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In seiner aktuellen Bilanz kritisiert der Bundesrechnungshof das Bundeswirtschaftsministerium. Die Energiewende werde zu teuer für Privathaushalte und Unternehmen, meint die Behörde.
Die sichere und bezahlbare Stromversorgung sei zunehmend in Gefahr, fürchtet der Bundesrechnungshof. „Seit unserer letzten Bilanz in 2018 hat sich zu wenig getan, um die Energiewende erfolgreich zu gestalten“, bilanzierte der Präsident des Bundesrechnungshofes Kay Scheller. Anlass war die Zuleitung eines Berichts an den Deutschen Bundestag über die Umsetzung der Energiewende durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi).
Eine Sprecherin des BMWi sagte, ihr Haus berichte regelmäßig. „Die Versorgungssicherheit in Deutschland ist umfassend gewährleistet und gerade auch im internationalen Vergleich sehr hoch“, sagte sie. Dies werde von der Bundesnetzagentur überwacht. Die Bundesregierung bemühe sich, die Energiewende so kosteneffizient wie möglich zu gestalten und habe deshalb die Förderung erneuerbarer Energien auf Ausschreibungen umgestellt.
Stromlücke und Überteuerung droht
Die Bundesregierung steuere den Transformationsprozess weiterhin unzureichend, kritisierte Scheller. „Die Energiewende droht Privathaushalte und Unternehmen finanziell zu überfordern“, warnte er. „Die Bezahlbarkeit ist noch immer nicht messbar bestimmt; die Versorgungssicherheit lückenhaft erfasst“, so die Kritik.
Ob Bürger und Wirtschaft künftig verlässlich mit Strom versorgt werden, unterliege Risiken, die die Bundesregierung nicht vollständig im Blick habe. Das BMWi verwies darauf, dass die EEG-Umlage 2021 durch einen Zuschuss aus dem Haushalt auf 6,5 ct/kWh stabilisiert wurde und für 2022 auf 6,0 ct/kWh. Mittelfristig solle die EEG-Umlage ganz abgeschafft werden.
Akzeptanz der Energiewende gefährdet
„Bedenklich stimmen mich die hohen Strompreise für Privathaushalte und für kleinere und mittlere Unternehmen“, sagte der Präsident des Bundesrechnungshofes. Das setze die Akzeptanz des Generationenprojektes aufs Spiel und gefährde die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Er schlug daher vor, das System der staatlichen Umlagen und Entgelte grundlegend zu reformieren. Zudem müsse das BMWi anhand von Indikatoren und Schwellenwerten die Versorgungssicherheit überwachen.
Das bisherige Monitoring sei lückenhaft, kritisiert der Bundesrechnungshof. So seien Aspekte zur Versorgungszuverlässigkeit und Systemsicherheit wie Netzausbau und Speicher, Netzwartung, Netzstabilität oder Versorgungsausfälle nicht oder nur unzureichend durch Indikatoren abgedeckt. Der Kohleausstieg hinterlasse eine Kapazitätslücke von bis zu 4.500 MW, die nicht gedeckt sei. Die neuen Pläne zur Wasserstoffgewinnung erforderten zugleich einen erheblichen Strommehrbedarf.
Versorgungssicherheit ungewiss
„Das BMWi beugt diesen realen Gefahren für eine sichere Stromversorgung nicht wirksam vor,“ sagte Scheller. „Es muss sein Monitoring dringend vervollständigen.“ Die staatlich geregelten Preisbestandteile mit Umlagen, Steuern und Netzentgelten machten bereits 75 % der Strompreise aus und trügen daher wesentlich zu dem hohen Preisniveau bei.
Auch die Kosten für den weiteren Netzausbau und den Ausbau erneuerbarer Energien würden auf den Strompreis noch aufgeschlagen. Beides treibe den Strompreis absehbar weiter in die Höhe. Deshalb gilt es, das System der staatlich geregelten Preisbestandteile grundlegend zu reformieren. Das BMWi müsse endlich bestimmen, was es unter einer preisgünstigen und effizienten Stromversorgung versteht, forderte Scheller. Dies sei seit 2018 gefordert aber nicht umgesetzt worden.
Wirtschaft und Opposition teilen Kritik am BMWi
VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing begrüßte den Bericht des Bundesrechnungshofes. Er lege „den Finger in die Wunde“. Um Fehlentwicklungen frühzeitig zu korrigieren, brauche es realistische Annahmen für die künftige Versorgungssicherheit. Dazu gehöre auch, das bestehende Versorgungssicherheitsmonitoring um einen Stresstest zu ergänzen. „Dies hatte auch der VKU in der Vergangenheit gefordert“, erinnerte Liebing. Auch der Reformbedarf beim System der Steuern, Abgaben und Umlagen im Stromsektor werde schon lange vom VKU und zuletzt dem Bundesrat angemahnt.
Der Sprecher für Energiepolitik der FDP-Bundestagsfraktion, Martin Neumann, forderte „endlich realistische Einschätzungen, inwiefern volatile Energieträger den steigenden Strombedarf decken können“. Auch beim Thema Netzausbau hänge Deutschland deutlich hinterher. „Was wir brauchen, ist eine Energiepolitik die wieder rechnen kann“, forderte Neumann. Auch er plädierte für eine grundlegende Strompreisreform, um die gesellschaftliche Akzeptanz für die Energiewende nicht zu gefährden.
Dienstag, 30.03.2021, 16:11 Uhr
Susanne Harmsen
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