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Im hohen Norden geht der Ausbau des schnellen Internets auf einmal ganz langsam. Dem zuständigen Tochterunternehmen der Stadtwerke Husum fehlt plötzlich das erforderliche Geld.
Glasfaser könnte das neue Gold im Boden werden. Mit den schnellen Datenleitungen sollen die Haushalte komfortabel im Internet surfen, telefonieren oder fernsehen können. Auch die Stadt Husum versprach sich mit diesem Service ein gutes Geschäft und beauftragte die Stadtwerke mit dem flächendeckenden Ausbau des Glasfasernetzes. Der ist nun überraschend gestoppt.
Gerade erst hatte die Husum Glasfaser GmbH, ein eigens für den Bau des Datennetzes gegründetes Tochterunternehmen der Stadtwerke Husum, die Tiefbauarbeiten für das erste Stadtquartier (Rödemis) abgeschlossen und auch 250 von 500 Anschlüssen bereits gelegt, teilt eine Sprecherin der Stadtwerke auf Anfrage unserer Redaktion mit. Ab Herbst sollten die Datenströme fließen können. Und nun ziehen die Nordfriesen die Reißleine: „Die Finanzierung unter den Parametern der ursprünglichen Planung funktioniert nicht mehr“, heißt es in einer Mitteilung auf der Website der Stadtwerke.
Wettlauf mit der Telekom um die Innenstadt verloren
Diese „Parameter“ hatten offenbar ausgeschlossen, dass andere Firmen ebenfalls ein Interesse am Ausbau des Glasfasernetzes haben könnten. Namentlich die Telekom war zwischenzeitlich vom Wettbewerbs-Radar der Stadtwerke verschwunden. Der Versorger wollte die Investitionskosten für die ganze Stadt über ausreichend Vertragsabschlüsse mit Haushalten aus der Innenstadt quersubventionieren. Doch nun habe die Telekom „parallel zu unseren Aktivitäten die wirtschaftlich attraktive Innenstadt sehr schnell erschlossen und vermarktet“.
Den Wettlauf um den Löwenanteil an den lukrativsten Kabelanschlüssen hat Husum Glasfaser demnach verloren. Und damit ist die wirtschaftliche Basis für das gesamte Ausbauprojekt dahin. Denn „nur durch die Erschließung der City lässt sich der Ausbau auch in den unrentablen, weniger dicht besiedelten Außenbezirken finanziell realisieren“, so die Stadtwerke.
Dadurch gerät der gesamte Fahrplan in Gefahr. Für ein zweites Anschlussgebiet hatten inzwischen die Bauarbeiten begonnen, darüber hinaus war Husum Glasfaser damit befasst, für zwei weitere Areale die Vertragsabschlüsse zu prüfen oder die Werbeaktion auszuwerten. Jetzt sprechen die Stadtwerke sprechen lediglich noch davon, „zuversichtlich“ zu sein, das Glasfasernetz in Betrieb nehmen zu können. Dies werde sich „etwas verzögern“. Die Stadtwerke wollen die geschlossenen Verträge offenbar nicht kündigen, sie blieben bestehen, heißt es. Das gelte auch für die Interessenbekundungen in den weiteren Gebieten.
Die örtliche Politik zeigt sich nach einem Bericht der Husumer Nachrichten von der Entwicklung überrascht und von der Informationspolitik der Stadtwerke enttäuscht. Dass der Glasfaser-Netzausbau nicht zu finanzieren sei, das hätte das Stadtverordnetenkollegium gerne frühzeitig und direkt erfahren. Schließlich ist es die Kommune, die über den Haushalt wesentliche Mittel für die schnellen Leitungen bereitstellt. Insgesamt 6,9 Millionen Euro hat die Stadt im vergangenen und laufenden Jahr als Kapitaleinlage bei Husum Glasfaser zur Verfügung gestellt. Über eine weitere Finanzspritze, deren Höhe noch nicht bekannt ist, müsste das Stadtparlament befinden. Die Stadtwerke weisen den Vorwurf, zu spät informiert zu haben, allerdings zurück.
Bei der Begründung für das Problem wird es moralisch
Dass die Stadtwerke womöglich sehenden Auges in die schwierige Finanzierungssituation geschlittert sind, weil sie auf Konkurrenz nicht eingestellt waren, davon ist aktuell wenig zu hören. Die Sprecherin erklärt auf Anfrage, die Kundenwerbung der Telekom sei bekannt gewesen. Die Stadtwerke hätten jedoch nicht damit gerechnet, dass die Bonner "derartig lange im Voraus, derartig hartnäckig und ausschließlich in der Innenstadt akquirieren" würden.
Der Versorger argumentiert nun moralisch. Während die Stadtwerke den Glasfaserausbau „solidarisch“ für das ganze Stadtgebiet planen und umsetzen wollten, gehe es der Telekom nur um den wirtschaftlichen Profit. Es ist also der Vorwurf der Rosinenpickerei. Die Telekom setze allein auf die Innenstadt, die weiteren Gebiete Husums, die schwieriger und teurer zu erschließen sind, „sind ihr egal“, so die Stadtwerke.
Die Schuld sehen die Stadtwerke ausschließlich beim Konkurrenten. Der solidarische Ausbau für ganz Husum sei „durch das Vorgehen der Telekom und deren gewonnene Anschlussnehmer nicht mehr gewährleistet“. Eine offene Frage bleibt, warum Husum Glasfaser eine Kundenakquise nicht auch selbst frühzeitig in der lukrativen Innenstadt durchgeführt hat.
Ob eine gezielte Partnerschaft mit der Telekom für das ganze Vorhaben erfolgversprechender gewesen wäre, ist eine anderes Thema. Im Internet-Auftritt weisen die Stadtwerke jedenfalls auf Probleme im Dialog hin. Vor "vielen Jahren" mit der Telekom geführte Gespräche hätten keinen gemeinsamen Nenner erbracht, auch die Randgebiete Husums mit schnellem Internet zu versorgen.
Dass Stadtwerken bei Glasfaser der lange Atem fehlt, ist keine Seltenheit. Im vergangenen Jahr stellte der Versorger aus Bühl im Schwarzwald Arbeiten am Breitbandausbau in den Gemeinden Balzhofen und Moos ein. Grund: Das Geld war knapp.
Donnerstag, 10.08.2023, 16:55 Uhr
Volker Stephan
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