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Energie & Management > Stadtwerke - Kein Strafverfahren gegen Bad Belzigs Ex-Geschäftsführer
Quelle: E&M / Jonas Rosenberger
Stadtwerke

Kein Strafverfahren gegen Bad Belzigs Ex-Geschäftsführer

Das finanzielle Fiasko bei den Stadtwerken Bad Belzig hat wohl keine strafrechtlichen Folgen. Die Staatsanwaltschaft Potsdam sieht von Ermittlungen gegen den Ex-Geschäftsführer ab.
Die Suche nach den Schuldigen für die Insolvenz der Stadtwerke Bad Belzig GmbH geht weiter. Strafrechtlich zumindest ist der im November entlassene Geschäftsführer des brandenburgischen Versorgers entlastet. Die Staatsanwaltschaft Potsdam sieht keine Anhaltspunkte für Ermittlungen gegen ihn wegen Untreue oder Bankrotts.

Für Bürgermeister Roland Leisegang (SPD) ist es der nächste Nackenschlag in dem Fiasko der heruntergewirtschafteten Stadtwerke. Er hatte die Strafanzeige gegen den ehemaligen Stadtwerke-Chef am 22. Dezember 2021 erstattet. Damit wollte Leisegang die Gründe für die Pleite gerichtlich zulasten des Ex-Geschäftsführers klären lassen. Dieser habe, so die Vorwürfe des Bürgermeisters, eine Straftat begangen, indem er einerseits hochriskante Leerverkäufe mit dem Energieriesen Vattenfall eingegangen war und andererseits keine Energie für den Eigenvertrieb eingekauft hatte.

Leerverkäufe nicht dadurch strafbar, dass sie schiefgehen

Bei Vertragsabschluss mit Vattenfall zu festgelegten Konditionen hatte der Stadtwerke-Chef sich noch gute Geschäfte für seinen Arbeitgeber erhofft. Als die Einkäufe für die Lieferung an die Schweden im Jahr 2021 anstanden, hatte sich der Preis für den Strom allerdings stark erhöht. Dadurch rutschte der lokale Versorger dem Vernehmen nach mit dem Warentermingeschäft mit über 20 Mio. Euro ins Minus. Und in die Pleite: Denn die krachend gescheiterten Spekulationsgeschäfte waren für die Stadtwerke und die Kommune als ihre Eigentümerin wirtschaftlich nicht zu verkraften.

Auch im Falle der für den eigenen Vertrieb zu tätigenden Stromeinkäufe, die der Geschäftsführer offenbar bis in die zweite Jahreshälfte nicht mehr vorgenommen hatte, sieht die Staatsanwaltschaft keinen Ansatz für strafrechtliche Konsequenzen. Andere Delikte kämen ebenfalls nicht in Betracht.

Die Begründung der Anklagebehörde im Einzelnen lässt pikante Deutungen zu. Die unternehmerischen Entscheidungen des Ex-Geschäftsführers seien nicht dadurch pflichtwidrig, dass sie sich "im Nachhinein als riskant oder möglicherweise wirtschaftlich nachteilig herausgestellt haben", heißt es in der Pressemitteilung. In der Konsequenz legt die Staatsanwaltschaft damit nahe, dass die Leerverkäufe sich schließlich auch – wie von den Stadtwerken erhofft – positiv hätten auswirken können. "Das strafrechtlich erlaubte Risiko ist nicht überschritten worden", erklärte Markus Nolte, Sprecher der Staatsanwaltschaft, auf Anfrage unserer Redaktion. Leerverkäufe und verzögerte Energiebeschaffung per se seien keine Straftat.

Der Stellvertreter des erkrankten Bürgermeisters Leisegang, Roland Ernicke, wollte im Gespräch mit unserer Redaktion die Entscheidung der Staatsanwaltschaft zunächst nicht kommentieren. Damit bleibt offen, ob die Kommune Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft einlegen und eine Neubewertung herbeiführen will.

Druck auf Bürgermeister und Aufsichtsrat wächst

In jedem Fall dürfte der politische Druck in Bad Belzig und auf Bürgermeister Leisegang wachsen, weil nun die Effizienz des Aufsichtsrats als Kontrollgremium der Stadtwerke noch einmal neu hinterfragt wird. Brisant war die eingereichte Strafanzeige spätestens zu dem Zeitpunkt, als sich der ehemalige Abteilungsleiter Energiewirtschaft der Stadtwerke zu Wort meldete. Seiner Darstellung nach habe der Aufsichtsrat der Stadtwerke seit 2019 von den riskanten Spekulationsgeschäften des damaligen Geschäftsführers gewusst.

