Quelle: E&M
Mit dem Umbau der Energiesysteme sind die Anforderungen an moderne Blockheizkraftwerke enorm gestiegen. Optimale Effizienz ist dabei nur mit intelligenten Steuerungssystemen möglich.
Für 2G Energy begann alles mit der Zündkerze. „Wir dachten, das wäre einfach“, sagt Daniel Laukamp, Leiter E-Technik und Digitalisierung bei dem nordrhein-westfälischen BHKW-Hersteller. Lange war es üblich, Zündkerzen nach einer gewissen Stundenzahl innerhalb der Wartungsroutinen auszutauschen. Weil die Lebensdauer einer Zündkerze aber, abhängig von den Umgebungsbedingungen, auch deutlich über den Durchschnittswerten liegen kann, ist es grundsätzlich ökonomisch und ökologisch sinnvoll, sie erst bei Bedarf zu tauschen. Um keine Betriebsunterbrechung zu riskieren, muss man dafür allerdings erkennen, wann sich das Bauteil dem Lebensende nähert. „Also haben wir uns defekte Zündkerzen angeschaut und Anomalien gefunden. Dann mussten wir aber feststellen, dass andere Zündkerzen dieselben Anomalien aufweisen und nicht ausfallen. Das hat uns tatsächlich sehr lange beschäftigt“, erläutert Daniel Laukamp von 2G Energy.
Diese Anfänge der vorausschauenden Wartung (Predictive Maintenance) und damit der intelligenten Anlagensteuerung von KWK-Systemen liegen mittlerweile einige Jahre zurück. Lag bei der Entwicklung des 2G-Energy-Steuerungssystems „I.R.I.S“ (Intelligent Report Information System) der Fokus noch auf grundsätzlichen Fragen − welche Daten sollen erhoben werden, wie gelingt die Verbindung zur Anlage, wie können Daten gespeichert und ausgewertet werden? − senden die weltweit installierten 2G-Energy-Anlagen inzwischen jede Woche rund 4 Milliarden Sensorwerte, die komplett automatisiert ausgewertet werden. „Mittlerweile sind viel mehr Analysen dazugekommen“, sagt Laukamp, „wir können erkennen, ob sich bei einem Generator vielleicht Kabelschuhe gelockert haben, ob Übergangswiderstände zu groß sind und wie lang die Restlebenszeit unseres Abgaswärmetauschers ist. Und natürlich jede Menge kleinere Dinge, Zählersprünge zum Beispiel.“
Steuerungssysteme als Wettbewerbsfaktor
Angebot und Weiterentwicklung intelligenter Steuerungssysteme sind für BHKW-Hersteller heute zum wesentlichen Wettbewerbsfaktor geworden, darin ist sich auch Sokratherm-Geschäftsführer Johannes Meinhold sicher. Der BHKW-Produzent aus Hiddenhausen in Nordrhein-Westfalen hat bereits vor Jahren erste Systeme zur Fernüberwachung und -steuerung seiner Anlagen selbst entwickelt. Ziel war zunächst, weniger Servicetechniker zu den Anlagen schicken zu müssen und deren Zustand auch aus der Ferne beurteilen zu können. Vor rund sechs Jahren begann das Unternehmen dann, auch alle manuell erhobenen und protokollierten Daten − Abgasmesswerte und Gegendruck beispielsweise, aber auch das Ventilspiel an den Motorenköpfen − zu digitalisieren und so alle Daten verfügbar zu machen, die den Verschleiß oder Trends einzelner Teile sichtbar werden lassen können. Für die vorausschauende Wartung, aber auch insbesondere in Zeiten gestörter Lieferketten sei die langfristigere Planbarkeit von Material- und Ersatzteilbedarf von Vorteil, so Meinhold.
Dabei ist die Anlagenwartung längst nicht mehr der einzige Bereich, in dem intelligente Steuerungssysteme deutlichen Mehrwert liefern können. „Wir haben schon vor mehreren Jahren begonnen, nicht nur einzelne Anlagen zu betrachten, sondern auf die Gesamtheit unserer mehr als 2.000 Anlagen zu schauen“, sagt Meinhold. Durch die Auswertung von Statistiken, Kennwerten und Erfahrungen der Systeme, die Sokratherm im Bereich von 50 kW bis 1 MW elektrischer Leistung im Einsatz hat, ließen sich die Potenziale aller Anlagen besser nutzen.
