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Am Abend des 4. Oktober berieten Vertreter von Bund und Ländern über die geplanten Entlastungen für Bürger und Unternehmen von den hohen Energiepreisen. Die Finanzierung blieb strittig.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Ministerpräsidenten der Bundesländer berieten am Abend des 4. Oktober in Berlin. Dabei ging es um die Umsetzung der geplanten Entlastungen für Haushalte und Unternehmen wegen der hohen Energiepreise. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die resultierenden Sanktionen der EU und der Nato gegen Russland haben zu eingeschränkten Lieferungen von Brennstoffen, insbesondere Erdgas, geführt und die Preise explodieren lassen. Mittlerweile protestieren tausende Menschen in Montagsdemonstrationen gegen hohe Preise und befürchtete Versorgungsengpässe.
Bei genereller Einigkeit zwischen Bund und Ländern zu den Entlastungsmaßnahmen blieb die Finanzierung strittig. Von den Ministerpräsidenten kamen unterschiedliche Bewertungen der Beratung. So äußerten sich Ministerpräsidenten der Union eher kritisch. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sagte: „Die Bundesregierung hat heute trotz der konstruktiven Einstellung der Länder kaum Kompromissbereitschaft in ganz wesentlichen Fragen erkennen lassen.“ SPD-Länderchefs äußerten sich überwiegend zuversichtlich, dass eine Einigung gefunden werden wird.
Viele Milliarden Euro nötig
Scholz bezifferte das Volumen der bisherigen und noch geplanten Entlastungen auf 295 Mrd. Euro, von denen der Bund 240 bis 250 Mrd. Euro übernehmen wolle. Offen sind noch die konkrete Ausgestaltung der geplanten Strom- und Gaspreisbremse, eine Nachfolgelösung für das Ende August ausgelaufene 9-Euro-Ticket für den Nah- und Regionalverkehr und die Kostenfrage für die Wohngeld-Ausweitung. Für Firmen soll es Liquiditäts- und Eigenkapitalhilfen geben. Die Hilfen sollen über Kredite finanziert werden.
Die für die Gaspreisbremse eingesetzte Expertenkommission kündigte erst nach einer Klausur am kommenden Wochenende einen „belastbaren Vorschlag“ für die Politik an. Auch die Ende Oktober anstehende Steuerschätzung und die reguläre Jahreskonferenz der Ministerpräsidenten vom 19. bis 21. Oktober in Hannover sind Zeitmarken für weitere Ergebnisse.
Unternehmen und Selbstständige in Not können bei Steuerzahlungen auf eine vorübergehende Atempause hoffen. „Bund und Länder stimmen darin überein, dass Regelungen zur Stundung von Steuern und die Aussetzung von Steuervorauszahlungen vorzusehen sind“, heißt es im gemeinsamen Beschlusspapier. Auch ein Aussetzen der Insolvenzantragspflicht und Hilfsmaßnahmen im Wohnungswesen werden von Bund und Ländern für nötig gehalten. Zu den Ankündigungen wurden keine Details der Umsetzung genannt.
Harsche Kritik aus der Opposition
CDU-Chef Friedrich Merz sprach gegenüber Zeitungen der Funke-Mediengruppe von einem „Abend der verpassten Chancen, der die Bürgerinnen und Bürger verunsichert zurücklässt“. Er machte vor allem den Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz, Stephan Weil (Niedersachsen) und Bundeskanzler Olaf Scholz (beide SPD) dafür verantwortlich, „dass es keine Ergebnisse gibt“. Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) kritisierte, dass die Länder nicht ausreichend an den Plänen des Bundes beteiligt würden. Die von der Bundesregierung geplanten finanziellen Belastungen dürften zudem nicht ungleich verteilt werden.
Der Vorsitzende der Linke-Bundestagsfraktion, Dietmar Bartsch, kritisierte das Zögern: „Während die Heizsaison begonnen hat, diskutieren Bund und Länder, wie die Bürger sie bezahlen sollen.“ Er forderte Festlegungen im Bundestag „in der kommenden Woche“.
Enttäuschung bei Verbändevertretern
Enttäuscht reagierte auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund. Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg begrüßte in der Rheinischen Post vom 5. Oktober zwar die geplanten Bremsen für Gas- und Strompreise und den Abwehrschirm für Unternehmen gegen eine schwere Rezession und den Inflationsdruck. Er bedauerte aber gleichzeitig eine fehlende Einigung bei der Finanzierung der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen. „Die Zeit drängt, der Winter steht vor der Tür“, mahnte er.
Der Hauptgeschäftsführer des Verbandes Kommunaler Unternehmen (VKU), Ingbert Liebing, mahnte: „Bislang offen ist, wie die akuten Liquiditätsprobleme bei den Stadtwerken gelöst werden sollen.“ Dies werde auch mit dem von der Koalition angekündigten Abwehrschirm noch nicht vollständig aufgehoben. „Solange Stadtwerke ihre gesamte Finanzkraft und Liquidität für das Kerngeschäft der Energieversorgung aufbringen müssen, fehlt die Investitionskraft für Energiewendeprojekte“, erinnerte Liebing. Alle Maßnahmen müssten möglichst einfach gestaltet werden und schnell und effektiv umgesetzt werden, forderte er.
Mittwoch, 5.10.2022, 11:18 Uhr
Susanne Harmsen
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