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Ein Mineralölproduzent wird Großlieferant für die Fernwärme der Stadtwerke Leipzig. Das Nutzen der Abwärme aus fossiler Erzeugung finden viele effizient, andere gewöhnungsbedürftig.
Mineralöle herzustellen und zu verbrennen ist unter Klimagesichtspunkten suboptimal. Die bei den Produktionsprozessen entstehende Abwärme allerdings ist ein willkommenes Abfallprodukt – und sie bildet einen Grundpfeiler bei den Zielen Leipzigs, das Heizen in der sächsischen Großstadt von alten CO2-Lasten zu befreien.
Aus der Raffinerie im sachsen-anhaltinischen Leuna wollen die Leipziger Stadtwerke ab 2026 einen Großteil ihres Wärmebedarfs beziehen. Rund 38 Prozent der derzeit für das Heizen benötigten Energie könne aus der von Total Energies betriebenen Anlage kommen, heißt es im Nachhaltigkeitsatlas der Stadtwerke. Das reiche rechnerisch für 100.000 Leipziger Haushalte. Zu der Kooperationsvereinbarung mit den Franzosen zählt, die Trasse etwa 80 Jahre lang zu betreiben.
Das Projekt befindet sich aktuell in der Planfeststellung, also auf dem Wege zur möglichen Genehmigung. Insgesamt werden für das Vorhaben auf Seiten der Leipziger etwa 160 Millionen Euro für die Trasse und bei Total Energies etwa 60 Millionen Euro für die Wärmeauskopplung fällig, so ein Sprecher der Stadtwerke auf Anfrage unserer Redaktion. Die erhoffte öffentliche Förderung soll den Eigenanteil allerdings drücken.
Stadtwerke rühmen Preisstabilität und sichere Versorgung
Grundsätzlich nehmen die Leipziger Stadtwerke bis 2026 bis zu 118 Millionen Euro in die Hand, um ihr Leitungsnetz für die Fernwärme aus- und umzubauen. Bisher machte verfeuerte Braunkohle das Wasser und die Wohnungen in Leipzig warm, seit 2022 ist der Umstieg im Gange (wir berichteten).
Zu bauen ist eine rund 15 Kilometer lange Leitung zwischen dem Raffineriestandort und dem Heizwerk Kulkwitz am Westrand von Leipzig. Die Vorteile des Abwärmelieferanten bestehen für die Stadtwerke zum einen in der erwarteten Menge: Die Raffinerie verfüge aktuell über eine Kapazität von bis zu 83 MW. Die hohe Temperatur, verfügbar über das gesamte Jahr, und die über Jahrzehnte mögliche Lieferdauer seien weitere Pluspunkte. Außerdem verpuffe die entstehende Prozesswärme derzeit weitgehend in die Umgebungsluft.
Ein weiteres schlagendes Argument ist für den Versorger auch die Möglichkeit, Wärme für den Großteil der Leipziger bezahlbar zur Verfügung zu stellen. Denn mit Total Energies seien bis 2047 stabile Preise vereinbart, es solle also keine Preisgleitklausel geben. Außerdem bleibe Leipzig damit von steigenden Kosten bei Rohstoffen oder der CO2-Bepreisung verschont.
Kooperation über Jahrzehnte mit Total Energies ruft auch Kritik hervor
Nicht alle sind indes glücklich mit der Kombination von bilanziell klimaneutraler Abwärme für Leipzig aus klimaschädlicher Mineralöl- und Methanolproduktion in Leuna. Teile der Grünen im Leipziger Stadtrat etwa warnen davor, „aufs falsche Pferd“ zu setzen und sich mit der Fernwärme aus Leuna zu einem Großteil von fossilen Energien abhängig zu machen.
„Keinen Tag länger als nötig“ solle der Vertrag mit der Raffinerie gelten. Dies um zu verhindern, dass das Erschließen erneuerbarer Energie- und Wärmequellen vernachlässigt werde. Der Anteil der Raffinerie-Abwärme sei vor allem vor dem Hintergrund kritisch zu prüfen, dass die Kommune bis Ende 2024 ihre kommunale Wärmeplanung vorzulegen gedenkt.
Angesprochen auf diese Kritik, verwies ein Sprecher der Leipziger Stadtwerke gegenüber unserer Redaktion auf einen jüngsten Besuch von Michael Kellner (Grüne). Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz hatte dabei seine ausdrückliche Unterstützung für das Projekt signalisiert, ebenso die Bundestagsfraktion der Grünen. Die Leipziger hoffen auf eine Genehmigung noch 2024, um im Jahr darauf mit dem Bau beginnen zu können.
Die Leipziger Stadtwerke sind übrigens durchaus geneigt, Anrainer-Kommunen ein Stück vom Abwärme-Kuchen abzugeben. Über eine Anschlussmöglichkeit entlang der Trasse, die über Spergau und Quesitz zum Heizwerk führen soll, befinde der Versorger sich in „einigen vertraulichen Gesprächen“, so der Sprecher. Aussichtsreich seien Versorgungslösungen für Teile von Spergau, Markranstädt und Nempitz.
Dienstag, 21.05.2024, 16:59 Uhr
Volker Stephan
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