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Die deutsche Gaswirtschaft hatte sich auf einen Ausbau der LNG-Exportkapazitäten in den USA verlassen. Das Moratorium der US-Regierung weckt Befürchtungen.
In den USA ist von einer „vorübergehenden Pause“ die Rede, in Deutschland breitet sich Alarmstimmung aus. „Den angekündigten Stopp der Genehmigung neuer LNG-Terminals sehen wir äußerst kritisch“, sagt Timm Kehler. Der Vorstand des Branchenverbandes Zukunft Gas sieht zusätzliche Mengen an LNG aus Amerika als entscheidend für die europäischen Energiesicherheit an. „Die US-Lieferungen sind weiterhin essenziell, um die EU aus der Umklammerung russischer Energieabhängigkeit zu befreien.“
Negativ, so Kehler, wirkten sich vor allem die Unsicherheiten auf den Markt aus, die sich aus diesen Berichten ergeben. „Sie treiben die Energiepreisschere zwischen USA und Europa weiter auseinander und verschlechtern hierzulande die Standortbedingungen.“
Am 26. Februar hatte das Weiße Haus bekannt gegeben, dass es eine Pause bei “anstehenden Entscheidungen über die Ausfuhr von verflüssigtem Erdgas geben wird. Betroffen sind laut Mitteilung Staaten, mit denen es kein Freihandelsabkommen gibt.
Bestehende Genehmigungen nicht betroffen
Nach dem Willen der Biden-Regierung soll das Energieministerium die Wirtschafts- und Umweltanalysen aktualisieren, die den Exportgenehmigungen zugrunde liegen. Die Analysen seien etwa fünf Jahre alt. „Heute wissen wir mehr über den Marktbedarf an LNG, die langfristige Versorgung mit LNG und die gefährlichen Auswirkungen von Methan auf unseren Planeten“, heißt es auf der Website des Weißen Hauses. Eine unmissverständliche Ansage an Joe Bidens voraussichtlichen Gegner im Wahlkampf – Donald Trump nimmt den Klimawandel bekanntlich nicht ernst. „Wir werden ein bisschen mehr Grundstücke am Strand haben“, brachte dieser seine Sichtweise einmal auf den Punkt.
Die Entscheidung im Weißen Haus zielt dem Vernehmen nach auf anderthalb Dutzend geplante Terminals. Darunter ein Projekt des LNG-Unternehmens Venture Global im Golf von Mexico. Der staatliche deutsche Energieversorger Sefe (Securing Energy for Europe), Nachfolger von Gazprom Germania, und der Konzern EnBW haben Lieferverträge mit Venture Gobal. Bereits erteilte Exportgenehmigungen bleiben bestehen. „Durch die bestehende LNG-Produktions- und Exportinfrastruktur haben die USA ihre Verbündeten mit LNG versorgt und werden dies auch weiterhin tun“, so die Biden-Administration.
„Das von der US-Regierung einseitig beschlossene Moratorium betrifft uns als Unternehmen und generell die Stabilität und Versorgungssicherheit der europäischen Energiemärkte“, sagte Sefe dem Handelsblatt. Gemeinsam mit Partnern in den USA werde man nun die Folgen der Entscheidung bewerten.
Branchenverband: Diversifikation vorantreiben
Zukunft Gas spricht sich angesichts des Schwenks der US-Regierung in Wahlkampfzeiten dafür aus, „die Diversifikation der Gasbezüge durch die Entwicklung weiterer strategischer Lieferanten voranzutreiben“. Kehler: „Wir sollten mittlerweile gelernt haben: Eine zu dominante Position eines einzelnen Exporteurs macht Deutschlands Energieversorgung verwundbar.“
Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben des Verbandes in der Zeit von Januar bis September 30.082 bcm Erdgas (Millarden Kubikmeter) aus den USA in die EU importiert. Das entspricht etwa 12,1 Prozent der EU-Gasimporte. 2022 seien es im gesamten Jahr 38.407 bcm gewesen – rund 11,4 Prozent der EU-Gasimporte. Für das laufende Jahr rechnet der Verband je nach Temperatur und konjunktureller Entwicklung mit einem LNG-Importvolumen von 45 bis 50 bcm.
Die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch begrüßt die Entscheidung gegen vermehrte Gasexporte. „US-Präsident Biden setzt ein klares Signal gegen fossiles Gas. Deutschland und die EU müssen einen realistischen Blick auf die sich verändernde globale Energielandschaft werfen, in der die Entscheidung der letzten Weltklimakonferenz zur Abkehr von fossilen Brennstoffen bereits Wirkung zeigt“,so Petter Lydén, Experte für Klimapolitik bei Germanwatch.
Montag, 29.01.2024, 17:07 Uhr
Manfred Fischer
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