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Schulterschluss der grün geführten Ministerien für Wirtschaft, Landwirtschaft (BMEL) und Umweltschutz (BMUV): Bis 2030 soll die Förderung für Kraftstoffe vom Acker auslaufen.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) will nach monatelanger Diskussion einen Vorschlag zum Stopp der staatlichen Förderung von Agrokraftstoffen in die Ressortabstimmung geben. Das kündigte sie am 17. Januar auf dem Agrarkongress ihres Hauses an. Unterstützung bekommt sie von ihren Parteikollegen Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck sowie Landwirtschaftsminister Cem Özdemir.
Widerstand ist von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) zu erwarten, weil sein Sektor ohnehin die Klimaschutzvorgaben nicht einhält.
Agrokraftstoffe aus Getreide, Raps oder Soja werden seit mehr als 15 Jahren als „E“- Kraftstoff (E-5 oder E-10) fossilem Sprit beigemischt. Damit sollen die Treibhausgas-Emissionen sinken. Umweltschützer kritisieren, dass der Anbau von Pflanzen für Agrokraftstoffe in direkter Konkurrenz zur Nahrungsmittel-Produktion steht. Seit diesem Jahr ist immerhin die Verwendung von Palmöl im Tank in der EU verboten. Dieses wird oft in Plantagen erzeugt, für die Regenwald gerodet wurde, was die Klimaerwärmung anheizt.
„Rund um den Globus ist derzeit eine Fläche größer als Sachsen mit Energiepflanzen für den deutschen Agrosprit-Konsum belegt“, erklärt zum Beispiel die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Mit diesen Anbauflächen könnte der Kalorienbedarf von bis zu 35 Millionen Menschen gedeckt werden. DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner: „Schon seit 2008 stuft das Umweltbundesamt die staatliche Förderung für Agrokraftstoffe immer wieder als klima- und umweltschädliche Subvention ein.“ Dieser „Irrsinn“ müsse dringend beendet werden, forderte Müller-Kraenner vom Verkehrsminister.
Kraftstoffe Teil der neuen Biomassestrategie
Ein Sprecher des Umweltministeriums teilte dieser Redaktion mit, dass bis zum 19. Januar die Ressortabstimmung zu dem Gesetzesentwurf noch nicht eingeleitet worden ist. Bereits am 6. Oktober 2022 hatten die drei grün geführten Ministerien Eckpunkte einer neuen "Nationalen Biomassestrategie" vorgelegt. Diese soll die Grundlage für eine nachhaltige Nutzung von Biomasse aus der Wald-, Landwirt- und Abfallwirtschaft legen.
Demnach soll nur das nachhaltig verfügbare Biomasse-Potenzial genutzt werden, unter Erhalt natürlicher Ökosysteme und dem Vorrang der Ernährungssicherheit. Ein entsprechendes Gesetz soll in diesem Jahr verabschiedet werden. Ziel ist laut Habeck, „dass Biomasse zukünftig nur noch in nachhaltig verfügbaren Mengen gezielter für den Klimaschutz und die Transformation unserer Wirtschaft in Richtung Treibhausgasneutralität eingesetzt wird“.
Landwirtschaftsminister Özdemir erläuterte: „Die Getreide- und Ölsaaten-Erzeugung auf dem Acker, die Tierhaltung und Grünlandnutzung, das Holz aus der Forstwirtschaft: all dies sind elementare Produktionsbereiche der Biomasse-Nutzung und ein zentrales Standbein für unsere Land- und Forstwirtschaft und unsere ländlichen Räume.“ Daher sei eine sorgfältige Abwägung des zukünftigen Einsatzes erforderlich. Biomasse solle erst am Ende der Kaskadennutzung im Energie- und Kraftstoff-Bereich stehen.
Biokraftstoffe sollen nur noch aus Resten produziert werden, so die Position von Umweltministerin Lemke: „In Zeiten multipler Krisen – Artenaussterben, Klimakrise, Ernährungskrise – gilt in ganz besonderem Maße: Pflanzen gehören auf den Teller, nicht in den Tank, wenn wir sie konsumieren.“
Lemke sagte auf dem Agrarkongress: „Ich möchte, dass wir den Einsatz von wirklichen Biokraftstoffen aus Abfall, aus Reststoffen, aus Speiseöl verstärken.“ Hierin liege noch Potenzial, um die Treibhausgasquote im Verkehr einzuhalten. „Deshalb werden wir so schnell wie möglich die gesetzlichen Grundlagen für den Ausstieg aus Agrokraftstoffen aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen ins Kabinett einbringen“, kündigte die Ministerin an.
Donnerstag, 19.01.2023, 16:32 Uhr
Susanne Harmsen
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