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Der Übertragungsnetzbetreiber Tennet diskutierte mit anderen Akteuren, was noch fehlt, damit flexible kleine Energieproduzenten und -verbraucher das Stromnetz entlasten können.
In einem Webinar erläuterte Axel Kießling, Leiter für digitale Transformation des Übertragungsnetzbetreibers Tennet, dass künftig auch kleine Produzenten und Verbraucher von Strom (Prosumer) eine wichtige Rolle in der sicheren Stromversorgung bekämen. Die Prosumer sollen über Aggregatoren die Chance bekommen, ihre Flexibilitäten an Netzbetreiber zur Verfügung zu stellen. „Mit dem Abschied der konventionellen Kraftwerke aus der Erzeugung verstärkt sich der Druck, jede Kilowattstunde erneuerbar erzeugter Energie zu nutzen und nicht abzuregeln“, mahnte er.
Wenn Prosumer ihren Strom von der Solaranlage auf dem Dach und die Batterie im Keller mit dem netzdienlichen Betrieb der Wärmepumpe und dem Laden des Eletroautos koppeln, könnte viel mehr erneuerbare Energie genutzt werden, anstatt sie wegen Netzüberlastung abzuregeln. „Dafür fehlt im Moment noch der politische Rahmen“, stellte Kießling zugleich fest.
Im unteren Stromnetz fehle auch noch die intelligente Technik, um die Stromflüsse zu erfassen und zu steuern. Damit könnten Prosumer auch keine attraktiven Tarife für solche Anwendungen bekommen. „Der Redispatch 2.0 spricht erst einmal alle Leistungen über 100 kW an, für die kleineren Prosumer gibt es noch kein Modell“, bedauerte Kießling.
Elektrauto als Speicher und flexibler Verbraucher
Marcus Fendt, CSO von The Mobility House, sieht die Aufgabe ebenfalls bei der Politik. Sein Unternehmen wolle Automobilwelt und Energiewelt verbinden über Ladesäulen und Technologie, die intelligentes und netzdienliches Laden ermöglichen. „Der Hochlauf der E-Mobilität geht jetzt los, 2030 haben wir mindestens 10 Mio. E-Autos in Deutschland“, sagte Fendt.
Wenn diese netzdienlich laden, also wenn viel Strom im Netz ist, und vielleicht sogar aus ihren Batterien zurückspeisen bei Strommangel, „hätten wir Flexibilitätspotenziale von mehr als dem Zehnfachen der heutigen Pumpspeicherkapazität im Netz“, umriss er.
Wärmepumpen und Batterien fernsteuern
Hans Schermeyer, Product Owner Energy Services bei Viessmann Climate Solutions, erläuterte, dass sie heute schon spezielle Tarife für Kunden von Wärmepumpen anböten. Auch eine Flatrate in Verbindung mit einer Batterie oder ein vom Verteilnetzbetreiber schaltbarer Tarif sei möglich, der die zeitweise Abregelung in eine Preisersparnis für den Kunden übersetzt.
Das setze allerdings Smart-Meter-Technik voraus. Laut Schermeyer wäre es so möglich, bis zu 6.000 MW im Regelenergiemarkt zu handeln. Es bleibe nur die Frage, ab welchem Gewinn die Kunden mitmachen würden.
Selbstversorgung von Regionen entlastet Netze
Die Nutzung von Kleinstflexibilitäten im Netz könne statt heute 36 % künftig bis zu 60 % Eigenversorgung von bayrischen Gemeinden bringen, zitierte Andreas Kießling, Leiter Politik beim Bayernwerk aus der Studie „Flower Power“ von 2019. „Es spart Netzausbau ohne Komfortverlust für die Kunden, wenn vor Ort produzierte Energie verstärkt vor Ort verbraucht, gespeichert und gehandelt wird“, sagte er. Digitale und intelligente Vernetzung sei aber eine Voraussetzung dafür.
Dies könne durch die hoch automatisierte Netzleitstelle des Bayernwerks flexibel gemanagt werden. Heute dagegen nähmen aufgrund fehlender zeitlicher Synchronisierung von Lasten und Einspeisungen die Netzbelastungen in vielen Landkreisen stark zu. Der Gesetzentwurf zur Spitzenglättung wäre ein Weg zur vorläufigen Netzentlastung gewesen, sei aber leider zurückgezogen worden. „Noch ist keine andere Lösung in Sicht, sie muss aber schnell kommen“, appellierte er.
Verbraucherschutz für Prosumer sichern
Holger Schneidewindt, nahm für die Verbraucherzentrale NRW am Webinar teil. Er lobte die EU, die mit dem Clean Energy Package die Prosumer schon im Visier habe. Mit einem Demand-Side-Code wolle die Europäische Kommission auch technisch die Voraussetzungen schaffen. Deutschland habe im Namen der ÜNB die regionalen Redispatch-Märkte erst einmal abgelehnt, bedauerte er.
„Heute sparen Inhaber von Solaranlagen auch schon genug mit der eigenen Anlage, sie brauchen also einen zusätzlichen Anreiz, sich dem Netz zur Verfügung zu stellen“, mahnte Schneidewindt. Die Frage ist, ob die Integration über Zuckerbrot oder Peitsche passiere. Wegen der teuren Hardware sei es wichtig, die Verbraucher vor Verlusten zu schützen und ihnen sichere Verträge ohne Fallstricke anzubieten. Der schleppende Smart Meter Rollout mache es derzeit auch technisch unmöglich, Flexibilitäten anzubieten und zu vermarkten, bedauerte er abschließend.
Donnerstag, 11.03.2021, 15:05 Uhr
Susanne Harmsen
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