Eine Bürgerinitiative namens "Runder Tisch Energie" hat sich inzwischen formiert. Sie fordert, politische und persönliche Verantwortung für die Insolvenz zu übernehmen. Aus der Bürgerschaft waren bereits Forderungen nach der Abwahl des Bürgermeisters laut geworden, eine Online-Petition dazu läuft noch bis Mitte April. Bisher schloss Roland Leisegang wiederholt einen Rücktritt aus.

"Sonderausschuss Stadtwerke" tagt Ende März

Am 28. März kommt in Bad Belzig die Stadtverordnetenversammlung zur konstituierenden Sitzung des "Sonderausschusses Stadtwerke" zusammen. Dabei darf zunächst auch die interessierte Bevölkerung Fragen zum Finanzdebakel stellen. Inhaltlich ist von der Premierensitzung nicht allzu viel zu erwarten, beschäftigt der Ausschuss sich doch laut Tagesordnung vornehmlich mit Verfahrens- und Organisationsfragen.

Derweil ist die Stadtverwaltung auf Druck der Politik damit beauftragt, einen Hilfsfonds für einkommensschwache Fernwärmekunden einzurichten. Im Zuge der Insolvenz der Stadtwerke – und unabhängig von den Folgen des Ukraine-Kriegs – sind die Fernwärmepreise sprunghaft gestiegen, was für viele Privathaushalte eine besondere Belastung mit sich bringt.

Bei all diesen Themen ist eine existenzielle Frage nach wie vor unbeantwortet, eben jene, ob es eigenständige Stadtwerke Bad Belzig in Zukunft überhaupt noch geben wird. Das zuständige Amtsgericht Potsdam teilte auf Anfrage mit, den Antrag auf Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung weiterhin zu prüfen. Damit droht nach wie vor auch die Zerschlagung des Versorgers, der vorläufig seinen Geschäften – bis auf den abgestoßenen Stromvertrieb – nachkommt.

Mittwoch, 23.03.2022, 13:33 Uhr
Volker Stephan
Energie & Management > Stadtwerke - Kein Strafverfahren gegen Bad Belzigs Ex-Geschäftsführer
Quelle: E&M / Jonas Rosenberger
Stadtwerke
Kein Strafverfahren gegen Bad Belzigs Ex-Geschäftsführer
Das finanzielle Fiasko bei den Stadtwerken Bad Belzig hat wohl keine strafrechtlichen Folgen. Die Staatsanwaltschaft Potsdam sieht von Ermittlungen gegen den Ex-Geschäftsführer ab.
Die Suche nach den Schuldigen für die Insolvenz der Stadtwerke Bad Belzig GmbH geht weiter. Strafrechtlich zumindest ist der im November entlassene Geschäftsführer des brandenburgischen Versorgers entlastet. Die Staatsanwaltschaft Potsdam sieht keine Anhaltspunkte für Ermittlungen gegen ihn wegen Untreue oder Bankrotts.

Für Bürgermeister Roland Leisegang (SPD) ist es der nächste Nackenschlag in dem Fiasko der heruntergewirtschafteten Stadtwerke. Er hatte die Strafanzeige gegen den ehemaligen Stadtwerke-Chef am 22. Dezember 2021 erstattet. Damit wollte Leisegang die Gründe für die Pleite gerichtlich zulasten des Ex-Geschäftsführers klären lassen. Dieser habe, so die Vorwürfe des Bürgermeisters, eine Straftat begangen, indem er einerseits hochriskante Leerverkäufe mit dem Energieriesen Vattenfall eingegangen war und andererseits keine Energie für den Eigenvertrieb eingekauft hatte.

Leerverkäufe nicht dadurch strafbar, dass sie schiefgehen

Bei Vertragsabschluss mit Vattenfall zu festgelegten Konditionen hatte der Stadtwerke-Chef sich noch gute Geschäfte für seinen Arbeitgeber erhofft. Als die Einkäufe für die Lieferung an die Schweden im Jahr 2021 anstanden, hatte sich der Preis für den Strom allerdings stark erhöht. Dadurch rutschte der lokale Versorger dem Vernehmen nach mit dem Warentermingeschäft mit über 20 Mio. Euro ins Minus. Und in die Pleite: Denn die krachend gescheiterten Spekulationsgeschäfte waren für die Stadtwerke und die Kommune als ihre Eigentümerin wirtschaftlich nicht zu verkraften.

