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Die Energiewirtschaft hat sich nach Einschätzung der europäischen Regulierungsbehörden im ersten Jahr der Corona-Krise als stabil und widerstandsfähig erwiesen.
Zu diesem Ergebnis kommt ein Bericht des Rates der europäischen Regulierungsbehörden (CEER), der in Brüssel vorgelegt wurde. Es handele sich um eine erste Bestandsaufnahme, sagte CEER-Vize-Präsident Jean-Laurent Lastelle bei der Vorstellung des Berichtes.
Obwohl die Nachfrage nach Energie und die Preise teilweise deutlich gesunken seien, sei die Funktionsfähigkeit des Systems immer gewährleistet gewesen. Über die Gesamtwirkung der Pandemie auf die Anbieter und die Netzbetreiber bestehe noch keine Klarheit.
Nie dagewesener Rückgang des EnergieverbrauchsDurch die in den allermeisten EU-Staaten verhängten Lockdowns sei es im ersten Halbjahr 2020 zu einem „nie dagewesenen Rückgang des Energieverbrauchs“ gekommen, heißt es in dem Bericht. In der Elektrizitätswirtschaft erreichte der Nachfragerückgang während der ersten Welle der Pandemie (März bis Juni 2020) in den einzelnen EU-Staaten bis zu 18 %. Wurden die Restriktionen gelockert, erholte sich die Nachfrage, ohne jedoch das jeweilige Vorjahresniveau zu erreichen.
Die Nachfrage nach Gas ging in manchen Ländern wie etwa Belgien, Italien oder Ungarn nur wenig zurück. In anderen wie Luxemburg, Großbritannien oder auf der iberischen Halbinsel sank der Verbrauch von Gas dagegen im selben Umfang wie bei Strom oder noch stärker.
Praktisch überall verbilligten sich die Großhandelspreise für Gas wie für Strom. So lagen die Strompreise im April in Deutschland, Österreich, Belgien, Italien und Griechenland um mehr als 50 % unter denen im April 2019. Der CEER führt das nicht alleine auf die geringere Nachfrage zurück. Zur Preisentwicklung habe auch der Verfall der Brennstoffpreise, insbesondere für Gas beigetragen. In manchen Ländern trugen außerdem günstige Wetterbedingungen wie milde Außentemperaturen und ein hohes Windaufkommen zum Verfall der Großhandelspreise bei. Erst nach der Sommerpause erreichten die Preise wieder das Vorkrisenniveau.
Auf dem Gasmarkt herrschte bereits vor dem Ausbruch der Corona-Krise ein Nachfrageüberhang. Der dadurch bestehende Abwärtstrend bei den Preisen setzte sich nach Ausbruch der Krise fort: im Mai letzten Jahres kostete eine Megawattstunde Gas an der EEX nur noch vier Euro. Danach stiegen die Preise wieder und erreichten Ende Oktober 15 Euro/MWh.
Einbußen vor allem bei fossilen BrennstoffenIm Energiemix ging der Nachfragerückgang vor allem zulasten der fossilen Energieträger. Im ersten Halbjahr lieferten die erneuerbaren Energien mit 40 % erstmals mehr Strom als die fossilen Träger mit 33 %. In Deutschland waren es sogar 52 %.
Eine weitere Folge der von den EU-Staaten verhängten Restriktionen waren Einkommensverluste bei den Verbrauchern. In vielen Fällen konnten sie ihre Strom- oder Gasrechnung nicht mehr pünktlich bezahlen. Um sozial schwache Haushalte zu schützen, setzten 18 EU-Staaten ein Moratorium für Lieferunterbrechungen in Kraft, 12 eröffneten die Möglichkeit, Zahlungen zu stunden oder Ratenzahlungen zu vereinbaren. Hinzu kamen Kredite, höhere Sozialtransfers und andere Maßnahmen.
Bei den Erzeugern und den Netzbetreibern führt das zu Einnahmeausfällen, allerdings können die Regulierungsbehörden bislang nichts über den Umfang der so entstehenden Einbußen sagen. Bedeutender sind aber offenbar die Ausfälle, die durch geringere Nachfrage und niedrigere Preise entstanden sind.
Auf der anderen Seite hätten die Unternehmen der Energiewirtschaft von den staatlichen Stützungsmaßnahmen zumindest indirekt dadurch profitiert, dass die Gewerbekunden ihre Gas- und Stromrechnung bezahlen konnten. In manchen Ländern wie Frankreich hätten die Lieferanten von Strom und Gas auch direkt von konjunkturstützenden Maßnahmen profitiert.
Geringer waren die Auswirkungen auf die Netzbetreiber. Ihre Einnahmen seien nur „leicht zurückgegangen“. Das gelte vor allem für die Betreiber der Gasleitungen. Die Netzbetreiber seien dadurch in der Lage gewesen, ihre Lieferanten früher zu bezahlen oder fällige Zahlungen zu stunden.
Beeinträchtigt wurde durch die Pandemie allerdings der Netzausbau. Insbesondere der Einbau von Smart-Metern werde durch die seuchenpolitischn Abstanzregeln behindert oder habe nicht mehr den gleichen, politischen Stellenwert wie vor der Krise.
Als wichtige Lehren aus der Entwicklung des letzten Jahres empfiehlt der CEER einen möglichst umfassenden Informationsaustausch zwischen allen Beteiligten (Unternehmen, Netzbetreibern, Regulierern, Regierungen), eine beschleunigte Digitalisierung und Moratorien, um die Belieferung aller Haushalte auch in der Krise aufrechterhalten zu können. Weitere Informationen gibt es auf der
Internetseite von CEER.
Mittwoch, 31.03.2021, 09:07 Uhr
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