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Energie & Management > Nordrhein-Westfalen - Gestaltungsmacht für NRW-Grüne bei Energie und Wirtschaft
Quelle: Fotolia / vege
Nordrhein-Westfalen

Gestaltungsmacht für NRW-Grüne bei Energie und Wirtschaft

Die Grünen werden in der neuen NRW-Koalition tonangebend bei Wirtschaft, Energie und Umwelt. Mit der Übernahme der Kernressorts sollen Beschränkungen für Wind- und Solarprojekte fallen.
Die Grünen haben sich in den Verhandlungen mit der CDU für eine Regierungskoalition in Nordrhein-Westfalen die beiden einflussreichen Ressorts für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie sowie für Verkehr, Umwelt und Naturschutz gesichert. Damit trägt der Juniorpartner des Bündnisses in den kommenden fünf Jahren die Hauptverantwortung für den Wirtschaftsstandort.

Der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE NRW) erkennt in dem ausgehandelten Papier, das am 25. Juni den Parteitagen der CDU und der Grünen vorgelegt wird, „viel Sonne und Aufwind“ für die Branche, so Geschäftsführer Christian Mildenberger auf Anfrage unserer Redaktion. Der Verband „begrüßt es sehr“, künftig mit Mona Neubaur als designierter Energie- und Klimaschutzministerin zu tun zu haben, so Mildenberger.

1.000-m-Abstandspflicht für Windturbinen fällt schrittweise

Die Grünen-Landesvorsitzende Neubaur hat offenbar mit der liberalen Fesselungspolitik der vergangenen Legislatur aufräumen können. Die vielfach kritisierte Arbeit ihres Vorgängers und Windenergie-Bändigers Andreas Pinkwart (FDP) könne somit „in die Geschichtsbücher eingehen“, so Mildenberger. Konkret schafft Schwarz-Grün bei der Windkraft die 1000-m-Abstandsregelung zur Wohnbebauung ab.

Neubaur sagte auf einer Pressekonferenz der Koalitionäre am 23. Juni, dies werde stufenweise erfolgen – am Ende gebe es keine pauschalen Abstandsregelungen mehr. Gemäß dem ausgehandelten Papier soll es zunächst keine Abstandsvorgabe mehr beim Ersetzen alter Windenergieanlagen (Repowering) geben. Das, so Mildenberger, betreffe in der neuen Wahlperiode etwa 1.000 Turbinen, die aufgrund der Standards zum Zeitpunkt ihres Baus vor etwa 20 Jahren zusammen nur auf 1.500 MW kommen. Hier lasse sich durch neue Leistungsklassen von 5 bis 7 MW ein erheblicher Nettozubau erreichen.

Für die Windkraft fallen weitere Einschränkungen weg, die unter liberaler Führung des Energieressorts entstanden waren. Geschädigte Waldgebiete (Kalamitätsflächen) sollen komplett geöffnet werden. Die 1.000-m-Regelung soll in einem weiteren Schritt für keine seit Juli 2021 neu ausgewiesene Konzentrationszone mehr gelten. Schließlich soll die NRW-Windplanung eng mit dem Wind-an-Land-Gesetz und dem 2%-Flächenziel des Bundes verzahnt werden. Die Regierungsbezirke müssen dafür eine Regionalplanung vorlegen, die mittels einer Potenzialanalyse entsprechende Flächen ausweist. NRW soll nach den Vorgaben der Berliner Ampelkoalition 1,8 % der Landesfläche für Windkraft bereitstellen.

Trotz aller gegenteiligen Beteuerungen Pinkwarts habe die 1.000-m-Abstandsvorgabe 42 % der Potenzialflächen blockiert, sagt Christian Mildenberger vom LEE. Mit dem Koalitionspapier sei es nun möglich, die vom Branchenverband geforderten 1.000 Anlagen bis zum Ende der Wahlperiode zu errichten, selbst wenn für die Gesetzesvorhaben das Jahr 2022 noch ins Land ziehen werde.
 
 
Zu den begrüßenswerten „Mosaiksteinen“ zählt der LEE NRW auch die Ankündigung der neuen Koalition, Industrie- und Gewerbegebiete grundsätzlich für die Windenergie zu öffnen. Schließlich soll die Akzeptanz bei den Menschen in der Umgebung von Windturbinen auch dadurch wachsen, dass ihr Portmonee voller wird. Beteiligungsmöglichkeiten will Schwarz-Grün zur Pflicht machen. Die große Mehrheit seiner Branche, so Mildenberger, verstehe Bürgerbeteiligung inzwischen als Chance und nicht als Gefahr für das Geschäftsmodell.

