Quelle: Deutscher Bundestag, Achim Melde / E&M
Bundestag und Bundesrat haben unter dem Schlagwort "Osterpaket" eine Fülle an Gesetzen im Energiebereich verabschiedet. Wir geben in der E&M-Serie einen Überblick.
Insgesamt fünf Gesetzesnovellen umfasst das sogenannte Osterpaket, das Anfang Juli beschlossen wurde und den Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigen soll. Wegen der Folgen des Ukrainekrieges wurden vor der Sommerpause zudem noch das Energiesicherungsgesetz und das Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz verabschiedet. Damit sollen die Folgen des Ukrainekrieges für die Energiewirtschaft gesetzlich in den Griff bekommen werden. Wir geben in der E&M-Serie einen Überblick über die wichtigsten Änderungen und Auswirkungen der Gesetze.
Teil 1: Die erneuerbaren Energien
Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist in den letzten Jahren nicht so schnell vorangekommen wie geplant. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Die wichtigsten Bremsen sollen mit der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG 2023) jetzt gelockert werden.
Das EEG 2023 setzt sich ehrgeizige Ziele: Bis 2030 sollen 80 % des in Deutschland verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Energien stammen, das ist doppelt so viel, wie sich die EU vornehmen will. Weil der Stromverbrauch in Deutschland selbst bis dahin weiter steigen soll auf 750 TWh pro Jahr, müsste die Produktion aus erneuerbaren Quellen von heute 240 TWh pro Jahr auf 600 TWh pro Jahr gesteigert werden. Nicht alle Experten halten das für realistisch.
In Berlin weiß man, dass dieses Ziel nur erreicht werden kann, wenn die dafür notwendigen Investitionen planmäßig ausgeweitet und die Infrastruktur einschließlich der dafür notwendigen Arbeitskräfte systematisch aufgebaut werden. Deswegen werden auch die Ausbaupfade bis 2030 angehoben: Die Leistung der Windenergie an Land soll pro Jahr um 10 GW steigen auf 115 GW in 2030. Allerdings: Im Jahr 2021 waren es weniger als 2 GW. Bei der Solarenergie soll die Ausbaurate (von 5,3 GW im vergangenen Jahr) auf 22 GW pro Jahr gesteigert werden. 2030 wären dann Solaranlagen mit einer Kapazität von 215 GW am Netz.
Damit mehr Windräder und Sonnenkollektoren ans Netz kommen, hat der Bundestag beschlossen, dass die Nutzung der erneuerbaren Energien „im überragenden öffentlichen Interesse“ liegt und der öffentlichen Sicherheit dient. Bei der Abwägung mit anderen schutzbedürftigen Rechtsgütern hat die Nutzung der erneuerbaren Energien Vorrang, bis Deutschland die Klimaneutralität erreicht hat, also netto keine Klimagase mehr ausstößt. Damit können Einwände gegen den Bau von Windrädern oder die dazugehörigen Stromtrassen leichter abgewehrt und die Genehmigung beschleunigt werden.
Die Förderbedingungen insbesondere für die Solaranlagen werden wesentlich attraktiver gestaltet. Anlagen, die nach dem 30. Juli 2022 ans Netz gehen und ihren Strom vollständig einspeisen, erhalten eine höhere Vergütung. Die Kulisse für Freiflächen, auf denen PV-Anlagen betrieben werden können, wird deutlich erweitert. In Zukunft wird auch Sonnenstrom gefördert, der zum Beispiel auf Agrarflächen erzeugt wird. Neue und vereinfachte Standards für den Anschluss von kleinen PV-Anlagen (bis 30 kW) sollen dafür sorgen, dass das Massengeschäft mit PV-Dachanlagen in Schwung kommt.
Auch der Betrieb von Windrädern soll attraktiver werden. Bei der Förderung gibt es in den nächsten zwei Jahren keine Degression und an windschwachen Standorten eine höhere Vergütung. Die Bundesländer müssen 2 % (Stadtstaaten 0,5 %) ihrer Fläche für den Ausbau der Windenergie zur Verfügung stellen. Landschaftsschutzgebiete sind dabei kein Tabu. Für die artenschutzrechtliche Prüfung werden bundeseinheitliche Standards festgelegt, um Windräder einfacher und schneller zu genehmigen.
Der Einsatz von Biomasse soll in Zukunft auf die Sektoren konzentriert werden, wo sie den höchsten Beitrag zur Energiewende leistet: im Verkehr, in der Industrie, in KWK-Anlagen und in hochflexiblen Kraftwerken zur Deckung der Spitzenlast. Die Ausschreibungsmengen werden deswegen ab 2024 gesenkt und die Förderung von Biomethan wird vom nächsten Jahr an erhöht.
Die Finanzierung der Förderung erneuerbarer Energien erfolgt künftig aus dem Bundeshaushalt. Die EEG-Umlage wird abgeschafft. Damit werden die Stromkunden entlastet und der Einsatz von Strom gegenüber anderen Energien, insbesondere Gas, begünstigt.
Ein besonderes Gesetz hat der Bundestag für den Ausbau der Windenergie auf dem Meer beschlossen. Die Novelle des Windenergie-auf-See-Gesetzes (WindSeeG) sieht vor, dass vor den deutschen Küsten bis 2030 Windräder mit einer Leistung von 15 bis 20 GW am Netz sein sollen − doppelt so viel wie heute. Sie liefern deutlich mehr Strom als Windräder an Land. Der Aufbau der Windräder 40 Kilometer vor der Küste stellt jedoch technisch und wirtschaftlich eine größere Herausforderung dar als in anderen Ländern. In Berlin geht man davon aus, dass die Offshore-Technik schon bald auch global gefragt sein wird.
Die Bundesregierung sieht darin ein großes Potenzial für die deutsche Industrie, von dem vor allem küstennahe Standort profitieren könnten. Sie will die Offshore-Windenergie deswegen nicht nur durch Subventionen fördern. Sie will darüber hinaus durch die Finanzierung besonderer Risiken und die Koordinierung der zahlreichen in- und ausländischen Behörden, die an der Genehmigung grenzüberschreitender Off-Shore-Windparks beteiligt sind, der Windenergie unter die Arme greifen.
Die Branchen, die an der Energiewende verdienen, halten das Osterpaket dennoch für unzureichend. „Das Osterpaket enthält viel Gutes, aber einige Maßnahmen springen noch zu kurz“, sagt die Präsidentin des BEE (Bundesverband Erneuerbare Energien), Simone Peter. Beim BEE vermisst man eine nachhaltige Finanzierung der Förderinstrumente und eine durchgreifende Entbürokratisierung. Peter erwartet deswegen keinen Boom beim Ausbau der Wind- und Solarenergie und Biogas habe „gar keine Perspektive“.
Der Bundesverband neue Energiewirtschaft (BNE) räumt ein, dass vieles einfacher wird, zum Beispiel der Anschluss kleiner, dezentraler PV-Anlagen. Das Ausschreibungsvolumen reiche jedoch nicht, um den Ausbau wirklich zu beschleunigen, sagt BNE-Geschäftsführer Robert Busch: „Und beim Abbau von Bürokratie besteht nach wie vor Luft nach oben.“
Montag, 1.08.2022, 12:37 Uhr
Tom Weingärtner
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