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Energie & Management > Windkraft Onshore - Mehr Vögel fliegen am Turmfuß als auf Rotorhöhe
Quelle: Stadtwerke Husum
Windkraft Onshore

Mehr Vögel fliegen am Turmfuß als auf Rotorhöhe

Vogel-Detektionsanlagen sollen Windräder automatisch bei Kollisionsgefahr herunter- und dann wieder hochfahren. Sie dürften auch bisherige Annahmen zum Flugverhalten widerlegen.
Der Bürgerwindpark Hohenlohe und seine Tochter Bird Vision haben nach eigenen Angaben die bundesweit erste Genehmigung für ein eigenentwickeltes Vogelschutzsystem an Windenergieanlagen. Dies geht aus einer Mitteilung der GmbH und ihrer Tochter-KG vom 12. August hervor.

Vogel-Detektionsanlagen schaffen einen gewissen Ausgleich: zwischen dem Interesse der Windbranche, die die Windräder möglichst durchgehend und flächendeckend Grünstrom erzeugen lassen möchte, und dem Natur- und Artenschutz, damit bestimmte Vögel wie der Rotmilan nicht mit laufenden Rotorblättern kollidieren.

Die Anlagen erfassen vom Windrad aus diese Vögel im Anflug, fahren daraufhin die Anlage automatisch herunter und, nachdem die Tiere die Gefahrenzone verlassen haben, wieder hoch. Und zwar nur bei Vögeln und Fledermäusen, nicht bei Insekten, Käfern oder Flugzeugen. Damit machen sie erzwungene längere Abschaltungen etwa während Brutzeiten überflüssig oder ermöglichen am Ende neue Standorte für Windenergieanlagen, die bislang naturschutzrechtlich nicht genehmigungsfähig und gerichtsfest sind.

Die Systeme verschiedener Hersteller heißen "IdentiFlight", „BirdScan“, „Robin Radar“, „Bird Recorder“, „SafeWind“, „Bioseco“ und eben auch „BirdVision“. Der Bürgerwindpark Hohenlohe entwickelt Bird Vision seit 2018 mit Förderung durch das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) - Ende Juli hat er nun die Genehmigung für den Probebetrieb im nordwürttembergischen Windpark Weißbach erhalten. Dort stehen fünf Vestas V126-3.3 mit einer Nabenhöhe von 137 Metern und einem Rotordurchmesser von 126 Metern. In der Nähe nistet der Rotmilan, und das erzwingt bisher mehrtägiges Abschalten etwa während der Brutzeit und entsprechende Ertragsverluste.

Opfer des Chipmangels

Bald dürfen sich die Windräder standardmäßig weiterdrehen. Das soll noch in diesem Jahr unter Begleitung von Biologen geschehen. Bird Vision ist nur noch nicht fertig. Zwar sind die Videokameras an den Windrädern schon installiert und erprobt und eine Datenbankplattform ist im Test, doch für den Hochleistungsserver, der die Bilder archiviert, ausgibt und auswertet, gibt es wegen des Chipmangels noch keinen Liefertermin.

Neubewertung bei Fledermäusen

Die Auswertung der automatischen Kamerabilder scheint bisherige Annahmen zum Anflugverhalten von Flugtieren zu widerlegen. Die Auswertung von Infrarot-Nachtbildern von der Gondel aus statt vom Turmfuß ermögliche neuerdings ein detailliertes Monitoring im Rotorfeld, hieß es. Die Schlagopfergefahr für Fledermäuse müsse nun "grundlegend neu bewertet werden", heißt es aus der Hohenlohe. Konkret könnten die Renebat-Studien, die zu den heute üblichen Fledermaus-Abschaltalgorithmen führten, beim Kollisionsrisiko von falschen Annahmen ausgegangen sein. An den drei ebenfalls vom BMWi geförderten Studien waren bis 2016 unter anderem die Uni Erlangen-Nürnberg und der Windturbinenbauer Enercon beteiligt.
 
So nimmt die Stereokamera von Bird Vision den Flug eines Mäusebussards im Gefahrenbereich eines deutschen Windparks auf. Die orangefarbenen, mit Zeitpunkten und Entfernungen versehenen Flugbewegungen - hier 80 Sekunden - sind für die Vögel noch nicht gefährlich. Um 16.41 Uhr sieht die Kamera in 150 Metern Entfernung Rot: Alarm! Das Windrad wird dann automatisch heruntergefahren (Bilderfolge vom 29. Juli).
Quelle: Bürgerwindpark Hohenlohe GmbH

Eine weitere Erkenntnis von Bird Vision aus acht Standorten: Großvögel meiden den Gefahrenbereich laufender Anlagen in gewisser Weise. Diese Bewertung ermöglichten neue Objektive mit über 500 Metern Erfassungsradius. Mit ihnen lassen sich auch schnell vorbeifliegende Vögel wie etwa Turmfalken entdecken.

Nur unten Such- und Kreisflüge

Und: Auf Rotorhöhe fliegen "deutlich" weniger Vögel als in Bodennähe. Oben finden vor allem Streckenflüge mit kurzer Aufenthaltsdauer statt, unten Such- und Kreisflüge mit längerem Aufenthalt.

Die Probegenehmigung für Bird Vision lässt sich nicht ohne Weiteres auf andere Landkreise übertragen, auch nicht auf andere Windparks. Es gibt nur Empfehlungen des Kompetenzzentrums Naturschutz und Energiewende (KNE) zu Vogel-Detektionsanlagen, und zwar für den Wettbewerber Identiflight, aber weder Vorgaben in einschlägigen Leitfäden noch eine DIN-Norm.