Solarpflicht auf Neubauten und Verdopplung von Freiflächen

Im Bereich Solarenergie geht die Koalition, die Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) am 28. Juni im Amt bestätigen will, ebenfalls schrittweise vor. Eine Solarpflicht gilt zunächst vom 1. Januar 2023 an für landeseigene Gebäude, die bisher nur zu weniger als 10 % mit Modulen bestückt sind. Zu Beginn der Folgejahre kommt die Solarpflicht für Gewerbeneubauten (2024), private Neubauten (2025) und bei der Dachsanierung von privaten wie gewerblichen Immobilien (2026).

Die Solarenergie soll aber auch auf Freiflächen einen Schub erhalten. Mit der FDP hatten die Konservativen noch 150 MW an zusätzlicher Leistung pro Jahr vorgesehen. Nun sollen doppelt so viel weniger hochwertige landwirtschaftliche Areale, so genannte „benachteiligte Flächen“, zur Verfügung stehen. Pro Megawatt rechnen Experten mit einem Hektar erforderlicher Fläche, das wären also 300 ha pro Jahr. Die Landwirtschaft zwischen Rhein und Weser habe signalisiert, dies mitgehen zu können, sagt Christian Mildenberger.

Dörfer im rheinischen Braunkohlerevier sollen "stehen bleiben"

Mona Neubaur äußerte sich vorsichtig zur Zukunft der vom Braunkohle-Tagebau im rheinischen Revier bedrohten Dörfer. Mit RWE solle es „im Einvernehmen“ Gespräche geben, „so flächensparsam wie möglich“ Kohle zu fördern. Die durch den „3. Umsiedlungsabschnitt“ vor der Zerstörung stehenden Dörfer wie Lützerath sollten allerdings „stehen bleiben“, zugleich solle die „nötige weitere Auskohlung“ im Sinne des bis 2030 vereinbarten Kohleausstiegs und der Versorgungssicherheit gewährleistet sein.

Donnerstag, 23.06.2022, 15:37 Uhr
Volker Stephan
Energie & Management > Nordrhein-Westfalen - Gestaltungsmacht für NRW-Grüne bei Energie und Wirtschaft
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Nordrhein-Westfalen
Gestaltungsmacht für NRW-Grüne bei Energie und Wirtschaft
Die Grünen werden in der neuen NRW-Koalition tonangebend bei Wirtschaft, Energie und Umwelt. Mit der Übernahme der Kernressorts sollen Beschränkungen für Wind- und Solarprojekte fallen.
Die Grünen haben sich in den Verhandlungen mit der CDU für eine Regierungskoalition in Nordrhein-Westfalen die beiden einflussreichen Ressorts für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie sowie für Verkehr, Umwelt und Naturschutz gesichert. Damit trägt der Juniorpartner des Bündnisses in den kommenden fünf Jahren die Hauptverantwortung für den Wirtschaftsstandort.

Der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE NRW) erkennt in dem ausgehandelten Papier, das am 25. Juni den Parteitagen der CDU und der Grünen vorgelegt wird, „viel Sonne und Aufwind“ für die Branche, so Geschäftsführer Christian Mildenberger auf Anfrage unserer Redaktion. Der Verband „begrüßt es sehr“, künftig mit Mona Neubaur als designierter Energie- und Klimaschutzministerin zu tun zu haben, so Mildenberger.

1.000-m-Abstandspflicht für Windturbinen fällt schrittweise

Die Grünen-Landesvorsitzende Neubaur hat offenbar mit der liberalen Fesselungspolitik der vergangenen Legislatur aufräumen können. Die vielfach kritisierte Arbeit ihres Vorgängers und Windenergie-Bändigers Andreas Pinkwart (FDP) könne somit „in die Geschichtsbücher eingehen“, so Mildenberger. Konkret schafft Schwarz-Grün bei der Windkraft die 1000-m-Abstandsregelung zur Wohnbebauung ab.

