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Sieben auf einen Streich: In NRW soll bis 2025 Klarheit über nötige Windkraft-Flächen herrschen, sieben Jahre früher als vom Bund gefordert. Dabei fällt eine umstrittene Abstandsregel.
Eine Erneuerbaren-Altlast ist bald Geschichte: Noch bevor die schwarz-grüne Koalition in Düsseldorf ein Jahr im Amt ist, beerdigt sie die viel kritisierte Abstandsregelung, nach der Windenergieanlagen mindestens 1.000 Meter Abstand zu Wohngebieten einhalten müssen.
Das von der CDU/FDP-Vorgängerregierung ihrerzeit als „Akzeptanz steigernde“ Maßnahme verkaufte Ausbauhemmnis fällt bereits jetzt im Zusammenhang mit der Vorgabe der Berliner Ampelkoalition, dass NRW 1,8 Prozent der Landesfläche für Windkraft auszuweisen habe.
Das Wind-an-Land-Gesetz aus der Feder des von Robert Habeck (Grüne) geführten Bundeswirtschaftsministeriums verlangt von den Ländern die Flächenfestlegung eigentlich erst bis 2032. Mit dem am 2. Juni vorgestellten Entwurf zur Änderung des Landesentwicklungsplans (LEP) will NRW der Vorgabe bereits 2025 folgen und damit sogar schneller sein als der von Berlin festgesetzte Zwischenschritt. Nach diesem sollen die Bundesländer 2027 ihre jeweiligen Fortschritte bei der Flächenausweisung nachweisen.
CDU knickt bei Abstandsregel ein, um Tempo zu machen
NRW verzichtet somit auf einen Zwischenschritt. Für Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) ist der neue Planungsrahmen dazu geeignet, den Ausbau der Windenergie in den sechs Planungsregionen „schnellstmöglich“ voranzutreiben und zugleich den „vielerorts befürchteten ungesteuerten Zuwachs“ zu vermeiden. Seine Stellvertreterin, Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne), sieht den Entwurf als Beitrag zur energiepolitischen Souveränität und Sicherung des Wohlstands künftiger Generationen.
Weil auch die Öffentlichkeit noch zu beteiligen ist, rechnet die Landesregierung damit, dass der neue LEP im Frühjahr 2024 und die ebenfalls zu ändernden Regionalpläne 2025 rechtskräftig werden. Mit einem „befristeten Steuerungsinstrument“ greift Schwarz-Grün diesem Prozess allerdings vor. Damit sollen sofort etwa 9.000 Hektar Flächen zur Verfügung stehen, das entspreche 450 Windrädern. Im kommenden Jahr seien dann in den Regionalplanentwürfen bereits die verlangten 1,8 Prozent der Landesfläche ausgewiesen, das wären 61.400 Hektar.
Dass Schwarz-Grün die 1.000-Meter-Regel nun per Federstrich erledigte, kommt überraschend. Die CDU hatte die von ihr mitgetragene und erst im Juli 2021 eingeführte Bestimmung schon in den Koalitionsverhandlungen nicht so einfach hergeben wollen – aus Gründen der Gesichtswahrung. Das öffnete der Opposition, namentlich der SPD, die Tür, um die Grünen vorzuführen. Die Sozialdemokraten hatten zuletzt einen Gesetzentwurf im Landtag zur Abschaffung der Abstandsregel eingereicht, der einem gemeinsamen Antrag von SPD und Grünen aus Oppositionszeiten fast bis aufs Wort glich. Die Grünen mussten aus Regierungsräson da noch dagegen stimmen.
Riesiges Solarprojekt durch Öffnung von Windvorrangzonen möglich
Der Erneuerbaren-Branchenverband, der LEE NRW, begrüßt, wie zu erwarten, die neuen Regierungspläne. Der Vorsitzende Hans-Josef Vogel lobte das absehbar höhere „Tempo beim Ausbau der Erneuerbaren“. Es sei, so Vogel im Gespräch mit unserer Redaktion, aber wichtig, dass die Übergangsphase in der Planänderung nicht zu Lasten der Kommunen und der Wirtschaft gehe.
„Sehr spannend“ findet der LEE-Frontmann Formulierungen der Regierung, dass Freiflächen-Solaranlagen künftig auch in Windvorrangzonen möglich sein sollen. Das eröffne die Chance auf Synergieeffekte, weil für Solarparks dann bereits der Netzanschluss über bestehende Windkraftanlagen bestehe.
Auf diese rechtliche Änderung hofft in NRW zum Beispiel „B&W Energy“. Das Unternehmen aus Heiden im Kreis Borken will entlang der Autobahn 31 im Münsterland einen dreiteiligen Solarpark errichten, der mit zusammen 178,5 MW Kapazität eines der größten Projekte bundesweit wäre. 90 Prozent der Flächen liegen aber in Windvorrangzonen, die bisher für eine Erneuerbaren-Mischnutzung tabu sind.
Solche neue „Klarheit schafft Geschwindigkeit“, sagt LEE-NRW-Vorsitzender Hans-Josef Vogel. Das Tempo sei hoch zu halten, damit aus ausgewiesenen auch bebaute Flächen werden könnten.
Das von Ina Scharrenbach (CDU) geführte Bauministerium schob am 7. Juni noch die Novelle der Landesbauordnung nach. Der LEE NRW lobte auch diese wegen ihrer Erleichterungen für die Bereiche Wärme, Wind- und Solarkraft. So gilt die Pflicht, öffentliche Gebäude mit Solarmodulen auszustatten, ab 2024, für Neubauten im Privatbereich sind sie ab 2025 obligatorisch.
Mittwoch, 7.06.2023, 14:19 Uhr
Volker Stephan
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