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Der Ökostromausbau stellt die österreichischen Verteilnetzbetreiber vor Herausforderungen. Dem muss die Regulierung verstärkt Rechnung tragen, hieß es beim Netzservice-Forum in Wien.
„Die Energiewende braucht nicht nur intelligente Netze, sondern auch eine intelligente Regulierung.“ Das betonte Franz Strempfl, der Sprecher des Elektrizitätswirtschaftsverbands Oesterreichs Energie für den Netzbereich und Geschäftsführer der Energienetze Steiermark GmbH, am 22. November beim Netzservice-Forum des Verbands in Wien.
Strempfl erläuterte, im Zuge der Energiewende werde die Stromversorgung „auf den Kopf gestellt.“ An die Stelle weniger leistungsstarker Großkraftwerke trete eine Vielzahl vergleichsweise kleiner Anlagen, die gerade auch auf den untersten Netzebenen Strom einspeise. Das aber bedeute, die Strukturen und den Betrieb insbesondere der Verteilnetze grundlegend umstellen zu müssen. Allein in der Steiermark habe sich die Anzahl der Zählpunkte, an denen Photovoltaikanlagen Strom einspeisen, seit 2020 um rund 55 Prozent auf mehr als 27.000 erhöht. Bis 2030 − dem Jahr, ab dem Österreich seinen Bedarf an elektrischer Energie bilanziell ausschließlich mit Ökostrom decken möchte − dürfte diese Zahl laut Strempfl auf über 100.000 ansteigen, österreichweit auf etwa eine Million.
Die Verteilnetzbetreiber sind Strempfl zufolge bestrebt, allen Kunden die Stromeinspeisung an jenem Punkt zu ermöglichen, an dem ihre Photovoltaik-Anlage angeschlossen ist: „In rund drei Vierteln der Fälle funktioniert das auch. In den übrigen Fällen kann die Einspeisung leider oft erst an der nächsten Trafostation erfolgen.“ Ein Problem dabei ist: Bis zu einer Anschlussleistung von 20 kW haben die Kunden das Recht, mit der vertraglich zugesicherten Kapazität Strom aus dem Netz zu beziehen, aber auch einzuspeisen. Deshalb schlagen die Energienetze Steiermark laut Strempfl in netztechnisch kritischen Fällen vor, eine Photovoltaik-Anlage zwar auf 100 Prozent des gewünschten Werts zu dimensionieren, beispielsweise auf 10 kW. Die Stromeinspeisung sollte allerdings mit höchstens 7 kW erfolgen: „Damit verlieren Anlagenbetreiber nur rund zwei bis drei Prozent ihrer Erträge. Im Gegenzug lassen sich aber hohe Kosten für den Netzausbau vermeiden.“ Ferner bleibe Netzkapazität frei, die für den Anschluss weiterer Ökostromanlagen genutzt werden könne.
Volkswirtschaftlich problematisch
Klar ist laut Strempfl, dass eine Unterdimensionierung der Stromnetze volkswirtschaftlich für die Energiewende problematisch wäre. Er verwies in diesem Zusammenhang auf eine Studie des Beratungsunternehmens Frontier Economics und des Austrian Institute of Technology (AIT) im Auftrag von Oesterreichs Energie. Dieser zufolge müssen die Verteilnetzbetreiber bis 2030 rund 15,2 Milliarden Euro in den Ausbau sowie die Modernisierung ihrer Infrastrukturen investieren, bis 2040 sind es etwa 30,3 Milliarden Euro. Können aufgrund regulatorischer Vorgaben nur 70 Prozent dieser Summen investiert werden, entstehen dadurch volkswirtschaftliche Kosten von bis zu 257 Millionen Euro im Jahr 2030 und bis zu 1,9 Milliarden Euro im Jahr 2040.
Ein erheblicher Teil davon entfällt auf entgangene Erlöse durch die Abregelung von Ökostromanlagen. Dies sollte die Regulierungsbehörde E-Control bei der Festlegung der Netztarife sowie bei der zukünftigen Gestaltung des Regulierungsregimes berücksichtigen und Anreize für den Netzausbau bieten, empfahl Strempfl. Die nächste Regulierungsperiode beginnt am 1. Januar 2024.
Notwendig wäre laut Strempfl ferner, die unter dem Titel „Netztarife 2.0“ seit Jahren diskutierte Neustrukturierung der Netztarife umzusetzen und damit die Leistungskomponente im Vergleich zur Arbeitskomponente stärker zu gewichten. Überdies wiederholte Strempfl den Wunsch der Netzbetreiber, Stromspeicher betreiben zu dürfen. Dies würde den immer herausfordernderen Ausgleich zwischen Stromerzeugung und -verbrauch erleichtern. Auch die netzdienliche Steuerung von Einspeisern und Verbrauchern sollte erforderlichenfalls zulässig sein.
Für Blackout vorsorgen
Herbert Saurugg, der Präsident des Vereins „Gesellschaft für Krisenvorsorge (GfKV)“, attestierte den Netzbetreibern, alles zu tun, um die Stromversorgung wie gewohnt aufrecht zu halten. Seine vor Jahren getätigte Aussage, innerhalb der kommenden fünf Jahre sei mit „hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit“ ein Blackout in Österreich zu erwarten, bezeichnete Saurugg als „Kommunikationsausfall“. Es gebe keinerlei Daten, um die Wahrscheinlichkeit eines solchen Ereignisses zu berechnen. Ausschließen lasse sich ein Blackout indessen nicht. Im kommenden Winter sei das Wetter „der große Unsicherheitsfaktor.“ Behörden, Unternehmen und andere Institutionen, aber auch Privatpersonen, sollten laut Saurugg daher entsprechende Vorsorge treffen. Leider sei das Bewusstsein dafür bei manchen Behörden zu wenig entwickelt. Speziell im Energieministerium finde er mit seinen Warnungen kein Gehör.
Dienstag, 22.11.2022, 14:40 Uhr
Klaus Fischer
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