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Das Bundeswirtschaftsministerium weist in seinem Digitalisierungsbericht darauf hin, dass bisher nur wenige Messstellenbetreiber Erfahrungen mit dem Steuern gesammelt haben.
Der Bericht zur Digitalisierung der Energiewende, den das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) am 22. Juli 2024 veröffentlicht hat, macht die große Bedeutung des Steuerns von Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen in der Niederspannung deutlich. Allerdings haben einem Gutachten der Beratungsgesellschaften BET und EY zufolge, das dem Bericht zu Grunde liegt, viele grundzuständige Messstellenbetreiber noch keine Erfahrungen mit dem Steuern und Schalten. Darüber hinaus fehle es an „eingeschwungenen“ Prozessen.
„Die BMWK-Konsultation hat bestätigt, dass für eine massentaugliche Umsetzung entlang der gesamten Prozesskette und bei allen Akteuren dringlicher Nachhol- und Beschleunigungsbedarf besteht, um dem gesetzlichen Ziel einer verpflichtenden Steuerung über SMGW (Smart Meter Gateway; Anm. d. Red.) ab 2025 Rechnung zu tragen“, heißt es im Bericht.
Mit dem im Mai 2023 verabschiedeten Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende (GNDEW) waren die Voraussetzungen für einen agilen Rollout von intelligenten Messsystemen – diese nutzen ein Smart Meter Gateway als Kommunikationseinheit – geschaffen worden. Damit solle eine „Warmlaufphase“ den Akteuren genug Zeit geben, um das Steuern und Schalten vorzubereiten und erste Erfahrungen zu sammeln. Es sei festzuhalten, dass auch ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes diese auf expliziten Wunsch der Branche aufgenommene Möglichkeit in der Praxis noch kaum genutzt wird, so der Tenor im BMWK-Digitalisierungsbericht.
FNN erarbeitet Lastenheft 1.4
Für das Steuern ist allerdings auch eine Steuerbox notwendig. Im §14a EnWG, der sich auf die Netzstabilisierung durch steuerbare Verbrauchseinrichtungen bezieht, ist die netzorientierte Steuerung über die FNN-Steuerbox – FNN steht für Forum Netztechnik/Netzbetrieb beim VDE – definiert. Auf Anfrage der Redaktion erklärt Frank Borchardt, beim FNN für die Bereiche Digitalisierung und Metering verantwortlich, dass das netzorientierte Steuern allerdings erst ab Anfang 2025 zum Einsatz kommen wird. Denn wie mit der Festlegung der Bundesnetzagentur zur Integration steuerbarer Verbraucher ins Stromnetz vom Dezember 2023 vorgesehen, sei derzeit noch die Ausarbeitung der technischen Detailregeln im Gang. Parallel dazu erfolge die Markteinführung der Steuerboxen, die mit der Technischen Richtlinie TR-03109-5 des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) konform sind. „Diese Arbeiten werden voraussichtlich planmäßig bis Ende 2024 abgeschlossen sein“, so Borchardt.
Derzeit wird die Version 1.4 des FNN-Lastenhefts der Steuerbox fertiggestellt. Damit werden die Vorgaben der Technischen Richtlinie des BSI, die im vergangenen Jahr in Kraft getreten ist, umgesetzt. Auch wenn bisher nur wenige Messstellenbetreiber entsprechende Erfahrungen gesammelt haben, einige Pilotprojekte zum Steuern von Anlagen gibt es bereits. Diese verwenden allerdings Steuerboxen, die mit Vorversionen des FNN-Lastenhefts konform sind. Für den operativen Betrieb dürfen dann allerdings ausschließlich Steuerboxen eingesetzt werden werden, die der Version 1.4 entsprechen. „Dies ist wegen der im Betrieb erforderlichen Konformität zur TR-03109-5 zwingend erforderlich“, stellt Borchardt klar.
Seit dem 1. Juli können die Hersteller der Steuerboxen ihre Geräte nach dem Verfahren der Beschleunigten Sicherheitszertifizierung (BSZ) zertifizieren lassen. Dieses wurde vom BSI definiert. Durchgeführt wird das Verfahren, das üblicherweise in wenigen Wochen durchlaufen werden kann, jedoch bei einer von derzeit vier akkreditierten Prüfstellen. Laut Frank Borchardt kann man im Herbst 2024 mit zertifizierten Steuerboxen von mehreren Herstellern rechnen.
Drastischer Anstieg der Pflichteinbaufälle
Die Autoren des BMWK-Digitalisierungsberichts gehen davon aus, dass es neben dem weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien in der Niederspannung gerade aufgrund der Umsetzung des §14a EnWG zu einem erheblichen Anstieg der Pflichteinbaufälle von intelligenten Messsystemen kommen wird. Von einer Verfünffachung von heute etwa 6 Millionen auf rund 28 Millionen Messlokationen insgesamt im Jahr 2032 ist die Rede. Die Zahl der 14a-Einbaufälle erhöhe sich demnach von etwa 1 Million auf mehr als 16 Millionen Messlokationen.
Angesichts dieser Zahlen folgert das BMWK, der Rollout werde künftig nicht mehr nur vom Messen, sondern vor allem vom netz- und marktorientierten Steuern und Schalten geprägt sein.
Mittwoch, 24.07.2024, 16:41 Uhr
Fritz Wilhelm
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