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Das EEG-Fördersystem braucht stetig mehr Geld. Ein Übertragungsnetzbetreiber sagt jetzt das Doppelte des Budget-Ansatzes voraus. Die FDP verschärft ihre Kritik an dem System aber nicht.
Das EEG-Fördersystem scheint im Zeichen sinkender Strom-Großhandelspreise ein Fass ohne Boden zu sein: Im September 2023 hatten die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) einen Zuschussbedarf für die geförderte Einspeisung von Ökostrom von 10,6
Milliarden Euro vorhergesagt, der dann auch im Klima- und Transformationsfonds (KTF) des Bundes budgetiert wurde. Die ÜNB verwalten das EEG-Konto treuhänderisch, auf dem die von ihnen organisierten Vermarktungserlöse geförderten Ökostroms eingehen und die Förderzahlungen abgehen. Schon im Januar 2024 sprachen sie von 7,8
Milliarden Euro Mehrbedarf.
Der Budgetansatz, der eigentlich das ganze Jahr über halten sollte, ist schon seit Ende Mai fast aufgebraucht. 8,65 der 10,6
Milliarden Euro hat der KTF bis dahin auf das EEG-Konto überwiesen. Allein im Mai wurde mit 3,36
Milliarden Euro der zweithöchste Monatszuschuss des Bundes in der Geschichte des EEG überwiesen (wir berichteten). Es hätte auch 1
Milliarde weniger getan, um das Konto im Guthaben zu halten, doch die sonnigen Sommermonate kommen erst noch, in denen die mittlerweile 5,7 Millionen Photovoltaikanlagen in Deutschland in ihren Spitzenstunden die Großhandelspreise senken, aber in der Masse die gleiche Einspeiseförderung bekommen wie sonst auch.
Die Aussagen des Amprion-ChefsKürzlich hat Hans-Jürgen Brick, Chef des ÜNB Amprion, zweimal öffentlich eine neue Prognose zum Finanzierungsbedarf aufgemacht: Es würden „voraussichtlich“ 20
Milliarden Euro benötigt, bestätigte seine Pressestelle. Er begründete seine Vorhersage mit den häufiger auftretenden negativen Großhandels-Preisen. Währenddessen müssen ÜNB noch dafür zahlen, dass jemand den von ihnen pflichtvermarkteten Ökostrom abnimmt, und die Einspeiseförderung zusätzlich ausbezahlen. Dies gilt nur nicht bei geförderten Anlagen ab 100
kW. Sie erhalten in Vier-Stunden-Abschnitten mit negativen Preisen keine Marktprämie.
Die Prognose Bricks übersteigt jene, die das Wirtschaftsministerium (BMWK) zwischenzeitlich dem Vernehmen nach hat verlauten lassen, um 1
Milliarde Euro.
Das sagt die FDPIm Januar, nachdem die ÜNB nachgefordert hatten, hatte der energiepolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Kruse, in der
FAZ gar von „in Richtung 30
Milliarden Euro“ Zuschussbedarf gesprochen. Von dieser Redaktion danach gefragt, ob die Fraktion, die innerhalb der Ampel dem EEG-Fördersystem am distanziertesten gegenübersteht, jetzt im Juni den Ton verschärfe, verneinte die Pressestelle. Der Ton sei seit dem Januar stets scharf genug gewesen. Die Koalition mag sich über vieles öffentlich streiten − das EEG-Fördersystem gehört nicht dazu.
Kruse forderte gegenüber unserer Redaktion: „Die dramatische Übersubventionierung muss dringend abgebaut werden, weil sie Milliardenkosten für die Steuerzahler schafft, denen ein sinkender Nutzen gegenübersteht.“
Als Sofortmaßnahme soll nach den Vorstellungen der Freidemokraten die Förderung bereits von der ersten Stunde mit negativem Strompreis entfallen. In einem weiteren Schritt müssten die 20
Jahre Abnahmegarantie abgeschafft werden. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) solle auch einen Gesetzentwurf auf den Weg bringen, der bewirkt, dass Überschussstrom gespeichert wird, statt abgeregelt und trotzdem bezahlt zu werden.
Abschließend kommt doch noch Würze in die Aussage, an den grünen Koalitionspartner gewandt: „Bisher ist die Passivität von Habeck die größte Belastung für die Wirtschaft in Deutschland.“
Die Pressestelle ergänzte, wenn mehr Geld aus dem gedeckelten KTF gezogen werden müsste, würde es an anderer Stelle fehlen, etwa bei der Förderung klimaneutraler Heizungen. Ein Nachtragshaushalt sei insoweit notwendig, man höre aber vom BMWK nichts darüber.
Die anderen Ampelfraktionen reagierten bis Redaktionsschluss nicht auf eine Anfrage. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte mehrmals den Passus im Koalitionsvertrag bekräftigt, wonach die Erneuerbaren mit dem bevorstehenden nationalen Kohleausstieg nicht mehr gefördert werden müssten und dürften. Dieser ist „möglichst“ für 2030 und spätestens für 2038 vorgesehen.
Von Gutachten über Brief zu mündlicher AussageDas Verhalten der ÜNB ist auch regulatorisch interessant: Jedes Jahr zum 1.
Oktober müssen sie in einem regulierten Verfahren den EEG-Zuschussbedarf beziffern und wissenschaftlich belegen, damit er budgetiert wird, früher durch die Höhe der EEG-Umlage, jetzt im KTF. Im Januar 2024 schickten die ÜNB nur einen gemeinsamen Brief ans BMWK. Und jetzt äußert sich nur einer der ÜNB mündlich, in einer ausdrücklich nicht mit den anderen abgesprochenen Aktion. Vielleicht könnte man sich dann das Herbstgutachten ganz sparen.
Die Ampel hat die Vergütung für Teileinspeisung von Solarstrom im Februar und nochmal im Juni erhöht. Sie liegt jetzt nach Angaben des Grünenergie-Unternehmens Lichtblick bei 8,11 Ct/kWh. Volleinspeisung ohne Eigenverbrauch liegt die Einspeisevergütung bei 12,87 ct/kWh. Anlagen über 100 kW müssen in wettbewerbliche Ausschreibungen, in denen niedrigere Höchstsätze gelten.
Dabei sind die deutschen PV-Einspeisevergütungen im Europavergleich nicht einmal die höchsten. Eine solche Subventionierung gibt es aber ohnehin nur in weiteren elf europäischen Ländern.
In Irland fällt die Vergütung bei Volleinspeisern am höchsten in Europa aus: 25 Ct/kWh. Auf Zypern gibt es 20 Ct − bei 3.500 Sonnenstunden im Vergleich zu den 900 in Deutschland ein einträgliches Geschäft für die Betreiber. In Luxemburg wiken 15,06 Ct. Malta und Polen folgen bei der Einspeisevergütung mit jeweils 15 Ct.
In Österreich variiert die Vergütung je nach Anlagengröße, sie ähnelt mit bis zu 9,63 Ct dem deutschen Niveau. Liechtenstein schließt das Ranking jener Länder, die überhaupt Feed-in Tariffs haben, mit 6,1 Ct.
Mittwoch, 19.06.2024, 14:05 Uhr
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