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Energie & Management > Wasserstoff - Zu viele Unwägbarkeiten bremsen Wasserstoffhochlauf
Quelle: Shutterstock / Alexander Limbach
Wasserstoff

Zu viele Unwägbarkeiten bremsen Wasserstoffhochlauf

Zwischen geplanten Projekten und finalen Investitionsentscheidungen klafft eine große Lücke, konstatiert die vierte H2-Bilanz von Eon. Die bis 2030 geplante Kapazität stieg um 2.000 MW.
Auf dem Papier ist der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft in Deutschland auf einem guten Weg. Zu diesem Schluss kommt die vierte H2-Bilanz von Eon, erstellt vom Energiewirtschaftlichen Institut an der Uni Köln (EWI). Was allerdings fehlt, seien finale Investitionsentscheidungen und tatsächliche Baumaßnahmen. Zur Erreichung des Ziels von 10.000 MW der Bundesregierung aus der Nationalen Wasserstoffstrategie müssten alle geplanten Projekte umgesetzt werden, sagte EWI-Manager Tobias Sprenger.

Die bis 2030 geplante Wasserstoff-Erzeugungsleistung habe sich laut den Ankündigungen von Unternehmen von 8.700 MW im August 2023 auf 10.100 MW im Februar 2024 erhöht. Von 88 angekündigten Projekten liege aber nur für 16 Projekte mit einer geplanten Erzeugungsleistung von insgesamt 300 MW eine finale Investitionsentscheidung vor – und damit für nur rund 3 Prozent der angekündigten Elektrolysekapazität. Als neuen Punkt erfasse die Analyse diesmal regulatorische Meilensteine, da sie immer wichtiger für die Entwicklung werden, erläuterte Sprenger.
 
Installierte Elektrolysekapazität 2023 und 2030 im Vergleich
(zur Vollansicht bitte auf die Grafik klicken)
Quelle: EWI

Eon sieht verschiedene Gründe als mögliche Hemmnisse für Investitionsentscheidungen. Die Veröffentlichung der Delegierten Rechtsakte der EU zur Definition von erneuerbarem Wasserstoff habe zwar insgesamt zu mehr Rechtssicherheit geführt. Es bestehen jedoch nach wie vor Unsicherheiten im Hinblick auf die Zertifizierung und Anrechnung von erneuerbarem Wasserstoff. „Außerdem sind Fördermittel noch nicht ausreichend, strenge Auflagen sowie verspätete Förderzusagen sind ebenfalls Investitionshemmnisse“, sagte Gabriel Clemens, Geschäftsführer bei Eon Hydrogen. So sei die Befreiung von den Netznutzungsentgelten für Elektrolyseure nur bis 2028/29 geregelt, das mache auch Stromkosten unkalkulierbar.

Betreiber von Elektrolyseuren benötigten mindestens für zehn Jahre eine Abnahmegarantie für den Wasserstoff, sonst bleibe das Investment zu unsicher, sagte Clemens. „Wir brauchen Leute, die produzieren, transportieren und abnehmen“, beschrieb er die Herausforderung für den Wasserstoffhochlauf. Aber auch im vorgelegten Kernnetzgesetz blieben die möglichen Renditen unter denen des Stromnetzausbaus bei höherem Risiko. Daher sei abzuwarten, wer sich jetzt auf den Bau bewirbt, so Clemens. Zudem seien auch Investitionen in die Anschlussnetze nötig. „Aktuell planen wir Autobahnen ohne Abfahrten und Bundes- und Landstraßen“, beschrieb Clemens das Problem.

Kernnetz ist Autobahn ohne Abfahrten

Mit einem Korridor von fünf Kilometern um das Kernnetz könnten 28 Prozent der heutigen Erdgaskunden erreicht werden, wofür auch existierende Gasleitungen umgewidmet werden könnten. Es gebe aber viele Kunden wie die Glasindustrie, die hohe Temperaturen der Gasverbrennung brauchen, aber bislang unberücksichtigt bleiben.

Die IPCEI (Projekte großer gemeinsamer Bedeutung der EU) dauerten in den Genehmigungsverfahren zwischen der EU und Deutschland, kritisierte Clemens. Er kündigte eine neue Studie mit der Thüga an zur Systemdienlichkeit von Elektrolyseuren. Es wäre sinnvoll, sie so zu platzieren, dass sie viel erneuerbaren Strom nutzen, wo er im Überfluss vorhanden ist, zur Netzentlastung und Reduktion von Redispatchkosten.