Auch im Falle der für den eigenen Vertrieb zu tätigenden Stromeinkäufe, die der Geschäftsführer offenbar bis in die zweite Jahreshälfte nicht mehr vorgenommen hatte, sieht die Staatsanwaltschaft keinen Ansatz für strafrechtliche Konsequenzen. Andere Delikte kämen ebenfalls nicht in Betracht.

Die Begründung der Anklagebehörde im Einzelnen lässt pikante Deutungen zu. Die unternehmerischen Entscheidungen des Ex-Geschäftsführers seien nicht dadurch pflichtwidrig, dass sie sich "im Nachhinein als riskant oder möglicherweise wirtschaftlich nachteilig herausgestellt haben", heißt es in der Pressemitteilung. In der Konsequenz legt die Staatsanwaltschaft damit nahe, dass die Leerverkäufe sich schließlich auch – wie von den Stadtwerken erhofft – positiv hätten auswirken können. "Das strafrechtlich erlaubte Risiko ist nicht überschritten worden", erklärte Markus Nolte, Sprecher der Staatsanwaltschaft, auf Anfrage unserer Redaktion. Leerverkäufe und verzögerte Energiebeschaffung per se seien keine Straftat.

Der Stellvertreter des erkrankten Bürgermeisters Leisegang, Roland Ernicke, wollte im Gespräch mit unserer Redaktion die Entscheidung der Staatsanwaltschaft zunächst nicht kommentieren. Damit bleibt offen, ob die Kommune Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft einlegen und eine Neubewertung herbeiführen will.

Druck auf Bürgermeister und Aufsichtsrat wächst

In jedem Fall dürfte der politische Druck in Bad Belzig und auf Bürgermeister Leisegang wachsen, weil nun die Effizienz des Aufsichtsrats als Kontrollgremium der Stadtwerke noch einmal neu hinterfragt wird. Brisant war die eingereichte Strafanzeige spätestens zu dem Zeitpunkt, als sich der ehemalige Abteilungsleiter Energiewirtschaft der Stadtwerke zu Wort meldete. Seiner Darstellung nach habe der Aufsichtsrat der Stadtwerke seit 2019 von den riskanten Spekulationsgeschäften des damaligen Geschäftsführers gewusst.

Eine Bürgerinitiative namens "Runder Tisch Energie" hat sich inzwischen formiert. Sie fordert, politische und persönliche Verantwortung für die Insolvenz zu übernehmen. Aus der Bürgerschaft waren bereits Forderungen nach der Abwahl des Bürgermeisters laut geworden, eine Online-Petition dazu läuft noch bis Mitte April. Bisher schloss Roland Leisegang wiederholt einen Rücktritt aus.

"Sonderausschuss Stadtwerke" tagt Ende März

Am 28. März kommt in Bad Belzig die Stadtverordnetenversammlung zur konstituierenden Sitzung des "Sonderausschusses Stadtwerke" zusammen. Dabei darf zunächst auch die interessierte Bevölkerung Fragen zum Finanzdebakel stellen. Inhaltlich ist von der Premierensitzung nicht allzu viel zu erwarten, beschäftigt der Ausschuss sich doch laut Tagesordnung vornehmlich mit Verfahrens- und Organisationsfragen.

Derweil ist die Stadtverwaltung auf Druck der Politik damit beauftragt, einen Hilfsfonds für einkommensschwache Fernwärmekunden einzurichten. Im Zuge der Insolvenz der Stadtwerke – und unabhängig von den Folgen des Ukraine-Kriegs – sind die Fernwärmepreise sprunghaft gestiegen, was für viele Privathaushalte eine besondere Belastung mit sich bringt.

Bei all diesen Themen ist eine existenzielle Frage nach wie vor unbeantwortet, eben jene, ob es eigenständige Stadtwerke Bad Belzig in Zukunft überhaupt noch geben wird. Das zuständige Amtsgericht Potsdam teilte auf Anfrage mit, den Antrag auf Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung weiterhin zu prüfen. Damit droht nach wie vor auch die Zerschlagung des Versorgers, der vorläufig seinen Geschäften – bis auf den abgestoßenen Stromvertrieb – nachkommt.

Mittwoch, 23.03.2022, 13:33 Uhr
Volker Stephan

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