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NRW will als erstes Bundesland die Flächenvorgaben Berlins zum Windkraftausbau an Land umsetzen. Tempo versprach Wirtschaftsministerin Neubaur bei einem Treff der Erneuerbaren-Branche.
Explodierende Energie- und Lebenshaltungskosten, Existenznöte bei Verbrauchern, Unternehmen und Versorgern: Angesichts dessen kann eine neue Landesregierung wie Schwarz-Grün in Nordrhein-Westfalen die übliche 100-Tage-Schonfrist kaum für sich reklamieren. Zwei Drittel der Eingewöhnungszeit ist in Düsseldorf bereits aufgebraucht. Nun trat die für die Energiewende zuständige Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) mit der Bitte um „Geduld und Pragmatismus“ vor Vertreter der Erneuerbaren-Branche. Sie kündigte indes auch schnelle Entscheidungen für die Energiewende an.
Mit dem Steuerungsinstrument Landesentwicklungsplan (LEP) will Düsseldorf vorgeben, was die einzelnen (sechs) Regionen des bevölkerungsreichsten Bundeslands an Gebieten für Windturbinen bereitstellen müssen. Dies folgt dem von der Bundesregierung festgelegten Flächenziel von bundesweit 2
% für Windkraft. Während der LEP in NRW im Mai 2024 abschließend geändert sein soll, will Neubaur wichtige Fragen bereits vorher klären. „Wir ziehen die Energie-Themen vor“, sagte sie beim Sommerempfang des Landesverbands Erneuerbare Energien (LEE NRW) in Düsseldorf.
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Grüne unter sich: (von links) NRW-Umweltminister Oliver Krischer, NRW-Energieministerin Mona Neubaur und Reiner Priggen, Vorsitzender des LEE NRW. Quelle: E&M / Volker Stephan |
Konkret sollen kurzfristig Turbinen in geschädigten Waldflächen sowie Industrie- und Gewerbegebieten entstehen dürfen. Auch der von der CDU/FDP-Vorgängerkoalition gesetzte 1.000-Meter-Mindestabstand von Windkraftanlagen zur Wohnbebauung solle „so schnell wie möglich“ fallen. Parallel dazu soll über die einzelnen Regionalpläne die konkrete Flächenausweisung erfolgen.
Dies liege in der Zuständigkeit des Landes und der Regionen, „das braucht keine kommunale Steuerung“. Städte und Gemeinden, die bereits eigene Planungen vorantrieben, sollten aber die Regulierung nicht abwarten. Sie dürften ihre aktuell entwickelten Gebiete auf die späteren Flächenvorgaben anrechnen. „Übererfüllen geht natürlich immer“, ergänzte Neubaur.
Ins Zeitspiel von Kommunen grätschenMehr Tempo beim Windkraftausbau sei, so LEE-Vorsitzender Reiner Priggen, nur zu erreichen, wenn die oft langwierigen Genehmigungsverfahren von den Unteren Landschaftsbehörden der Landkreise auf eine höhere Ebene übergingen. Mona Neubaur sieht das ähnlich: Sie will die Genehmigungskompetenz den Bezirksregierungen zuweisen, noch in diesem Herbst. Düsseldorf will damit offenbar ausbauunwilligen Kommunen in die Verzögerungstaktik grätschen.
Konkret wurde Neubaur vor den mehr als hundert anwesenden Branchenvertretern in einem weiteren Punkt: Im Sektor Biomasse erwarte sie kurzfristig auf Bundesebene Bewegung, um regulatorische Hürden für die Produktion von Biogas abzubauen.
Bestehende Biogas-Anlagen in NRW allein könnten nach Branchen-Berechnungen die Abhängigkeit von russischem Gas weiter mindern, im Umfang von jährlich zusätzlich 500 Mio. kWh. Den LEE
NRW ärgert jedoch, dass Bemessungsgrenzen, Obergrenzen bei der Produktion und Eigenverbrauchsquoten das Kapazitätsplus von etwa 20
% ausbremsten. Neubaur will hier Abhilfe schaffen. Sie verwies auf einen von ihrem Ressort initiierten Antrag zum Baurecht, der beim Energieministertreffen der Länder am 14.
September beschlossen werden soll. „Ich sehe hier eine breite Einigkeit der Länder“, so Neubaur.
Der Druck wächst, "Megawatt auf die Straße zu bringen"Eine neue Einigkeit zwischen den Ressorts der Landesregierung beschwor Neubaur auch mit Blick auf ihren ebenfalls beim Branchentreff anwesenden Kabinetts- und Parteikollegen Oliver Krischer: „Es ist gut, dass Wirtschafts- und Umweltministerium bei den Grünen sind.“ Das stelle sicher, dass zwischen Wirtschaft und Umwelt, zwischen Erneuerbare und Naturschutz „kein oder gehört“.
Den Ausbau regenerativer Energien mit Natur- und Artenschutz zu versöhnen, sei die Aufgabe. Diese sei aber „im Sinne der Erneuerbaren“ zu lösen. Denn kein Vogel, keine Tierart habe etwas von besonderem Schutz, wenn die Klimakrise die Erde weiter erhitze und „die Arten trotzdem sterben“.
Neubaur wird wissen, dass Vorschusslorbeer schnell welkt. Die Krisen, unter deren Eindruck Politik zu gestalten ist, seien bei ihrem Amtsantritt Ende Juni bereits da gewesen. „Ich habe mir das also ausgesucht“, sagte sie. Für sie wird es auf Dauer nicht reichen, den sperrigen und in der Branche ungeliebten Energieminister Andreas Pinkwart (FDP) aus dem Amt gejagt zu haben. Das Team Neubaur/ Krischer muss liefern, „Megawatt auf die Straße bringen“, nennt Neubaur den erwarteten Zubau an Solar- und Windenergie.
Der Erneuerbaren-Branche wird sie noch zwei Monate „Geduld und Pragmatismus“ abtrotzen können. Dann, Mitte November, bittet der LEE NRW zu den jährlichen Windenergietagen ins ostwestfälische Bad Driburg. Einer der Hauptredner sollte dann Vorzeigbares in der Aktentasche haben: NRW-Umweltminister Oliver Krischer.
Freitag, 9.09.2022, 13:16 Uhr
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