Quelle: Deutscher Bundestag, Achim Melde / E&M
Bundestag und Bundesrat haben unter dem Schlagwort "Osterpaket" eine Fülle an Gesetzen im Energiebereich verabschiedet. Wir geben in der E&M-Serie einen Überblick.
Insgesamt fünf Gesetzesnovellen umfasst das sogenannte Osterpaket, das Anfang Juli beschlossen wurde und den Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigen soll. Wegen der Folgen des Ukrainekrieges wurden vor der Sommerpause zudem noch das Energiesicherungsgesetz und das Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz verabschiedet. Damit sollen die Folgen des Ukrainekrieges für die Energiewirtschaft gesetzlich in den Griff bekommen werden. Wir geben in der E&M-Serie einen Ãœberblick über die wichtigsten Änderungen und Auswirkungen der Gesetze.Teil 4: Mehr Klima- und VerbraucherschutzDer von der Ampelkoalition angestrebte Kurswechsel in der Energiepolitik wird jetzt auch im „Grundgesetz“ der Energiewirtschaft, dem Energiewirtschaftsgesetz (
EnWG), verankert.
In Paragraf
1 des EnWG wird als neues und zusätzliches Ziel des Gesetzes in Zukunft auch die Klimaneutralität genannt. Es soll eine „sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente, umweltverträgliche und treibhausgasneutrale leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektriztität und Gas“ ermöglichen. Die Verwaltung und die Gerichte müssen diesem Ziel bei der Umsetzung des Gesetzes zusätzlich Rechnung tragen. Das sei unverzichtbar, heißt es in der Begründung, um Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen. Dazu habe sich die Regierung im Rahmen des Pariser Klimaabkommens verpflichtet.
Damit muss auch der Netzausbau auf die Klimaneutralität ausgelegt werden. Zum einen, weil die Stromerzeugung aus Sonne und Wind eine andere Netzstruktur verlangt als die bisherige Erzeugung in großen fossilen oder Atom-Kraftwerken. Neue Leitungen seien aber auch im Hinblick auf die Sektorkoppelung notwendig: den Aufbau einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur für Elektroautos oder die „Elektrifizierung des Wärmesektors“, sagt die Regierung.
Schnellerer und unbürokratischerer LeitungsausbauDie Errichtung und der Betrieb von Hochspannungsleitungen liegt jetzt grundsätzlich „im überragenden, öffentlichen Interesse“. Die Ampelregierung weist im Bundesbedarfsplan 19 neue Leitungsprojekte aus, die vorrangig umgesetzt werden sollen. Von den 101 bestehenden Projekten werden 17 Neubauvorhaben erweitert. Für alle Projekte wird der „vordringliche Bedarf“ festgestellt, um die Umsetzung zu beschleunigen. Auch die Planung auf der Verteilnetzebene muss in Zukunft „konsequent in Richtung eines vorausschauenden und integrierten Netzausbaus weiterentwickelt“ werden, „ausgerichtet auf das Ziel der Treibhausgasneutralität“.
Eine Änderung im Netzausbaubeschleunigungsgesetz soll für eine zügige Durchführung der Planungs- und Genehmigungsverfahren neuer Leitungen sorgen. Zudem werden länder- und grenzüberschreitende Vorhaben identifiziert, bei denen die Bundesnetzagentur (BNetzA) ein einheitliches Planfeststellungsverfahren durchführt und für die Bundesfachplanung zuständig ist. Die Planung und Genehmigung dieser Projekte wird in einer Hand gebündelt. Davon verspricht man sich in Berlin weniger Bürokratie und schnellere Entscheidungen.
Außerdem soll es möglich sein, die Planungs- und Genehmigungsverfahren mehrerer Projekte zu bündeln und bestimmte Unterlagen nur noch elektronisch einzureichen. Die Vorarbeiten zur Verlegung neuer Leitungen sollen schon durchgeführt werden können, bevor alle notwendigen Genehmigungen erteilt sind. Auch der Netzanschluss und die höhere Auslastung bestehender Leitungen werden erleichtert.
Besserer Schutz von Stromkundinnen und -kundenIn der Koalition hat man erkannt, dass auf die Verbraucher härtere Zeiten zukommen. Kurzfristig ist es vor allem Putins ökonomischer Feldzug gegen den Westen, der Energie teurer macht. Mittelfristig sorgt auch die Energiewende dafür, dass Energie knapp und teuer bleibt. SPD, FDP und Grüne haben sich angesichts dieser Aussichten entschlossen, „Stromkundinnen und Stromkunden besser vor Turbulenzen auf dem Energiemarkt zu schützen“. In den vergangenen Monaten seien viele Kunden nicht nur von stark steigenden Preisen betroffen gewesen, heißt es in Berlin. Einzelne Versorger hätten ihre Lieferungen kurzfristig eingestellt, weil sie die gestiegenen Beschaffungskosten nicht mehr bezahlen konnten. Die Kunden mussten dann plötzlich höhere Preise in der Ersatzversorgung bezahlen.
Energieversorger müssen deswegen der Bundesnetzagentur und den betroffenen Kunden in Zukunft drei Monate im Voraus anzeigen, wenn sie die Belieferung mit Strom oder Gas einstellen. Die Behörde kann bei Verstößen gegen Rechte der Verbraucher in Zukunft auch Bußgelder verhängen.
Neuregelungen bei Grund- und ErsatzversorgungDie Grundversorgung und die Ersatzversorgung werden neu voneinander abgegrenzt und preislich entkoppelt. In der Ersatzversorgung muss das zuständige Versorgungsunternehmen einen Kunden beliefern, wenn dessen vertraglicher Lieferant ausfällt, in der Regel für drei Monate. In dieser Zeit kann sich der Kunde einen neuen Lieferanten suchen oder die Grundversorgung seines örtlichen Versorgers akzeptieren.
Dadurch könnten „die Ersatzversorgungspreise stärker die jeweils aktuellen Beschaffungskosten berücksichtigen“, heißt es in der Begründung des Wirtschafts- und Klimaministeriums (BMWK). Den Versorgungsunternehmen werden in diesem Zusammenhang weitergehende Transparenzvorgaben gemacht. Damit will die Koalition sicherstellen, dass die Endverbraucher auch von wieder sinkenden Preisen profitieren.
Andererseits wird klargestellt, dass die Versorgungsunternehmen für die Ersatzversorgung höhere Preise nehmen dürfen als in der Grundversorgung und damit die Möglichkeit erhalten, die Kosten für die Beschaffung zusätzlicher Gasmengen an jene Kunden weiterzugeben, die diese Kosten verursachen.
Donnerstag, 4.08.2022, 12:00 Uhr
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