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In der EU verfestigt sich der Gegensatz zwischen Anhängern und Gegnern der Kernenergie. Die „Freunde der Erneuerbaren“ wollen den Druck für mehr Wind- und Solarenergie erhöhen.
Die österreichische Energie- und Klimaministerin, Leonore Gewessler, kam nicht mit leeren Händen zum letzten Energieministerrat der EU in diesem Jahr. Im Gepäck hatte sie ein Positionspapier, auf das sich elf Mitgliedsstaaten im Vorfeld verständigt hatten. Diese sind Belgien, Dänemark, Deutschland, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich und Portugal.
Gewessler hatte den Club der „Freunde der Erneuerbaren“ vor über einem Jahr gegründet, um für eine Energiewende ohne Atomkraft zu kämpfen. Daraus ist nichts geworden: Frankreich und seine Atomfreunde konnten im Rahmen des Klimapaktes der EU durchsetzen, dass Strom aus Atomkraftwerken in den meisten Fällen genauso behandelt wird wie Strom aus Wind und Sonne (wir berichteten).
Gegenüber dem robusten Auftreten der Atomländer rücken die Freunde der erneuerbaren Energien jetzt enger zusammen. In den elf Ländern des Clubs lebt mehr als die Hälfte der europäischen Bevölkerung. Deutschland spielt als größtes Industrieland im Club zwar eine wichtige Rolle, überlässt die Führung aber den Österreichern. Als Wortführerin tritt Gewessler in Brüssel auf.
Sie übergab der Kommission am Rande des Ministerrates ein gemeinsames Positionspapier der Länder. Darin verlangen sie, die Rahmenbedingungen für die Stromerzeugung aus Wind, Wasser und Sonne weiter zu verbessern. Die Erneuerbaren, so Gewessler, würden dafür sorgen, dass Energie wieder billiger werde: „Deswegen brauchen wir einen schnellen Ausbau der Erneuerbaren und der Netze. Und wir brauchen einen europäischen Blick darauf, damit uns die Wende hin zu einem zu 100 Prozent erneuerbaren Energiesystem auch gut gelingt.“
Es sei richtig, dass die Kommission einen Aktionsplan für die Windenergie vorgelegt habe, sagte Gewessler. Das reiche aber nicht, notwendig seien auch Maßnahmen zum beschleunigten Ausbau der Solarenergie, für Wärmepumpen und andere, klimafreundliche Technologien. Dafür brauche es eine starke Allianz auf europäischer Ebene. Sie sei deswegen froh, dass es der Gruppe gelungen sei, sich auf eine gemeinsame Position zu verständigen.
Funktionierender Binnenmarkt für Wasserstoff muss aufgebaut werden
Ziel der „Freunde der Erneuerbaren“ ist es danach, politisch alle Maßnahmen zu ergreifen, um den Ausbau der erneuerbaren Energien zu beschleunigen. Und zwar zusätzlich zu den bestehenden Klimazielen. So müsse die EU schneller werden bei der Planung, Genehmigung und beim Bau der Infrastruktur, die Voraussetzung für die Integration von mehr erneuerbarer Energien sei. Lücken in den Netzen müssten geschlossen, Ãœbertragungs- und Verteilnetze flexibler werden. Voraussetzung für einen schnelleren Vormarsch der Erneuerbaren sei ein funktionierender Binnenmarkt, auch für Wasserstoff.
Die EU müsse das bislang geltende Ziel für den Ausbau der Erneuerbaren bis 2030 von 42,5 Prozent nachbessern und durch Maßnahmen auf europäischer Ebene auf 45 Prozent bringen. Dabei könnten auch zwischenstaatliche Projekte zum Einsatz kommen.
Die Freunde der Erneuerbaren wollen sich für den Aufbau einer „Industrie für Erneuerbare“ einsetzen, um die strategische Autonomie der EU zu stärken. Strategische Lieferketten müssten diversifiziert, die eigene Produktion gestärkt werden, ohne dass dies zu höheren Kosten führe. Global setzen sich die elf Länder für das von der COP28 erklärte Ziel ein, die Kapazität der Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien bis 2030 auf elf Terrawatt anzuheben: „Damit bekämpfen wir nicht nur die Klimakrise sondern eröffnen auch große ökonomische Chancen“, heißt es in dem Positionspapier.
Wirtschaftsstaatssekretär Sven Giegold betonte am Rande des Rates das Recht jedes Mitgliedsstaates, seinen Energiemix zu bestimmen. Gleichzeitig machte er deutlich, dass Deutschland die Herausforderung der Atomfreunde annimmt: „Wir denken, dass es billiger ist, erneuerbare Energie einzusetzen. Als Ergänzung benötigen wir sehr flexible Kraftwerke. Das leisten Atomkraftwerke nicht. Ein Atomreaktor reagiert nicht schnell genug.“ Die Bundesregierung sei deswegen davon überzeugt, dass Strom aus erneuerbaren Energien am Ende billiger sein werde. Aber das sei nicht notwendigerweise ein Widerspruch zu Ländern, die sich anders entscheiden, für eine Technologie, von der die Bundesregierung denke, „dass es ein teures Experiment wird“.
Donnerstag, 21.12.2023, 09:24 Uhr
Tom Weingärtner
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