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Energie & Management > Recht - Windkrafturteil aus NRW gibt dem Denkmalschutz Saures
Visualisierung von Schloss Lembeck mit Windrad. Quelle: Windenergiegemeinschaft Hagen
Recht

Windkrafturteil aus NRW gibt dem Denkmalschutz Saures

Zufällig an Halloween hatte das OVG in Münster Süßes und Saures unter einem Schlossbesitzer und einem Denkmalamt zu verteilen – und damit den Spuk um eine Windkraftanlage zu beenden.
Auch Nordrhein-Westfalen verfügt nun über ein höchstrichterliches Urteil, das das Verhältnis zwischen Windkraftanlagen und benachbarten Baudenkmälern klärt. Justitias Waage neigt sich in diesem Fall zu den Erneuerbaren, deren Ausbau mehr Gewicht beigemessen wird als dem (Sicht-)Schutz eines Schlosses.

Aber der Reihe nach. Der vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster am 31. Oktober verhandelte Fall mutet zunächst sonderbar an. Ein Schlossbesitzer und dessen Mitstreiter würden als GbR gerne eine Windturbine errichten, auf eigenen Flächen im Umfeld des Adelssitzes. Denkmalbehörden verweigerten allerdings die nötige Zustimmung. Und damit kam es zur Klage, die der 7. Senat nun verhandelte.

Zu klären war, ob das im 17. Jahrhundert vollendete Barockschloss Lembeck im gleichnamigen Stadtteil Dorstens durch die gewünschte Windturbine − eine Vestas V162-6.0 mit einer Gesamthöhe von 250 Metern − beeinträchtigt wird. Das hatte jedenfalls das Denkmalamt des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) eingewendet. Auch auf dessen Intervention hin wies der zuständige Landkreis Recklinghausen den im Januar 2021 eingegangenen Antrag der Windenergiegemeinschaft Hagen GbR auf positiven Vorbescheid ab.
 
Das Schloss Lembeck in Dorsten (NRW) darf laut OVG diese Nachbarin mit Rotoren erhalten.
Visualisierung: Windenergiegemeinschaft Hagen GbR
 

Barockes Schloss Lembeck kann eine Windturbine verkraften

Das war im September 2022. Einen Monat später reichte die GbR Klage ein, woraufhin es im August 2023 zunächst zu einem Ortstermin mit einer Vertreterin des OVG kam. Es galt, die Sichtbeziehung von Schloss und festgelegtem Standort der Vestas zu ergründen und dabei auch die symmetrische Parkanlage samt langer Allee einzubeziehen. Der LWL hatte klargestellt, dass aus seiner Sicht der gesamte Komplex im Denkmalwert leide. Die in anderthalb Kilometer Entfernung geplante Anlage überrage den westlich gelegenen Wald und greife durch ihre Sichtbarkeit gravierend in das Baudenkmal ein.

Ausgestattet mit Visualisierungen, spazierten Gericht, Befürworter und Gegner der Turbine also einige Stunden durchs barocke Ambiente. An Halloween fasste der Vorsitzende Richter Jens Saurenhaus die Vor-Ort-Eindrücke damit zusammen, dass auf einer Sichtachse Schlosseinfahrt und Tordurchfahrt uneingeschränkt wahrnehmbar blieben, auch das Schloss selbst nicht hinter der Turbine zurücktrete. Die Einbettung in die münsterländische Landschaft sei nicht in Frage gestellt. Den schon 1994 behördlicherseits formulierten „barocken Herrschaftsanspruch“ des Ensembles gebe es nicht.

Und somit handelt es sich aus Sicht des OVG beim Schloss Lembeck eben nicht um einen der besonderen Ausnahmefälle, bei denen der Denkmalschutz über anderen Belangen steht. Im Umkehrschluss heißt das: Das seit Juli 2022 gesetzlich verbriefte überragende öffentliche Interesse, das am Ausbau der erneuerbaren Produktionsanlagen besteht, sei hier maßgeblich, so Richter Saurenhaus. Der betreffende Paragraf 2 des EEG formuliere gerade ein „überragendes Interesse an Technisierung“, daher sei über den vorgebrachten Einwand, die Schlossanlage werde „technisch überformt“, eben kein Ausnahmetatbestand zu begründen.