Clemens plädierte dafür, von der „Farbenlehre“ für Wasserstoff wegzukommen. Er will lieber den CO2-Rucksack je Kilogramm Wasserstoff erheben. Bei Importen müsse auch der Schiffstransport und dessen Emissionen und Umwandlungen erfasst werden. „Wir müssen weg von einer Nischenanwendung“, sagte er. Aktuell wäre der Hochlauf am schnellsten möglich, mit blauem Wasserstoff aus Erdgas mit CO2-Abscheidung. So solle laut dem Eon-Experten schnell ein Wirtschaftszweig etabliert werden, den man dann später sukzessive klimafreundlicher machen kann.

Mehr Tempo aufnehmen

Die Gasnetze und Gasspeicher hätten ein großes Potenzial, um mehr erneuerbaren Strom zu nutzen und zu speichern. Es müsse nun gehoben werden durch Entbürokratisierung und sichere Investitionsbedingungen. „Alles was zu einer Beschleunigung führt ist gut, aber davon brauchen wir noch mehr“. Eine schnelle Umsetzung des angekündigten Wasserstoff-Beschleunigungsgesetzes könnte dem Infrastrukturausbau durch kürzere Planungs- und Genehmigungsverfahren zusätzlich Tempo verleihen. Engpässe könnten auch durch lange Lieferzeiten bei Transformatoren und anderen Teilen entstehen, ebenso durch Baugenehmigungsprozesse, mahnte Clemens.

Die Hoffnung auf Kostendegression sei begrenzt. Am ehesten wäre sie möglich in der Abstimmung zwischen Stromerzeugung und Standort des Elektrolyseurs. „Sowohl die erneuerbare Stromerzeugung als auch die reinen Baukosten sind eingeführte Verfahren, in denen wenig Kostendegression noch zu erwarten ist“, erläuterte Clemens. Der Elektrolyseur mache nur 10 Prozent der Gesamtkosten pro Kilogramm Wasserstoff aus. Der größte Teil der Kosten seien Opex-Kosten für die Strombeschaffung. Elektrolyseure werden nach seiner Ansicht im Norden und Süden benötigt, für den Anschluss an die existierende Industrie und die Nutzung von Überschüssen aus erneuerbarer Stromerzeugung.

Die vierte Eon H2-Bilanz steht als PDF zum Download bereit.

Mittwoch, 24.04.2024, 13:09 Uhr
Susanne Harmsen
Energie & Management > Wasserstoff - Zu viele Unwägbarkeiten bremsen Wasserstoffhochlauf
Quelle: Shutterstock / Alexander Limbach
Wasserstoff
Zu viele Unwägbarkeiten bremsen Wasserstoffhochlauf
Zwischen geplanten Projekten und finalen Investitionsentscheidungen klafft eine große Lücke, konstatiert die vierte H2-Bilanz von Eon. Die bis 2030 geplante Kapazität stieg um 2.000 MW.
Auf dem Papier ist der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft in Deutschland auf einem guten Weg. Zu diesem Schluss kommt die vierte H2-Bilanz von Eon, erstellt vom Energiewirtschaftlichen Institut an der Uni Köln (EWI). Was allerdings fehlt, seien finale Investitionsentscheidungen und tatsächliche Baumaßnahmen. Zur Erreichung des Ziels von 10.000 MW der Bundesregierung aus der Nationalen Wasserstoffstrategie müssten alle geplanten Projekte umgesetzt werden, sagte EWI-Manager Tobias Sprenger.

Die bis 2030 geplante Wasserstoff-Erzeugungsleistung habe sich laut den Ankündigungen von Unternehmen von 8.700 MW im August 2023 auf 10.100 MW im Februar 2024 erhöht. Von 88 angekündigten Projekten liege aber nur für 16 Projekte mit einer geplanten Erzeugungsleistung von insgesamt 300 MW eine finale Investitionsentscheidung vor – und damit für nur rund 3 Prozent der angekündigten Elektrolysekapazität. Als neuen Punkt erfasse die Analyse diesmal regulatorische Meilensteine, da sie immer wichtiger für die Entwicklung werden, erläuterte Sprenger.
 
Installierte Elektrolysekapazität 2023 und 2030 im Vergleich
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Quelle: EWI

Eon sieht verschiedene Gründe als mögliche Hemmnisse für Investitionsentscheidungen. Die Veröffentlichung der Delegierten Rechtsakte der EU zur Definition von erneuerbarem Wasserstoff habe zwar insgesamt zu mehr Rechtssicherheit geführt. Es bestehen jedoch nach wie vor Unsicherheiten im Hinblick auf die Zertifizierung und Anrechnung von erneuerbarem Wasserstoff. „Außerdem sind Fördermittel noch nicht ausreichend, strenge Auflagen sowie verspätete Förderzusagen sind ebenfalls Investitionshemmnisse“, sagte Gabriel Clemens, Geschäftsführer bei Eon Hydrogen. So sei die Befreiung von den Netznutzungsentgelten für Elektrolyseure nur bis 2028/29 geregelt, das mache auch Stromkosten unkalkulierbar.

