Die Proteste vor dem Sommerfest der Deutschen Umwelthilfe. Quelle: Andreas Labes
Erneuerbaren-Streiter der ersten Stunde gehen keinem Konflikt aus dem Weg. Jetzt knöpften prominente Köpfe sich die Deutsche Umwelthilfe vor und zogen vor deren Berliner Zentrale.
Der Streit um den Kurs der Energiewende findet längst nicht mehr nur zwischen den politischen Lagern statt. Auch Ökobewegte geraten immer wieder aneinander. Die fortdauernden Gerichtsverfahren zwischen dem Nabu NRW und Erneuerbaren-Entwicklern im Spannungsfeld von Klima- und Artenvielfaltskrise sind inzwischen legendär. Der Landesverband Erneuerbare Energien NRW
hielt sogar eine Kundgebung am Sitz des Nabu in
Düsseldorf ab. Jetzt erhielt die Deutsche Umwelthilfe überraschend Besuch.
Einer illustren Schar war die Hutschnur geplatzt: einem der Erfinder des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), einem Windkraftpionier und ehemaligen Chef des Erneuerbaren-Bundesverbands (BEE) sowie dem Vorstandsvorsitzenden eines Bioenergieproduzenten. Namentlich Hans-Josef Fell, Johannes Lackmann und Claus Sauter (Verbio AG) hielten die Zeit für gekommen, der Deutschen Umwelthilfe (DUH) die Leviten zu lesen. Am Abend des 4.
Juli versammelten sie knapp vier Dutzend Protestierende um sich und zogen vor die Zentrale der DUH in Berlin.
Ihr Vorwurf: Die DUH nehme eine pauschal ablehnende Position zur Bioenergie ein. Zuletzt hatte die Umwelthilfe sich kritisch zu den Heizungslösungen im Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) geäußert. Speziell dazu, dass neue Gasheizungen perspektivisch auch mit Biomethan betrieben werden dürfen. Dies sei „ein knappes und teures Gut, dessen Herstellung Natur und Klima stark belastet“. Stattdessen forderte der Verein die Bundesregierung zu einem Paradigmenwechsel auf, „der die energetische Nutzung von Biomasse insgesamt deutlich reduziert und stärker auf unvermeidlich anfallende Abfall- und Reststoffe verlegt“.
DUH-Bundesgeschäftsführer wundert sich über ProtestDer Zeitpunkt für den Protestzug war strategisch gewählt. Am Abend begrüßte die DUH etwa 400 Gäste zum jährlichen Sommerfest am Hackeschen Markt. Die Demonstrierenden bildeten somit mit Strohballen, Roggensäcken und Transparenten ein Spalier für die Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Verbänden.
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Vor der Feier einen Flyer: Die DUH erwartete zum Sommerfest ein Begrüßungskomitee der Bioenergie-Lobby Quelle: Andreas Labes |
„Ich kann mich dem Dialog leider nicht stellen, weil ich mich um unsere Gäste kümmern muss“, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner im Gespräch mit unserer Redaktion. Immerhin spendierte die Umwelthilfe den Protestierenden eine Runde Getränke.
Grundsätzlich wundere er sich über die Kundgebung vor der Bundeszentrale, so Müller-Kraenner. Denn erstens betone die DUH regelmäßig, dass sie „bestimmte Formen“ von Bioenergie in einer wichtigen Rolle im Energiemix sehe. Zweitens habe die Umwelthilfe sich gerade mit Johannes Lackmann wiederholt ausführlich zum Thema ausgetauscht. Dabei bleibe letztlich streitig, wie viel Bioenergie unter den Aspekten Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Anbau von Lebensmitteln zielführend sei.
Die Demonstrierenden betonten derweil die Unterschiede und ihre Kritik an der DUH-Haltung. Es sei ihm „völlig schleierhaft“, teilte Initiator Johannes Lackmann mit, „wie die DUH die deutschen Klimaziele ohne Bioenergie zu tragbaren Kosten erreichen will“. Der Paderborner Unternehmensgründer („Westfalenwind“) ist langjähriger Windenergie-Entwickler, LEE-NRW-Mitglied und war einst Präsident des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE). Mitstreiter Hans-Josef Fell, bis 2013 für die Grünen im Bundestag, sieht Bioenergie als „gespeicherte Sonnenenergie, sie steht jederzeit zur Verfügung und ist damit systemrelevant“.
Behinderung von Energiewende und KlimaschutzDie Protestierenden verweisen auf Zahlen des Umweltbundesamts (UBA), nach denen Bioenergie unter den Erneuerbaren mit 52
Prozent im Jahr 2022 den Löwenanteil am Endenergieverbrauch stellte. Doppelt so viel wie Windenergie. „Mit regenerativem Pflanzenanbau entzieht sie sogar dauerhaft CO2 der Atmosphäre, womit Bioenergie ein unverzichtbarer Beitrag zum Klimaschutz wird“, so Fell. Lackmann betonte, keine Konkurrenz zum Lebensmittelanbau aufbauen zu wollen. Wichtig seien zudem klare Leitplanken für Nachhaltigkeit. „Aber wer die vorhandenen Potenziale der Bioenergie ausgrenzt, behindert aktiv die Energiewende und den Klimaschutz“, so der Ostwestfale.
Die DUH ist immer mal wieder Zielscheibe der Kritik. Fast-Kanzler Armin Laschet (CDU) nannte sie einmal einen „klassischen Abmahnverein“, die Union wollte ihr gar die Gemeinnützigkeit aberkennen lassen. Dies alles noch im Zusammenhang mit Fahrverboten, die die DUH zur Reinhaltung der Luft in vielen Städten erstritt. 2019 machte die
Wirtschaftswoche einen Faktencheck und widerlegte dabei Vorwürfe, die DUH sei ein von (Unterstützer) Toyota gesteuerter Lobbyverein.
Eine Möglichkeit zum Dialog am Abend blieb übrigens ungenutzt. Auf der Einladungsliste der DUH stand laut Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner ursprünglich auch Johannes Lackmann. Ihm war aber nicht zum Feiern zumute, seine Anmeldung fürs Sommerfest ging nicht bei der DUH ein.
Dienstag, 4.07.2023, 22:28 Uhr
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