Zwar stehe der Denkmalwert von Schloss Lembeck außer Frage, so Richter Saurenhaus, das Anwesen sei aber „nicht frei von Veränderungen der Neuzeit“. Dass die Windkraftanlage aus bestimmten Perspektiven zu sehen ist, sei hinzunehmen. Erneuerbare verlangten Zugeständnisse: „Wir werden uns gewöhnen müssen.“ Den Abstand von 1.500 Metern zum Schloss verglich der Richter mit der Distanz, die Turbinen allgemein zu Wohnhäusern einzuhalten haben − diese sei deutlich geringer.
 
Werden am Schloss Lembeck eine Windkraftanlage bauen: (v.l.) Heinrich Sondermann, Heinz Thier (BBWind), Hans-Jochen Haane, Ferdinand Graf von Merveldt und Bernhard Dahlhaus mit Anwalt Oliver Frank (2.v.r.) vor dem OVG Münster
Quelle: Volker Stephan

Das Verfahren streifte auch die verzwickte Situation mit den in der Vergangenheit in Dorsten ausgewiesenen vier Windkraftvorrangzonen. Das Gericht ließ durchblicken, dass der dafür maßgebliche Flächennutzungsplan rechtlich nicht haltbar sei. Damit entfalle auch das Argument, dass Windkraftprojekte auf Flächen außerhalb der Zonen verboten seien. Dass der Standort der Vestas-Anlage nicht in einer Vorrangzone liegt, ist folglich unerheblich.

Mit dem Urteil muss der Kreis Recklinghausen den positiven Vorbescheid nun erteilen. Daraufhin kann der vollständige Genehmigungsantrag erfolgen. Zur Freude auch von Rechtsanwalt Oliver Frank (Kanzlei Engemann und Partner), der von einer wichtigen Entscheidung sprach: „Selbst wenn immer der Einzelfall zu betrachten ist, wirkt Paragraf 2 des EEG auch ins Denkmalschutzrecht hinein.“

Das Schlusswort kommt vom Schlossbesitzer. Ferdinand Graf von Merveldt ergriff die Gelegenheit, um den „Herrschaftsanspruch“ seines Adelsgeschlechts anzusprechen. Dieser sei vor 200 Jahren erloschen, das Schloss sei als Geschenk ererbt und damit die Pflicht, es zu unterhalten. „Das tut jede Generation mit ihren Möglichkeiten, zu unseren zählt die Windkraftanlage.“

Dienstag, 31.10.2023, 16:35 Uhr
Volker Stephan
Energie & Management > Recht - Windkrafturteil aus NRW gibt dem Denkmalschutz Saures
Visualisierung von Schloss Lembeck mit Windrad. Quelle: Windenergiegemeinschaft Hagen
Recht
Windkrafturteil aus NRW gibt dem Denkmalschutz Saures
Zufällig an Halloween hatte das OVG in Münster Süßes und Saures unter einem Schlossbesitzer und einem Denkmalamt zu verteilen – und damit den Spuk um eine Windkraftanlage zu beenden.
Auch Nordrhein-Westfalen verfügt nun über ein höchstrichterliches Urteil, das das Verhältnis zwischen Windkraftanlagen und benachbarten Baudenkmälern klärt. Justitias Waage neigt sich in diesem Fall zu den Erneuerbaren, deren Ausbau mehr Gewicht beigemessen wird als dem (Sicht-)Schutz eines Schlosses.

Aber der Reihe nach. Der vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster am 31. Oktober verhandelte Fall mutet zunächst sonderbar an. Ein Schlossbesitzer und dessen Mitstreiter würden als GbR gerne eine Windturbine errichten, auf eigenen Flächen im Umfeld des Adelssitzes. Denkmalbehörden verweigerten allerdings die nötige Zustimmung. Und damit kam es zur Klage, die der 7. Senat nun verhandelte.

