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EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) diskutierten Hindernisse der Energiewende im dritten Transformationsgespräch in Berlin.
Bereits zum dritten Mal lud das Bundeswirtschaftsministerium am Abend des 8.
Mais zum "Gespräch zur Transformation". Gast des Ministers war diesmal EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Am selben Tag war der Bericht der OECD
(Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) zur deutschen Wirtschaft übergeben worden. Dazu nahm Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Stellung. "Ich stimme zu 90
Prozent mit dem OECD-Bericht überein", sagte er. Er sehe nur den Appell der OECD kritisch, alles so kostengünstig wie möglich zu dekarbonisieren und alles über den CO2-Preis zu regeln.
"Die vergangenen zwei Jahre haben uns gelehrt, dass wir nicht alles anderswo produzieren lassen können, wenn es unsere Sicherheit betrifft, zum Beispiel PV-Paneele oder Chips", gab der Minister zu bedenken. Dem stimmt die Kommissarin zu: "Deshalb haben wir die Initiative, Chipproduktion wieder in der EU anzusiedeln", sagte Vestager. Es gebe innerhalb der EU weitgehend einen fairen Wettbewerb, schätzte sie ein, weil es gemeinsame Maßstäbe zum Beispiel für den Schutz natürlicher Ressourcen gibt und Subventionen Unterschiede ausglichen.
An dieser Stelle warf Habeck ein, dass Deutschland als größte Volkswirtschaft manche Unterstützung nicht geben dürfe, weil andere EU-Länder dies nicht könnten und eine Wettbewerbsverzerrung befürchteten. Diese langen Entscheidungswege seien zuweilen hinderlich. Es ginge aber weniger um den innereuropäischen Wettbewerb, als um die Wettbewerbsfähigkeit der EU weltweit, zum Beispiel auch gegen den Inflation Reduction Act der USA. "Wenn jemand beim Fußball gewinnt, weil er unfair spielt, muss man eben zurückschubsen, sonst verliert man", appellierte Habeck. Dafür bekam er Beifall der knapp 200 Gäste des Gesprächs.
Industriestrompreis in der PrüfungVestager sagte, Subventionen allein würden nicht helfen, um langfristig wettbewerbsfähig zu sein. Es gehöre auch dazu, Fachkräfte anwerben zu können oder schnell Genehmigungen für den Bau wichtiger Anlagen und Infrastruktur zu bekommen, unterstrich die Kommissarin. Habeck kritisierte, dass Genehmigungen der Kommission immer noch zweieinhalb Jahre benötigen.
Das befürchte er auch für den Vorstoß zu einem deutschen Industriestrompreis, der aber verlässlich nötig sei, um Produzenten im Land zu behalten. Zum deutschen Industriestrompreis wolle Vestager erst Stellung nehmen, wenn alle Details des Entwurfs durch ihre Behörde geprüft sind. Die Kommissarin verwies auf die Möglichkeit von Direktlieferverträgen (PPA) und Differenzverträgen (CCfD) als Mittel für bezahlbare Energieversorgung der Unternehmen.
Artificial Intelligence Act kommt Mitte 2023Aber auch für Genehmigungen in Deutschland zum Beispiel für Erneuerbare-Energie-Anlagen oder Infrastruktur wie Stromleitungen dauerten Prozesse viel zu lange und müssten digitalisiert werden, gestand Habeck ein. Bei der Digitalisierung gehe es auch um Regeln für künstliche Intelligenz (AI). Vestager kündigte einen "AI Act" für Mitte dieses Jahres an. Danach hätten die Unternehmen zwei Jahre Zeit zur Umsetzung. Es gehe darum, Anwendungsfälle zu definieren. "Es muss klar sein, wenn man mit einer Maschine kommuniziert oder wenn ein Werk von einer künstlichen Intelligenz geschaffen wurde, zum Beispiel durch ein Wasserzeichen", nannte Vestager als Maßstab. Besonders im Bildungswesen müsse die Anwendung definiert werden. "Die Technologie soll den Menschen dienen, das muss gesichert werden", so die Kommissarin.
Habeck schlug vor, AI als kommende Infrastruktur zu behandeln und zu regeln. Man solle sie nutzen, aber kontrollieren. Er habe aber Sorge, dass die Regulierung ihren Einsatz behindert, wie bei der Datenschutzgrundverordnung, die vielfach Forschung und Unternehmen ausbremse. "Wenn wir etwas verhindern, heißt es nicht, dass es nicht stattfindet, es wird einfach anderswo auf der Welt, in den USA oder China umgesetzt", gab Habeck zu bedenken.
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EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck beim dritten Gespräch zur Transformation Quelle: E&M / Susanne Harmsen |
Effizienz erhöhen und erneuerbare Energien ausbauenVestager verwies auf die noch ungehobenen Effizienzpotenziale. "Es wäre besser, wenn in Zukunft Gebäude ihre benötigte Energie selbst herstellen, weil sie auch weniger Energie benötigen", sagte sie. Das würde auch die Energienetze entlasten. Es sei weniger langwierig, Technologien zu entwickeln als Gewohnheiten zu ändern, mahnte die Kommissarin. "Wir müssen unbedingt das Tempo der Energiewende aufrechterhalten und beschleunigen", mahnte Vestager mit Verweis auf die bereits dramatischen Auswirkungen der Klimaerwärmung auch in Europa mit Waldbränden, Dürren und Sturmschäden.
In seinem Schlusswort nannte Habeck bei aller Krisenbewältigung des vergangenen Jahres den Klimaschutz als wichtigsten Maßstab des weiteren, politischen Handelns. Auch die Kommissarin plädierte dafür, trotz aller Schwierigkeiten am Ziel der Pariser Klimakonferenz festzuhalten, die menschengemachte Erderwärmung auf 1,5
Grad
Celcius zu begrenzen. "Die Krisen der vergangenen zwei Jahre haben uns gelehrt, dass wir nur als EU damit fertig werden können, wir sind uns viel schneller einig geworden in vielen wichtigen Fragen", sagte Vestager. Sie hofft, dass die Zeit der rein nationaler Sichtweisen vorbei sei.
Dienstag, 9.05.2023, 11:17 Uhr
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