Donnerstag, 12.08.2021, 15:58 Uhr
Georg Eble
Energie & Management > Windkraft Onshore - Mehr Vögel fliegen am Turmfuß als auf Rotorhöhe
Quelle: Stadtwerke Husum
Windkraft Onshore
Mehr Vögel fliegen am Turmfuß als auf Rotorhöhe
Vogel-Detektionsanlagen sollen Windräder automatisch bei Kollisionsgefahr herunter- und dann wieder hochfahren. Sie dürften auch bisherige Annahmen zum Flugverhalten widerlegen.
Der Bürgerwindpark Hohenlohe und seine Tochter Bird Vision haben nach eigenen Angaben die bundesweit erste Genehmigung für ein eigenentwickeltes Vogelschutzsystem an Windenergieanlagen. Dies geht aus einer Mitteilung der GmbH und ihrer Tochter-KG vom 12. August hervor.

Vogel-Detektionsanlagen schaffen einen gewissen Ausgleich: zwischen dem Interesse der Windbranche, die die Windräder möglichst durchgehend und flächendeckend Grünstrom erzeugen lassen möchte, und dem Natur- und Artenschutz, damit bestimmte Vögel wie der Rotmilan nicht mit laufenden Rotorblättern kollidieren.

Die Anlagen erfassen vom Windrad aus diese Vögel im Anflug, fahren daraufhin die Anlage automatisch herunter und, nachdem die Tiere die Gefahrenzone verlassen haben, wieder hoch. Und zwar nur bei Vögeln und Fledermäusen, nicht bei Insekten, Käfern oder Flugzeugen. Damit machen sie erzwungene längere Abschaltungen etwa während Brutzeiten überflüssig oder ermöglichen am Ende neue Standorte für Windenergieanlagen, die bislang naturschutzrechtlich nicht genehmigungsfähig und gerichtsfest sind.

Die Systeme verschiedener Hersteller heißen "IdentiFlight", „BirdScan“, „Robin Radar“, „Bird Recorder“, „SafeWind“, „Bioseco“ und eben auch „BirdVision“. Der Bürgerwindpark Hohenlohe entwickelt Bird Vision seit 2018 mit Förderung durch das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) - Ende Juli hat er nun die Genehmigung für den Probebetrieb im nordwürttembergischen Windpark Weißbach erhalten. Dort stehen fünf Vestas V126-3.3 mit einer Nabenhöhe von 137 Metern und einem Rotordurchmesser von 126 Metern. In der Nähe nistet der Rotmilan, und das erzwingt bisher mehrtägiges Abschalten etwa während der Brutzeit und entsprechende Ertragsverluste.

Opfer des Chipmangels

Bald dürfen sich die Windräder standardmäßig weiterdrehen. Das soll noch in diesem Jahr unter Begleitung von Biologen geschehen. Bird Vision ist nur noch nicht fertig. Zwar sind die Videokameras an den Windrädern schon installiert und erprobt und eine Datenbankplattform ist im Test, doch für den Hochleistungsserver, der die Bilder archiviert, ausgibt und auswertet, gibt es wegen des Chipmangels noch keinen Liefertermin.

Neubewertung bei Fledermäusen

Die Auswertung der automatischen Kamerabilder scheint bisherige Annahmen zum Anflugverhalten von Flugtieren zu widerlegen. Die Auswertung von Infrarot-Nachtbildern von der Gondel aus statt vom Turmfuß ermögliche neuerdings ein detailliertes Monitoring im Rotorfeld, hieß es. Die Schlagopfergefahr für Fledermäuse müsse nun "grundlegend neu bewertet werden", heißt es aus der Hohenlohe. Konkret könnten die Renebat-Studien, die zu den heute üblichen Fledermaus-Abschaltalgorithmen führten, beim Kollisionsrisiko von falschen Annahmen ausgegangen sein. An den drei ebenfalls vom BMWi geförderten Studien waren bis 2016 unter anderem die Uni Erlangen-Nürnberg und der Windturbinenbauer Enercon beteiligt.
 
So nimmt die Stereokamera von Bird Vision den Flug eines Mäusebussards im Gefahrenbereich eines deutschen Windparks auf. Die orangefarbenen, mit Zeitpunkten und Entfernungen versehenen Flugbewegungen - hier 80 Sekunden - sind für die Vögel noch nicht gefährlich. Um 16.41 Uhr sieht die Kamera in 150 Metern Entfernung Rot: Alarm! Das Windrad wird dann automatisch heruntergefahren (Bilderfolge vom 29. Juli).
Quelle: Bürgerwindpark Hohenlohe GmbH

Eine weitere Erkenntnis von Bird Vision aus acht Standorten: Großvögel meiden den Gefahrenbereich laufender Anlagen in gewisser Weise. Diese Bewertung ermöglichten neue Objektive mit über 500 Metern Erfassungsradius. Mit ihnen lassen sich auch schnell vorbeifliegende Vögel wie etwa Turmfalken entdecken.

Nur unten Such- und Kreisflüge

Und: Auf Rotorhöhe fliegen "deutlich" weniger Vögel als in Bodennähe. Oben finden vor allem Streckenflüge mit kurzer Aufenthaltsdauer statt, unten Such- und Kreisflüge mit längerem Aufenthalt.

Die Probegenehmigung für Bird Vision lässt sich nicht ohne Weiteres auf andere Landkreise übertragen, auch nicht auf andere Windparks. Es gibt nur Empfehlungen des Kompetenzzentrums Naturschutz und Energiewende (KNE) zu Vogel-Detektionsanlagen, und zwar für den Wettbewerber Identiflight, aber weder Vorgaben in einschlägigen Leitfäden noch eine DIN-Norm.

Donnerstag, 12.08.2021, 15:58 Uhr
Georg Eble

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