Quelle: Shutterstock
Nach einem komplexen Umbau beginnt in der Fusionsanlage „Wendelstein 7-X“ eine neuen Phase von Experimenten. Die Bundesforschungsministerin besuchte die Anlage aus diesem Anlass.
Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) sicherte der in Deutschland geleisteten Grundlagenforschung für die Fusionstechnologie bei ihrem Besuch in Greifswald weitere Unterstützung zu. „Die Fusion ist eine riesengroße Chance für unsere Energieversorgung und unsere Unabhängigkeit“, sagte sie am 9.
August bei einem Festakt an der Großforschungsanlage Wendelstein 7-X. Dort versuchen Forscherinnen und Forscher des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP), die Energieproduktion der Sonne auf der Erde nachzuahmen.
Die Verschmelzung von Wasserstoff (H2) zu Helium (HE) soll als alternative Stromquelle nutzbar gemacht werden. Anlass des Festaktes war der Abschluss eines komplexen Umbaus, mit dem die Experimente nun ausgeweitet werden können. In der Anlage wird Wasserstoffgas in eine Vakuumkammer eingelassen, unter extreme Hitze gesetzt und elektrisch aufgeladen. Meterhohe Magnetspulen halten das sogenannte Plasma in der Schwebe und auf Abstand zu den Kammerwänden.
30 Minuten Plasmakontrolle als ZielDie bei der Verschmelzung von Atomkernen erzeugte Hitze dient als Energiequelle. Sie kann mittels Wärmetauscher und Dampfturbine zu Strom umgewandelt oder als Direktwärme in Heizsysteme abgeführt werden.
Wendelstein 7-X ist die weltweit größte Fusionsanlage vom Typ Stellarator. Bei der nächsten Experimentierphase geht es darum, das Plasma bis zu 30 Minuten aufrechtzuerhalten.
Die Anlage selbst liefert noch keine Fusionsenergie, sondern dient der Grundlagenforschung und soll die Kraftwerkstauglichkeit von Fusionsanlagen des Typs „Stellarator“ nachweisen. „Es geht um den Dauerbetrieb. Das ist die eigentliche Mission“, sagte der Physiker und Projektleiter Thomas Klinger. Bislang erreichten die Forschenden nur 100 Sekunden Plasmadauer unter moderaten Bedingungen. Die Hauptmontage von Wendelstein 7-X wurde 2014 abgeschlossen, das erste Plasma wurde am 10.
Dezember 2015 erzeugt.
Bislang 1,3 Mrd. Euro GesamtkostenFür den längeren Betrieb bei Maximaltemperaturen von bis zu 50
Mio.
Grad Celsius seien 600 Wasserkühlkreise installiert worden. Damit sollen die „Kacheln“ aus Glasfasern im Innenraum der Kammer gekühlt werden. Herzstück der Anlage ist der Ring aus 50 etwa 3,5 Meter hohen Magnetspulen, die auf minus 270 Grad heruntergekühlt werden. Fusionskraftwerke sind nukleare Anlagen. Allerdings falle kein hoch-radioaktiver Abfall an, sondern nur leicht strahlender, so Klinger. Die Gesamtkosten für das 1996 gestartete „W 7-X“-Projekt belaufen sich bislang auf 1,3
Mrd.
Euro, die Kosten für die Anlage selbst betragen 400
Mio.
Euro. Finanziert wird das Vorhaben von Bund, Land und der EU.
|
Die Versuchsanlage „Wendelstein 7x“ in Greifswald Quelle: IPP / Volker Steger |
Mit der neuen Anlage sollen Plasmagleichgewicht und -einschluss von vergleichbarer Qualität sein wie bei einem Tokamak gleicher Größe. Der Tokamak-Bautyp einer Fusionsanlage wird in München-Garching mit dem „Asdex Upgrade“ erforscht. Dort wird das Plasma nicht nur von außen durch Magnetfelder, sondern auch durch im Plasma fließenden elektrischen Strom kontrolliert. Dadurch bricht das Plasma aber immer wieder zusammen, sobald der Stromfluss unterbrochen wird, was ohne Zusatzmaßnahmen nur kurze Erzeugungsimpulse ermöglicht.
Sofern es gelingt, ein optimales Magnetfeld zu erzeugen, könnten Stellaratoren für ein Fusionskraftwerk eine technisch einfachere Lösung sein als Tokamaks. Denn sie könnten auf einfache Weise einen Dauerbetrieb möglich machen. Dies ist jedoch auf theoretischem Wege nicht zu beantworten und müsste experimentell im „Wendelstein“ geklärt werden. Eine praktische Anwendung in Fusionskraftwerken ist noch nicht abzusehen.
Dienstag, 9.08.2022, 15:50 Uhr
© 2024 Energie & Management GmbH