Quelle: Pixabay / Uwe Hoh
Grüne in Bund und Ländern werden auch daran gemessen, wie schnell ihnen der Erneuerbaren-Ausbau gelingt. Die Ressortoberen Habeck und Neubaur bekommen Rat: von Windpionier Lackmann.
Vorwärts immer, rückwärts nimmer? Die Honecker’sche Devise liegt bekanntlich in der politischen Mottenkiste. Nun sind gemeinhin auch die Streiter für die Energiewende zukunftsgewandt. In einem Punkt möchten viele das Rad aber auch zurückdrehen. Das Rädchen von Stromzählern. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) heißt das gut.
Konkret kündigte der oberste Verantwortliche für Wirtschaft und Klimaschutz in Deutschland in dieser Woche an, ein bürokratisches Übel 2023 beseitigen zu wollen, dass Betreiber von kleinen Solar- oder Windkraftanlagen für eingespeisten Strom weniger Geld erhalten, als ihnen für verbrauchten Fremdstrom berechnet wird. Bei "Markus Lanz" erklärte Habeck, an einer Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes zu arbeiten, das den Rücklauf von Verbrauchszählern zulässt.
Anders als in Dutzenden anderen Staaten herum ist es aktuell hierzulande nicht erlaubt, den eingespeisten Strom eins zu eins gegen den verbrauchten gegenzurechnen. Das führt dazu, dass kleine Anlagen wie Balkon-PV sich kaum rechnen. Was sich nicht selbst verbrauchen lässt, geht für weniger als 10
Cent/kWh ins Netz, während der fremd bezogene Saft leicht 40
Cent kostet.
|
Erst mit Robert Habeck bei Markus Lanz, dann mit NRW-Ministerin Mona Neubaur (2. von rechts) in Münster: Windkraft-Unternehmer Johannes Lackmann (links) Quelle: Volker Stephan |
Das findet
der Paderborner Wind- und Solarpionier Johannes Lackmann (Westfalenwind) ungerecht. Der Ex-Präsident des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE) diskutierte nun vor Publikum binnen zwei Tagen erst mit Habeck und dann mit dessen NRW-Partei- und Ressortkollegin Mona Neubaur.
Mit unterschiedlichem Ertrag. Habecks Ankündigung des Net Meterings, also der auch rückwärts laufenden Stromzähler, ist ein kleiner Fortschritt für mehr Ökoenergie aus Bürgeranlagen. Auf einen größeren Wurf hatte Lackmann sich im eigenen Bundesland eingestellt, weil CDU und Grüne die Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen mit neuen Zuständigkeiten beschleunigen wollten. Daraus wird nichts.
Bezirksregierungen entscheiden doch nicht über Windenergie in NRWMona Neubaur bestätigte im Beisein Lackmanns während eines Politik-Forums („Mehr Mut zur Tat“) in Münster, dass die Kreise die Entscheidungshoheit über Windturbinen behalten. Eigentlich sollte dies laut Koalitionsvertrag Aufgabe der fünf Bezirksregierungen werden, damit Düsseldorf besser durchregieren kann. Neubaur erklärte auf Nachfrage unserer Redaktion, sie sei inzwischen „klüger“. Durch die Umstrukturierung hätte NRW „unnötig Zeit verloren“.
Es war vorgesehen, Fachleute aus den Kreisen und Kommunen zu den Bezirksregierungen abzuziehen. Dafür fanden sich offenbar nicht genügend Interessierte. Nun will die Landesregierung in den kommenden Jahren 60
Stellen bei den Bezirksregierungen schaffen, die die unteren Ebenen gemäß der schwarz-grünen Vorstellungen im Genehmigungsprozess „beraten“. Und Johannes Lackmann, sagte Neubaur mit einem Augenzwinkern, könne sich bei ihr melden, sollte es in Ostwestfalen-Lippe zu behördlicher Blockade kommen.
Gegenvorschlag: Freie BehördenwahlLackmann geizte weder im
ZDF noch in Münster mit unkonventionellen Vorschlägen. Ihm wäre es durchaus recht, wenn er für das Einreichen seiner Genehmigungsanträge freie Wahl bei den Behörden hätte. Da von Projektierern leicht sechsstellige Gebühren zu zahlen seien, würden Kreise es sich dann gut überlegen, Genehmigungen in die Länge zu ziehen, wenn ihnen Wettbewerb mit Windkraft-freundlicheren Ämtern drohe.
Von Habeck erntete Lackmann bei Lanz das Prädikat, einen „viel radikaleren“ Vorschlag zur Verteilung der Lasten für die Erneuerbaren-Entwicklung zu unterbreiten als der Minister selbst. Es ging um das Dauerbrenner-Thema der Netzentwicklungskosten. Dem Norden Deutschlands ist es mehr als ein Dorn im
Auge, für den Bau der Übertragungsnetze gen Süden die Verbraucher im eigenen Tarifgebiet zur Kasse bitten zu müssen.
"Radikal": Söder soll für Stromtransport aus dem Norden zahlenDer Stromtrassen-Bau sei eigentlich den südlichen Ländern Baden-Württemberg und Bayern über den Strompreis in Rechnung zu stellen, sagte Lackmann. Schließlich wollten Regierungschefs wie Bayerns Markus Söder (CSU) den günstigen Ökostrom, aber selbst keine Windenergieanlagen bauen und die Leitungen teuer unter der Erde verlaufen lassen. „Söder soll für den Stromtransport bezahlen“, so Lackmann. „Wer Windkraft in Bayern verhindert, der soll auch die Folgen spüren.“ Habeck kommentierte, dies sei „intuitiv naheliegend“. Lackmann wolle „das System umdrehen, wir wollen die Kosten gleicher aufteilen“.
Lackmann forderte zudem regulatorische Maßnahmen, Ökostrom nicht wieder in großem Maße abzuregeln. 2022 gelangten 12 Milliarden
kWh Grünstrom nicht ins Netz, auch weil an ihm immer etwa 17
Cent/kWh an fixen Abgaben haften. Flexible Netzentgelte und Umlagen dagegen würden das Abregeln des Ökostroms selbst bei niedrigsten Börsenpreisen überflüssig machen. Habeck reagierte darauf, dieses „Problem“ in diesem Jahr angehen zu wollen.
Freitag, 3.02.2023, 16:04 Uhr
© 2024 Energie & Management GmbH