Neubaur sagte auf einer Pressekonferenz der Koalitionäre am 23. Juni, dies werde stufenweise erfolgen – am Ende gebe es keine pauschalen Abstandsregelungen mehr. Gemäß dem ausgehandelten Papier soll es zunächst keine Abstandsvorgabe mehr beim Ersetzen alter Windenergieanlagen (Repowering) geben. Das, so Mildenberger, betreffe in der neuen Wahlperiode etwa 1.000 Turbinen, die aufgrund der Standards zum Zeitpunkt ihres Baus vor etwa 20 Jahren zusammen nur auf 1.500 MW kommen. Hier lasse sich durch neue Leistungsklassen von 5 bis 7 MW ein erheblicher Nettozubau erreichen.

Für die Windkraft fallen weitere Einschränkungen weg, die unter liberaler Führung des Energieressorts entstanden waren. Geschädigte Waldgebiete (Kalamitätsflächen) sollen komplett geöffnet werden. Die 1.000-m-Regelung soll in einem weiteren Schritt für keine seit Juli 2021 neu ausgewiesene Konzentrationszone mehr gelten. Schließlich soll die NRW-Windplanung eng mit dem Wind-an-Land-Gesetz und dem 2%-Flächenziel des Bundes verzahnt werden. Die Regierungsbezirke müssen dafür eine Regionalplanung vorlegen, die mittels einer Potenzialanalyse entsprechende Flächen ausweist. NRW soll nach den Vorgaben der Berliner Ampelkoalition 1,8 % der Landesfläche für Windkraft bereitstellen.

Trotz aller gegenteiligen Beteuerungen Pinkwarts habe die 1.000-m-Abstandsvorgabe 42 % der Potenzialflächen blockiert, sagt Christian Mildenberger vom LEE. Mit dem Koalitionspapier sei es nun möglich, die vom Branchenverband geforderten 1.000 Anlagen bis zum Ende der Wahlperiode zu errichten, selbst wenn für die Gesetzesvorhaben das Jahr 2022 noch ins Land ziehen werde.
 
 
Zu den begrüßenswerten „Mosaiksteinen“ zählt der LEE NRW auch die Ankündigung der neuen Koalition, Industrie- und Gewerbegebiete grundsätzlich für die Windenergie zu öffnen. Schließlich soll die Akzeptanz bei den Menschen in der Umgebung von Windturbinen auch dadurch wachsen, dass ihr Portmonee voller wird. Beteiligungsmöglichkeiten will Schwarz-Grün zur Pflicht machen. Die große Mehrheit seiner Branche, so Mildenberger, verstehe Bürgerbeteiligung inzwischen als Chance und nicht als Gefahr für das Geschäftsmodell.

Solarpflicht auf Neubauten und Verdopplung von Freiflächen

Im Bereich Solarenergie geht die Koalition, die Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) am 28. Juni im Amt bestätigen will, ebenfalls schrittweise vor. Eine Solarpflicht gilt zunächst vom 1. Januar 2023 an für landeseigene Gebäude, die bisher nur zu weniger als 10 % mit Modulen bestückt sind. Zu Beginn der Folgejahre kommt die Solarpflicht für Gewerbeneubauten (2024), private Neubauten (2025) und bei der Dachsanierung von privaten wie gewerblichen Immobilien (2026).

Die Solarenergie soll aber auch auf Freiflächen einen Schub erhalten. Mit der FDP hatten die Konservativen noch 150 MW an zusätzlicher Leistung pro Jahr vorgesehen. Nun sollen doppelt so viel weniger hochwertige landwirtschaftliche Areale, so genannte „benachteiligte Flächen“, zur Verfügung stehen. Pro Megawatt rechnen Experten mit einem Hektar erforderlicher Fläche, das wären also 300 ha pro Jahr. Die Landwirtschaft zwischen Rhein und Weser habe signalisiert, dies mitgehen zu können, sagt Christian Mildenberger.

Dörfer im rheinischen Braunkohlerevier sollen "stehen bleiben"

Mona Neubaur äußerte sich vorsichtig zur Zukunft der vom Braunkohle-Tagebau im rheinischen Revier bedrohten Dörfer. Mit RWE solle es „im Einvernehmen“ Gespräche geben, „so flächensparsam wie möglich“ Kohle zu fördern. Die durch den „3. Umsiedlungsabschnitt“ vor der Zerstörung stehenden Dörfer wie Lützerath sollten allerdings „stehen bleiben“, zugleich solle die „nötige weitere Auskohlung“ im Sinne des bis 2030 vereinbarten Kohleausstiegs und der Versorgungssicherheit gewährleistet sein.

Donnerstag, 23.06.2022, 15:37 Uhr
Volker Stephan

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