Bild: Fotolia, vencav
Aurora Energy Research hat die zusätzliche Kraftwerksleistung analysiert, die nötig ist, um die Versorgung auch bei Extremwetter, hoher Nachfrage und Dunkelflaute aufrechtzuhalten.
In seiner Studie "Die Auswirkungen des Wetters in einem Stromnetz mit hohen erneuerbaren Energien" gibt das Forschungsinstitut einen Überblick über die Auswirkungen des Wetters auf den deutschen Strommarkt bis 2050.
Mit zunehmender Elektrifizierung von Verbrauchssektoren und dem Ausbau der Erneuerbaren werden sowohl die Stromnachfrage als auch die Stromerzeugung volatiler. Aurora führt zwei Stellschrauben auf, um einen drohenden Blackout bei Extremwetter abzuwenden: Zum einen brauche es eine Reserve aus flexiblen Kraftwerkskapazitäten, etwa Gas- oder Ölkraftwerke, die in Extremsituationen einspringen können. Die Analysten errechneten für Deutschland im Jahr 2050 eine zusätzlich notwendige Kraftwerksleistung von bis zu 10.000
MW.
Erhebliches Potenzial in der intelligent angepassten StromnachfrageEine zweite Stellschraube sieht Aurora Energy Research in den Maßnahmen auf Verbraucherseite: Knapp 20 % der Stromnachfrage ließe sich etwa flexibel abrufen, indem Ladevorgänge von Elektroautos sowie der Betrieb von Wärmepumpen und Elektrolyseuren an die schwankende Erzeugung angepasst würden. Auch Industriebetriebe könnten für kürzere Zeiträume − Minuten bis wenige Sekunden − ihren Strombedarf drosseln, etwa indem sie energieintensive Prozesse kurzzeitig verschieben. "Dabei ist allerdings der Aufwand den Mehrkosten für zusätzliche Erzeugungskapazitäten gegenüberzustellen", schreiben die Aurora-Experten.
Dieser intelligent angepassten Stromnachfrage schreiben sie ein erhebliches Potenzial zu. Die Autorin der Studie, Kornelia Stycz, dazu: "Wenn wir die verbrauchsseitigen Flexibilisierungen voll ausreizen − von E-Autos über Wärmepumpen bis hin zum industriellen Strombedarf −, dann brauchen wir nur 5.000
Megawatt zusätzliche flexible Kraftwerke. Wenn wir uns umgekehrt nur auf die Erzeugungsseite verlassen, werden wir die 10.000 Megawatt vorhalten müssen, um die Versorgung bei Extremwetter sicherzustellen."
Für ihre Studie haben die Aurora-Forscher den Bedarf an flexibler Kraftwerksleistung in Jahren mit durchschnittlichem Wetter und solchen mit Extremwetter-Ereignissen verglichen. Dabei zeigte sich, dass die 10.000 Megawatt an zusätzlicher Backup-Kapazität in den meisten Jahren überhaupt nicht zum Einsatz kommen − im Mittel weniger als zehn Stunden im Jahr. "Um in diesen kurzen Einsatzzeiten die Kosten zu erwirtschaften, braucht es Börsenstrompreise von 10.000 Euro und mehr pro Megawattstunde", prophezeit Lukas Bunsen, Leiter der Forschungsabteilung Zentraleuropa bei Aurora. "Wie die Ereignisse in Texas gezeigt haben, gibt es in Zeiten der Knappheit durchaus solche Preise. Allerdings ist ihre Eintrittswahrscheinlichkeit kaum berechenbar, zumal schon kleine Änderungen in den Rahmenbedingungen oder im Marktdesign deutlichen Einfluss auf die Preissetzung haben können. Daraus entsteht ein erhebliches Investitionsrisiko für Anlagenbetreiber."
Verlässlicher politischer Rahmen notwendigDamit die Betreiber solcher Backup-Kraftwerke wirtschaftliche genug Anreize haben, diese Kapazitäten vorzuhalten, braucht es laut Stycz ein entsprechendes Marktdesign und verlässliche politische Vorgaben. Die Betreiber müssten darauf vertrauen können, dass der Strommarkt über die gesamte Lebensdauer der Anlagen wie geplant funktioniert und die entsprechenden knappheitsbedingten Preisaufschläge für den erzeugten Strom auch erzielt werden.
"Die Politik muss sich klar zu einem Marktdesign bekennen − sei es ein reiner Energie- oder ein Kapazitätsmarkt − und dafür unter anderem auch die Frage klären, ob und wie die 2014 eingeführte Kapazitätsreserve in den kommenden Dekaden fortgeführt wird", sagt Bunsen. Dies gelte umso mehr, als die Studie sich auf die momentan gültigen Pläne der Regierung zum Erneuerbaren-Ausbau bezieht. "Wenn diese an das erklärte Ziel der Klimaneutralität bis 2050 angepasst werden, brauchen wir noch mehr flexible Kraftwerkskapazitäten. Umso wichtiger sind die entsprechenden Rahmenbedingungen.“
Eine Kurzfassung der
Studie "Die Auswirkungen des Wetters in einem Stromnetz mit hohen erneuerbaren Energien" stellt das Forschungsinstitut auf seiner Internetseite bereit.
Mittwoch, 17.03.2021, 13:30 Uhr
© 2024 Energie & Management GmbH