Gut, nur die La-Ola-Welle bleibt aus, als der grüne Vizekanzler Robert Habeck im großen Saal der Husum Wind eintrifft. Für den Schirmherrn der Windmesse braust aber Applaus auf, er wird freudig umringt. Die Repräsentanten der Erneuerbaren-Branche und ihrer Unternehmen verehren ihn, sehen ihn als ihren größten Verbündeten. Kein Zweifel, ein Heimspiel an diesem 12.
September. Mit seinem Nachfolger und Parteifreund als Schleswig-Holsteins Energiewendeminister, Tobias Goldschmidt, spricht er so herzlich wie mit Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies von der SPD. Tobias und Olaf.
Der Unterschied zur Husum Wind 2021 könnte größer kaum sein: Habecks Vorgänger von der CDU, Peter Altmaier, war formal ebenso Schirmherr, aber auch geografisch so weit weg wie seine Staatssekretäre, wohingegen Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) Flagge zeigt. Altmaier, Erfinder der damaligen „Strompreisbremse“, er hätte seinerzeit mit Sicherheit einen frostigen Empfang bekommen, der Bundesverband Windenergie kritisierte ihn in Husum als Kleinredner der Erneuerbaren.
Gegen Habeck werden hier keine Vorwürfe laut, steht er doch für die Förderung der Windkraft, die Beseitigung vieler Hemmnisse, die Erhöhung der Subventionen für Ökostrom und den gestützten Aufbau einer heimischen Wertschöpfungskette.
Die darauf abzielende Reformflut ist noch im Gang, Habeck vermag die Novellen gar nicht mehr genau zu zählen und so spricht er darüber, wie es damit weitergeht.
Zunächst trifft er den Nerv der Zuhörer, indem er die Husum Wind „das schlagende Herz der Energiewende“ nennt. Habeck sieht die deutsche Energiewende „an der Wasserscheide“ und „auf der Hälfte des Weges“. Der Zubau sei dynamisch geworden, allerdings bei Onshore-Wind zu wenig, während PV die Etappenziele übertrifft. Er spricht von 1.500
MW Wind an Land im ersten Halbjahr nach 2.500
MW im gesamten vergangenen Jahr. Da könne man nur „hoffen, dass es sich nicht linear (weiter)entwickelt“. Das ist ihm zu wenig, aber 11.000
MW Land-Windleistung seien derzeit in der Genehmigung: „Wenn wir es schaffen, das loszueisen bis zur nächsten Messe, dann haben wir es geschafft.“ Seiner Theorie zufolge beschleunigt sich der Zubau bei einer bestimmten Masse von selbst. Bei PV sei es so weit.
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In der Mitte Robert Habeck (Grüne, Vizekanzler) als Schirmherr der Husum Wind 2023 kurz vor seiner Eröffnungsrede, umringt von Branchenvertretern: Links von ihm ist Simone Peter zu erkennen (Präsidentin Bundesverband Erneuerbare Energie, BEE), rechts von ihm Ralf Hendricks (Vizepräsident Bundesverband Windenergie, BWE) und Jochen Eickholt (Siemens-Gamesa-Chef), dahinter Olaf Lies (SPD, Wirtschaftsminister Niedersachsen) und Bärbel Heidebroek (BWE-Präsidentin) Quelle: E&M/Georg Eble |
Der Minister streift dann Gesetzesvorhaben, die die Bundespolitik im Herbst beschäftigen werden: Bei „Nutzen statt Abregeln“ habe die kabinetts- und koalitionsinterne Abstimmung „noch nicht geklappt“, bedauert Habeck. Wenn es zu langsam geht, dann wurde er von der FDP, dem SPD-Kanzler oder einer Allianz von Union und Medien ausgebremst, das hört man hier oft. Ihm schwebt die Nutzung von Grünstrom, der bisher wegen Netzüberlastung abgeregelt werden muss, zur Wasserstoffherstellung vor.
In Endabstimmung befinde sich, so Habeck weiter, das neue Immissionsschutzrecht. Dann müssen die Genehmigungsbehörden künftig in bestimmten Fristen über Anträge etwa zum Bau von Windenergieanlagen befinden, sonst gelten diese als genehmigt.