Betreiber von Elektrolyseuren benötigten mindestens für zehn Jahre eine Abnahmegarantie für den Wasserstoff, sonst bleibe das Investment zu unsicher, sagte Clemens. „Wir brauchen Leute, die produzieren, transportieren und abnehmen“, beschrieb er die Herausforderung für den Wasserstoffhochlauf. Aber auch im vorgelegten Kernnetzgesetz blieben die möglichen Renditen unter denen des Stromnetzausbaus bei höherem Risiko. Daher sei abzuwarten, wer sich jetzt auf den Bau bewirbt, so Clemens. Zudem seien auch Investitionen in die Anschlussnetze nötig. „Aktuell planen wir Autobahnen ohne Abfahrten und Bundes- und Landstraßen“, beschrieb Clemens das Problem.

Kernnetz ist Autobahn ohne Abfahrten

Mit einem Korridor von fünf Kilometern um das Kernnetz könnten 28 Prozent der heutigen Erdgaskunden erreicht werden, wofür auch existierende Gasleitungen umgewidmet werden könnten. Es gebe aber viele Kunden wie die Glasindustrie, die hohe Temperaturen der Gasverbrennung brauchen, aber bislang unberücksichtigt bleiben.

Die IPCEI (Projekte großer gemeinsamer Bedeutung der EU) dauerten in den Genehmigungsverfahren zwischen der EU und Deutschland, kritisierte Clemens. Er kündigte eine neue Studie mit der Thüga an zur Systemdienlichkeit von Elektrolyseuren. Es wäre sinnvoll, sie so zu platzieren, dass sie viel erneuerbaren Strom nutzen, wo er im Überfluss vorhanden ist, zur Netzentlastung und Reduktion von Redispatchkosten.

Clemens plädierte dafür, von der „Farbenlehre“ für Wasserstoff wegzukommen. Er will lieber den CO2-Rucksack je Kilogramm Wasserstoff erheben. Bei Importen müsse auch der Schiffstransport und dessen Emissionen und Umwandlungen erfasst werden. „Wir müssen weg von einer Nischenanwendung“, sagte er. Aktuell wäre der Hochlauf am schnellsten möglich, mit blauem Wasserstoff aus Erdgas mit CO2-Abscheidung. So solle laut dem Eon-Experten schnell ein Wirtschaftszweig etabliert werden, den man dann später sukzessive klimafreundlicher machen kann.

Mehr Tempo aufnehmen

Die Gasnetze und Gasspeicher hätten ein großes Potenzial, um mehr erneuerbaren Strom zu nutzen und zu speichern. Es müsse nun gehoben werden durch Entbürokratisierung und sichere Investitionsbedingungen. „Alles was zu einer Beschleunigung führt ist gut, aber davon brauchen wir noch mehr“. Eine schnelle Umsetzung des angekündigten Wasserstoff-Beschleunigungsgesetzes könnte dem Infrastrukturausbau durch kürzere Planungs- und Genehmigungsverfahren zusätzlich Tempo verleihen. Engpässe könnten auch durch lange Lieferzeiten bei Transformatoren und anderen Teilen entstehen, ebenso durch Baugenehmigungsprozesse, mahnte Clemens.

Die Hoffnung auf Kostendegression sei begrenzt. Am ehesten wäre sie möglich in der Abstimmung zwischen Stromerzeugung und Standort des Elektrolyseurs. „Sowohl die erneuerbare Stromerzeugung als auch die reinen Baukosten sind eingeführte Verfahren, in denen wenig Kostendegression noch zu erwarten ist“, erläuterte Clemens. Der Elektrolyseur mache nur 10 Prozent der Gesamtkosten pro Kilogramm Wasserstoff aus. Der größte Teil der Kosten seien Opex-Kosten für die Strombeschaffung. Elektrolyseure werden nach seiner Ansicht im Norden und Süden benötigt, für den Anschluss an die existierende Industrie und die Nutzung von Überschüssen aus erneuerbarer Stromerzeugung.

Die vierte Eon H2-Bilanz steht als PDF zum Download bereit.

Mittwoch, 24.04.2024, 13:09 Uhr
Susanne Harmsen

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