Wichtig ist das insbesondere vor dem Hintergrund, dass auch die Anforderungen an KWK-Systeme immer weiter steigen. Mit Photovoltaikanlagen, Wärmepumpen, Speicherlösungen und Ähnlichem müssen zunehmend mehr Komponenten integriert werden. Gleichzeitig sollen die Anlagen möglichst netzdienlich steuerbar sein. „Das ist ja das, wo wir große Potenziale in der Zukunft sehen: dass die Anlage nicht mehr 6.000 oder 8.000 Stunden im Jahr am Stück läuft, sondern dann, wenn sie gebraucht wird“, sagt Meinhold, „und zwar möglichst nicht durch das Wegschalten von außen gesteuert, wenn das Netz beispielsweise überlastet ist, sondern indem sie auf Netz- oder Marktsignale reagiert und weiß, wann sie gebraucht wird.“
Auch hier sind der Kernpunkt wieder Daten: Kundendaten, Bedarfsprognosen, Wetterdaten, Erfahrungswerte, Preissignale. Wann liefert die PV-Anlage den meisten Strom? Wann ist es aus Preisgründen besser, die Wärmepumpe auszuschalten? Wann ist das Optimum für den BHKW-Betrieb? „Das ist die Herausforderung der Zukunft: Bezogen auf den Strommarkt, aber natürlich auch bezogen auf die Objektversorgung des Betreibers mit möglichst wenig Aufwand möglichst bedarfsgerecht und intelligent zu steuern“, so Meinhold.
10 Prozent Effizienzsteigerung durch KI
Für die Entwickler ist das zunächst eine technische Aufgabe. „Die Schnittstellen nach außen oder zur Kopfsteuerung werden immer komplexer“, sagt Daniel Laukamp von 2G Energy. Gleichzeitig erwarte der Kunde, dass Software und Visualisierung möglichst intuitiv bedienbar und im Idealfall für alle Geräteklassen − 2G stellt Anlagen im Leistungsspektrum von 20 kW bis 4,5 MW her − identisch sind.
Aber auch mit optimal aufeinander abgestimmten Komponenten und intuitiven Bediensystemen lässt sich die bestmögliche Effizienz nur mit akkurater Datenverarbeitung erreichen. Bei 2G haben sie dafür eine eigene KI entwickelt, mit eigenen Daten trainiert und bereits im Einsatz, um die Anlagen je nach Wetter, Bedarf und Marktpreisen zu steuern. Etwa 10 Prozent effizienter liefen die Anlagen dadurch, sagt Laukamp: „So genau kann kein Mensch analog regeln.“ Bis Ende des Jahres will 2G eine neue Plattform implementieren, mit der es möglich werden soll, dass Anlagen automatisiert Servicetechniker zugeteilt bekommen, sobald Service, Wartung oder Reparaturen anstehen − bislang wird das noch manuell entschieden.
Auch bei Sokratherm ist eine eigenentwickelte KI erfolgreich im Einsatz. Dennoch sieht Geschäftsführer Meinhold pauschale KI-Euphorie eher kritisch: „Wir sehen jetzt schon, dass nicht alles, wo KI drauf steht, auch tatsächlich intelligent ist. Vieles, was da kommt, ist eigentlich ein Datensammler. Da werden unendlich Daten reingeschmissen, am Ende kommt irgendwas raus, aber keiner kann so richtig nachvollziehen, ob das jetzt was Besseres ist oder nicht.“ Letztlich wichtig sei, so Meinhold, dass man das, was man steuert, auch versteht.
Das gilt umso mehr beim Blick in die Zukunft, in der die datenbasierte Steuerung der Energiesysteme immer zentraler wird. Sokratherm-Geschäftsführer Meinhold sieht BHKW in diesem Zusammenhang gut aufgestellt: „Wir können mit über 90 Prozent Wirkungsgrad bedarfsgerecht Strom und Wärme erzeugen, mit Anlagen, die vernetzt sind, Prognosen und Bedarfe kennen und intelligent sind.“ Und dabei liege noch großes Potenzial in technischen Weiterentwicklungen von künstlicher Intelligenz oder Augmented-Reality-Anwendungen. Oder auch − sehr weit gedacht − beispielsweise im Einsatz von Paketdrohnen. Liefer-, Wartungs- und Serviceprozesse könnten so noch weiter optimiert werden. „Ich glaube, es ist wichtig, dass man in allen Bereichen einfach neugierig bleibt, dass man Neugierde im Unternehmen fördert und fordert und damit immer neue Möglichkeiten testet rund um Digitalisierung, IT, KI und das eigene Geschäftsmodell.“
Montag, 6.11.2023, 11:30 Uhr
Katia Meyer-Tien
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