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Beim Messerundgang auf der Husum Wind (v.l.): Robert Habeck, Landesminister Olaf Lies und der Chef des grünen Energiepark-Unternehmens Alterric aus dem niedersächsischen Aurich, Frank May Quelle: E&M/Georg Eble |
Er nehme allerdings auch einen Wandel bei bisher zurückhaltenderen Parteien wahr: „In Bayern wird gerade 10H geschleift“, meint Habeck zum teilweisen Zurückfahren der restriktivsten Regelung, wonach in Bayern Windenergieanlagen den zehnfachen Abstand ihrer Höhe zu Siedlungen einhalten müssen. Aus seiner Sicht sichern sich Landräte und Rathauschefs heute auch nicht mehr die Wiederwahl mit dem Versprechen, Erneuerbaren-Projekte zu verhindern.
Gespräche über StaatsgarantienDerzeit führe sein Ministerium konkrete Gespräche mit der Windindustrie darüber, wie die Förderung einer heimischen Wertschöpfungskette aussehen solle. Habeck schließt Zuschüsse wie für die EU-Stahl- und Chipindustrie aus. Die Gespräche drehten sich vielmehr um Bürgschaften und Abnahmegarantien. Sie sollten die heimische Windindustrie zwei bis vier Jahre über die „Durststrecke“ bringen und den „Vorlauf der Produktion sicherstellen“, bevor die Auftragseingänge steigen.
Die Garantierichtlinien nach der Einigung mit der Industrie erwartet Habeck „innerhalb vom Herbst“. Dann müsse der Förderrahmen noch koalitionsintern und mit Brüssel abgestimmt werden. Das sei zwar „so fusselig wie Transportgenehmigungen“, witzelt Habeck mit Blick auf Schwerlasttransporte von Windtürmen oder Rotorblättern, aber auch schlicht „politisches Handwerk“. Ende des Jahres steht der Rechtsrahmen, hofft er.
Und um ebendiese Transportgenehmigungen zu beschleunigen und zu flexibilisieren, kündigt Habeck in den Gesprächen mit seinem Verkehrskollegen Volker Wissing (FDP) schlankere Anforderungen an. Es genüge beispielsweise die Begleitung durch Sicherheitsdienste statt der Polizei.
In puncto gestütztem Aufbau einer heimischen Wertschöpfungskette verkündet Habeck an jenem 12.
September etwas wirklich Neues: Nicht nur für den Werftstandort Rostock-Warnemünde habe sich ein Konsortium gebildet, das Konverter für die Offshore-Windanbindung und Höchstspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) bauen will, sondern auch für Bremerhaven. Bisher gebe es in Spanien das einzige Werk in der EU; die meisten Stationen kommen derzeit aus Ostasien.
Habeck äußert sich optimistisch, dass er von seinem Verteidigungskollegen Boris Pistorius (SPD) noch gewisse Flächen auf einer Marinewerft in Rostock erhält, die die Bundeswehr bisher blockiert. Für eine heimische Produktion dieser Teile der kritischen Infrastruktur sprächen neben industriepolitischen sicherheitspolitische Aspekte.
Einen Tag später wird sich Habeck nach der Nationalen Maritimen Konferenz in Bremen ähnlich äußern: „Es muss so kommen. Und die Bundesregierung, mein Haus, ich persönlich, ich werde alles dafür tun, dass es auch gelingt.“
Zur Husum Wind in Schleswig-Holstein sind vom 12. bis zum Mittag des 15. September laut der Messe Husum & Congress rund 12.000 Fachbesucher gekommen. Das waren 3.000 weniger als 2019. 2021 waren wegen Covid-Einschränkungen nur 8.500 Experten nach Husum gereist. 2023 kamen die Besucher aus 51 Ländern und verteilten sich auf fünf Messehallen oder 25.000 Quadratmeter Ausstellung. Teilweise überlappend fand die Konferenz „Industry meets Renewables“ statt. Vom 24. bis zum 27. September 2024 ist die Wind Energy Hamburg dran, vom 16. bis 19. September 2025 wieder die Husum Wind.
Mittwoch, 11.10.2023, 09:10 Uhr
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