Quelle: E&M / Susanne Harmsen
Das Bundeskabinett hat die ab Januar 2023 geplanten Gas- und Strompreisbremsen beschlossen. Fürs Inkrafttreten müssen Bundestag und Bundesrat die Gesetze noch im Dezember verabschieden.
Das Bundeswirtschaftsministerium hat die Gesetzentwürfe zu den Entlastungen für Energiekunden bei Strom-, Erdgas- und Wärmepreisen durchs Kabinett gebracht.
Mit den milliardenschweren Preisbremsen reagiert die Bundesregierung auf stark gestiegene Energiepreise. Sie sollen Belastungen für Haushalte und Unternehmen abfedern. Vorgesehen ist, dass Strom-, Gas- und Wärmpreise für einen Anteil des Verbrauchs begrenzt werden. Die Preisbremsen werden aus dem Abwehrschirm mit einem Gesamtvolumen von 200 Milliarden Euro finanziert.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte: „Wir deckeln den Preis für Energie, damit Bürgerinnen und Bürger mit den neuen Preisen und mit den Herausforderungen zurechtkommen können“. Bei der Gaspreisbremse sollen Haushalte sowie kleine und mittlere Unternehmen für 80 Prozent ihres bisherigen Verbrauchs einen Gas-Bruttopreis von 12 Cent/kWh garantiert bekommen. Für Wärmekunden soll der Preis bis zur 80-Prozent-Grenze 9,5 Cent/kWh betragen. Beim Strom wird der Bruttopreis auf 40 Cent/kWh gedeckelt. Für die restlichen 20 Prozent des Verbrauchs soll der Vertragspreis gelten und somit Energiesparen angereizt werden.
Industrie-Entlastungen nur bis 70 Prozent des Vorjahresverbrauchs
Für Industriekunden wird der Preis lediglich für 70 Prozent des Jahresverbrauchs von 2021 gedeckelt, auf 7 Cent/kWh netto. Bei Wärme liegt er bei 7,5 Cent/kWh netto, für Strom bei 13 Cent/kWh. Die Entlastungen sind bis April 2024 befristet und sollen ab März 2023 greifen. Bürger und Unternehmen sollen aber rückwirkend auch für Januar und Februar entlastet werden, indem im März die Vergünstigungen für die beiden vorherigen Monate mit angerechnet werden. Eine frühere Umsetzung war für die Versorger technisch nicht zu realisieren, weil sie jetzt Millionen Rechnungen ausstellen und verschicken müssen.
Die Strompreisbremse soll teilweise über eine Abschöpfung sogenannter Zufallsgewinne finanziert werden. Das betrifft Stromproduzenten, die von hohen Preisen an der Börse profitiert haben aufgrund des Ukrainekrieges. Die Abschöpfung von Erlösen soll laut Kabinettsbeschluss erst zum 1. Dezember 2022 beginnen und nicht wie zuvor geplant bereits rückwirkend zum 1. September. Lob für die Preisbremsen gab es unter anderem vom Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA) und vom Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH).
Noch viele Kritikpunkte der Energieunternehmen
In einer ersten Reaktion auf die Gesetzentwürfe erklärte BDEW-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae: „Damit die Entlastungen auch wirklich bei den Menschen ankommen, müssen die Gas-, Wärme- und die Strompreisbremse aber auch schnell und unkompliziert umsetzbar sein.“ Dies sei insbesondere bei der Strompreisbremse noch sehr fraglich. Sie sei an vielen Stellen zu komplex, zu unklar und zu bürokratisch.
Der Regierungsentwurf enthalte Verbesserungen zum Referentenentwurf. So sei die Mehrerlösabschöpfung jetzt zeitlich enger begrenzt vom 1. Dezember 2022 bis zum 30. Juni 2023. Sie könne höchstens bis 30. April 2024 verlängert werden. In den Regelungen zum Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sei „völlig unverständlich“, dass die dringend erforderliche Anhebung der Höchstwerte in den Ausschreibungen für EEG-Anlagen wieder aus dem Gesetzentwurf gestrichen wurde. Schließlich seien Kapital- und Materialkosten gestiegen und zu den alten Preisen kein Ausbau möglich, appellierte Andreae.
KWK und Biomasse nicht benachteiligen
Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU), nannte die Preisbremsen richtig. Er begrüßte, dass die Benachteiligung von Stadtwerken bei den Preisbremsen aufgehoben wurde. „Wie von uns gefordert, bleiben nun ausschließlich Entnahmestellen, die der Erzeugung oder Umwandlung von Energie dienen, von der Entlastung durch die Preisbremsen ausgenommen“, sagte Liebing.
In zwei anderen zentralen Punkten bliebe aber die Kritik des VKU bestehen. So dürften die vermiedenen Netznutzungsentgelte nicht einfach ersatzlos entfallen. Ohne diese Entgelte für dezentrale Einspeisung sei die Kalkulationsbasis zahlreicher kommunaler Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK) und damit ihr Weiterbetrieb gefährdet. „Wir bauen auf die parlamentarischen Beratungen, diese Fehlsteuerung zu korrigieren“, hoffte Liebing.
Allerdings müssten Betreiber von Anlagen weiterhin aufgrund von zu niedrig angesetzten Referenzkosten und Sicherheitszuschlägen eine Abschöpfung befürchten, selbst dann, wenn sie gar keine besonders hohen Gewinne erzielen. Das könnte vor allem die Biomasse- und Altholzanlagen betreffen, die mit massiven Kostensteigerungen zu kämpfen haben. „Wir fordern deshalb KWK, Biomasse, Abfall, Klärschlamm- beziehungsweise Klärgas, Grubengas und veredelte Braunkohleprodukte von der Erlösabschöpfung zu befreien“, sagte Liebing abschließend.
Montag, 28.11.2022, 16:01 Uhr
Susanne Harmsen
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