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Österreich will die energetische Nutzung der Erdwärme für den Wärmemarkt forcieren. Wie hoch das Potenzial ist, stellte Gregor Götzl auf dem virtuellen Kongress „GeoTherm“ vor.
„Wie in anderen europäischen Ländern ist auch in Österreich der Wärmesektor die größte Baustelle“, sagte Gregor Götzl von der Geologischen Bundesanstalt bei einem Vortrag auf der „GeoTherm“ am 25. Juni. Er ist außerdem Vorstandsmitglied beim Verein Geothermie Österreich (GTÖ). Gerade für erneuerbare Wärmeversorgung sieht Götzl ein hohes Potenzial – sowohl für die Tiefengeothermie als auch für Systeme der oberflächennahen Geothermie.
Trotz langer Tradition in der Nutzung der hydrothermalen Geothermie, etwa für Thermalquellen, seit den späten 1970er-Jahren, fand in Österreich erst vor wenigen Jahren ein Umdenken statt − in Richtung der systematischen Erkundung und Anwendung der Geothermie. „Mit dem Verein GTÖ, der 2018 gegründet wurde, wollen wir die Rolle der Geothermie stärken“, sagte Götzl.
In Österreich – wie in Deutschland auch – erzeugen geothermische Anlagen sowohl Strom als auch Wärme. Im Nachbarland liegt jedoch der Schwerpunkt bei Wärme: In Österreich sind derzeit zwei geothermische Anlagen für die Stromproduktion (um die 0,5 MW) am Netz und zehn Anlagen zur Wärmeproduktion. Insgesamt erzeugen diese bestehenden tiefengeothermischen Anlagen jährlich etwa 300 Mio. kWh Wärme bei einer Gesamtleistung von 100 MW. Zudem existieren in Österreich mehr als 40 Thermalbäder. Das Potenzial bezifferte Götzl zwischen 700 und 1.000 MW thermisch, die erschlossen werden und somit zur Dekarbonisierung des Fernwärmebereichs in Österreich beitragen könnten.
Österreich bei oberflächennahen Geothermie im Spitzenfeld
Bei der oberflächennahen Geothermie gibt es geschätzt etwa 90.000 Installation. Hier sei Österreich im europäischen „Spitzenfeld“, so Götzl. Die oberflächennahe Geothermie besitze innerhalb der verschiedenen geothermischen Technologien das größte Anwendungspotenzial in Österreich.
Aber auch hier sieht der Fachmann noch Luft nach oben. Die installierte Erdwärme kommt auf 1.100 MW. „Der Anteil am erneuerbaren Wärmemarkt beträgt vier Prozent“, erläuterte Götzl. Das Potenzial liege bei 20 %. Positiv sei hier, dass die Nachfrage nach Wärmepumpensystemen stark steige. Der Verein Geothermie Österreich schätzt ein Ausbaupotenzial bis 2040 auf um das etwa 700-Fache des gegenwärtigen Anwendungsumfangs, wenn die richtigen Anreize für Hausbesitzer, aber auch Großinvestoren (Errichter und Betreiber von Energienetzen) gesetzt werden. Bis 2040 könnten so 14 Mio. MWh Wärme für die Beheizung von Gebäuden mittels oberflächennaher Geothermie zur Verfügung gestellt werden.
Insgesamt beziffert der Verein das Potenzial aus beiden geothermischen Technologien bis 2040 auf rund 25 Mrd. kWh für Wärme und Kälte. „Die Regierung würdigt die Geothermie“, so Götzl abschließend. Die Nutzung der hydrothermalen Geothermie findet in Österreich allerdings bislang meist abseits der großen Ballungszentren statt. Einen wesentlichen Grund hierfür stellt laut dem Experten ein komplexer und teilweise nicht mehr zeitgemäßer gesetzlicher Rahmen für die Aufsuchung und Erschließung hydrothermaler Ressourcen dar.
Um den erfolgreichen Ausbau der Geothermie für die Wärme- und Stromgewinnung zu forcieren, sei eine Modernisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Aufsuchung und Gewinnung geothermischer Energie dringend notwendig.
Freitag, 25.06.2021, 12:08 Uhr
Heidi Roider
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