alle Anwendungen, einschließlich einer CO2-freien Wärmeversorgung. Nur so könne man auch "die Stadtwerke im Boot halten".
EU-Parlament sieht blauen Wasserstoff als "Hebel"Auch Jörg Bergmann, Mitglied im deutschen Wasserstoffrat, sieht die Lösung des Problems in der schnellen "Skalierung" der Produktion und des Bedarfs. Bis 2030 müssten dafür 1.200
Kilometer des bestehenden deutschen Erdgasnetzes (Fernleitungen) für den Wasserstofftransport ertüchtigt werden. Die Investitionen dafür beliefen sich auf 660
Mio. Euro. Europaweit müssten im "ersten Schritt" etwa 6.800
Kilometer Pipelines dafür zur Verfügung stehen.
Der zweite Schritt, die Umstellung von 75
% der Leitungen auf Wasserstoff bis 2040, wäre schon wesentlich teurer: 27 bis 65
Mrd. Euro. Die Transportkosten könnte man damit auf 9 bis 17
Cents pro Kilogramm Wasserstoff und 1.000
Kilometer drücken. "Dann kann man Wasserstoff auch aus Afrika importieren", sagt Bergmann.
Im Europäischen Parlament betrachtet man Wasserstoff ebenfalls als wichtige Säule der Energiewende. Es gebe einen breiten Konsens darüber, eine sichere Marktordnung für Investoren zu schaffen, sagte der Europa-Abgeordnete Jens Geier (SPD). Vorbehalte gebe es allerdings gegen den Einsatz von Wasserstoff im Wärmemarkt. Umstritten sei auch, welche Rolle sogenannter "blauer Wasserstoff" in der Übergangsphase spielen darf.
Die SPD sieht kein Problem darin, Wasserstoff zunächst auch aus Erdgas herzustellen, wenn große Mengen wie sie etwa die Stahlindustrie braucht, zunächst nicht anders erzeugt werden könnten. Dabei entstehe deutlich weniger CO2 als bei der herkömmlichen Stahlproduktion und es entstehe ein großer Absatzmarkt auch für "grünen" Wasserstoff. Geier sieht im blauen Wasserstoff einen "Hebel", um auch grünen Wasserstoff voranzubringen. Die Grünen fürchten, dass der blaue den grünen Wasserstoff verdrängen und die Energiewende auf halber Strecke steckenbleiben könnte.
Tragfähige Projekte gesuchtIm Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) fürchtet man umgekehrt, dass es ohne blauen keine Zukunft für den grünen Wasserstoff gibt. Thorsten Herdan, der im BMWi mit der Förderung der Wasserstoff-Wirtschaft betraut ist, hält den blauen Wasserstoff für unverzichtbar, um eine leistungsfähige Infrastruktur für den grünen aufzubauen. Derzeit fehle es noch an der Regulierung, dazu gehöre auch ein System zur Zertifizierung. Um die Kosten zu senken, setzt man in Berlin auf Subventionen in Milliardenhöhe. Im Bundeshaushalt stünden 9
Mrd. Euro für Wasserstoffprojekte bereit, davon 2
Mrd.
Euro für internationale Projekte.
Alle EU-Staaten zusammen hätten sogar 46
Mrd. Euro zurückgestellt, um den Wasserstoff voranzubringen, sagt Jorgo Chatzimarkakis, der Cheflobbyist der Branche in Brüssel. An tragfähigen Projekten fehle es allerdings noch. Sein Verband, Hydrogen Europe, stelle jedoch gerade eine "Projekt-Pipeline" zusammen. Alle Projekte, die sich bewerben, erhielten ein "Gütesiegel", das sich am CO2-Gehalt orientiere, und könnten dementsprechend gefördert werden.
Bewerben könnte sich auch der dänische Windpark-Betreiber Orsted. Das Unternehmen entwickelt in Schleswig-Holstein eine Art Wasserstoff-Kluster. Mithilfe von Windrädern und einer Elektrolyse-Anlage wird hier Wasserstoff erzeugt. In unmittelbarer Nähe sollen sich Firmen ansiedeln, die diesen Wasserstoff einsetzen. Die Industrie sei dafür bereit, sagt Orsted-Vize-Präsident Christian Nordström, die Gesetzgebung hinke leider noch hinterher.
Das Ziel der EU, Offshore-Anlagen mit einer Kapazität von 450.000
MW vor den Küsten der EU zu erreichten, ist für Nordström nur im Rahmen grenzüberschreitender Projekte zu erreichen. Beste Voraussetzungen, ein Umschlagplatz für "grüne Energie" zu werden, habe dabei zum Beispiel die Insel Bornholm.
Freitag, 12.02.2021, 11:47 Uhr
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