Quelle: E&M / Jonas Rosenberger
Aktuell benötigen Schäden am Stromnetz oft mehrere Stunden zur Reparatur. Die Netze BW erprobt im Allgäu ein Pilotprojekt, in dem digitalisierte Netze sich in Sekunden selbst heilen.
Wenn beispielsweise bei Bauarbeiten eine Stromleitung beschädigt wird, dauert es eine Weile, bis Mitarbeiter des Netzbetreibers den Schaden beheben können. Beim Mittelspannungsnetzbetreiber Netze BW liegt die Durchschnittszeit bei 54 Minuten, sagte Martin Konermann, Geschäftsführer Technik. Angesichts von immer mehr Erzeugern und Verbrauchern im Netz werde die stabile Stromversorgung aber immer wichtiger, auch für Produktionsanlagen.
Aus diesem Grund will Netze BW ein automatisiertes Störungsmanagement entwickeln, das den Schaden beispielsweise durch Umleitung der Stromflüsse in Sekunden behebt. Mit dem „Netzlabor Allgäu“ wird ab Juni um das Umspannwerk Leutkirch erprobt, ob es möglich ist, die Ausfallzeiten bei Stromunterbrechungen zu minimieren.
Ziel wäre es, dass die Netzkunden eine Störung im Netz gar nicht wahrnehmen. Ein „selbstheilendes Netz“ soll in der Lage sein, selbstständig auf Stromunterbrechungen zu reagieren, indem die Schritte zur Störungsbehebung automatisiert ablaufen. Die Techniker bekommen zudem genauere Informationen über die Schadstelle und mehr Zeit zu ihrer Reparatur.
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Steigende Anschlussanfragen an die Netze BW Zum Vergrößern bitte auf die Grafik klicken Quelle Netze BW |
Automatisierung für mehr NetzstabilitätDas System bestimmt den Fehlerort so genau wie möglich, und zwar anhand verschiedener Informationen von Sensoren im Netz. Dann wird eine mögliche Umschaltoption gesucht, um die Fehlerstelle zu umgehen. Die Mittelspannungsnetze der Netze BW werden als offene Ringe betrieben. Dies ermöglicht im Fehlerfall eine Umschaltung der Versorgung über das andere Ende des Rings. Automatisiert werden an intelligente Ortsnetzstationen die Umschaltbefehle geschickt, sodass die Unterbrechung binnen Sekunden behoben wird.
Das Feldtestgebiet erstreckt sich über die große Kreisstadt Leutkirch im Allgäu, inklusive der östlich angrenzenden bayrischen Ortsteile Fraunzell, Muthmanshofen, Schreiloch und Kimmratshofen. Hier existieren bereits intelligente Ortsnetzstationen der Netze BW. Diese seien notwendig, um die steigende Komplexität im Netzbetrieb zu bewältigen, erläutert der Betreiber. Mit immer mehr dezentralen Einspeisern wie Erneuerbaren-Energieanlagen und größeren Verbrauchern auch in privaten Haushalten wie Wärmepumpen und Elektroautos muss das Netz flexibler werden.
Dafür seien hohe Investitionen ins Netz nötig, sowohl für mehr Kapazität wie auch für Automatisierung und Digitalisierung. Projektleiterin Linda Sprengholz erhofft sich ein „optimales Zusammenspiel zwischen dem Betriebspersonal und automatisierten Schaltvorgängen zur Störungsbehebung“. Ihr Kollege Christian Lakenbrink will mit der Netzautomatisierung die Beschäftigten in den Netzleitstellen entlasten. „Ich bin gespannt, denn die Theorie ist das eine, die Praxis lehrt oft das andere“, sagte Lakenbrink. Das Projekt ist zunächst auf zwei Jahre angesetzt.
Die
Projektwebseite „Selbstheilende Netze“ steht im Internet bereit.
Dienstag, 21.05.2024, 16:28 Uhr
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