Zu klären war, ob das im 17. Jahrhundert vollendete Barockschloss Lembeck im gleichnamigen Stadtteil Dorstens durch die gewünschte Windturbine − eine Vestas V162-6.0 mit einer Gesamthöhe von 250 Metern − beeinträchtigt wird. Das hatte jedenfalls das Denkmalamt des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) eingewendet. Auch auf dessen Intervention hin wies der zuständige Landkreis Recklinghausen den im Januar 2021 eingegangenen Antrag der Windenergiegemeinschaft Hagen GbR auf positiven Vorbescheid ab.
 
Das Schloss Lembeck in Dorsten (NRW) darf laut OVG diese Nachbarin mit Rotoren erhalten.
Visualisierung: Windenergiegemeinschaft Hagen GbR
 

Barockes Schloss Lembeck kann eine Windturbine verkraften

Das war im September 2022. Einen Monat später reichte die GbR Klage ein, woraufhin es im August 2023 zunächst zu einem Ortstermin mit einer Vertreterin des OVG kam. Es galt, die Sichtbeziehung von Schloss und festgelegtem Standort der Vestas zu ergründen und dabei auch die symmetrische Parkanlage samt langer Allee einzubeziehen. Der LWL hatte klargestellt, dass aus seiner Sicht der gesamte Komplex im Denkmalwert leide. Die in anderthalb Kilometer Entfernung geplante Anlage überrage den westlich gelegenen Wald und greife durch ihre Sichtbarkeit gravierend in das Baudenkmal ein.

Ausgestattet mit Visualisierungen, spazierten Gericht, Befürworter und Gegner der Turbine also einige Stunden durchs barocke Ambiente. An Halloween fasste der Vorsitzende Richter Jens Saurenhaus die Vor-Ort-Eindrücke damit zusammen, dass auf einer Sichtachse Schlosseinfahrt und Tordurchfahrt uneingeschränkt wahrnehmbar blieben, auch das Schloss selbst nicht hinter der Turbine zurücktrete. Die Einbettung in die münsterländische Landschaft sei nicht in Frage gestellt. Den schon 1994 behördlicherseits formulierten „barocken Herrschaftsanspruch“ des Ensembles gebe es nicht.

Und somit handelt es sich aus Sicht des OVG beim Schloss Lembeck eben nicht um einen der besonderen Ausnahmefälle, bei denen der Denkmalschutz über anderen Belangen steht. Im Umkehrschluss heißt das: Das seit Juli 2022 gesetzlich verbriefte überragende öffentliche Interesse, das am Ausbau der erneuerbaren Produktionsanlagen besteht, sei hier maßgeblich, so Richter Saurenhaus. Der betreffende Paragraf 2 des EEG formuliere gerade ein „überragendes Interesse an Technisierung“, daher sei über den vorgebrachten Einwand, die Schlossanlage werde „technisch überformt“, eben kein Ausnahmetatbestand zu begründen.

Zwar stehe der Denkmalwert von Schloss Lembeck außer Frage, so Richter Saurenhaus, das Anwesen sei aber „nicht frei von Veränderungen der Neuzeit“. Dass die Windkraftanlage aus bestimmten Perspektiven zu sehen ist, sei hinzunehmen. Erneuerbare verlangten Zugeständnisse: „Wir werden uns gewöhnen müssen.“ Den Abstand von 1.500 Metern zum Schloss verglich der Richter mit der Distanz, die Turbinen allgemein zu Wohnhäusern einzuhalten haben − diese sei deutlich geringer.
 
Werden am Schloss Lembeck eine Windkraftanlage bauen: (v.l.) Heinrich Sondermann, Heinz Thier (BBWind), Hans-Jochen Haane, Ferdinand Graf von Merveldt und Bernhard Dahlhaus mit Anwalt Oliver Frank (2.v.r.) vor dem OVG Münster
Quelle: Volker Stephan

Das Verfahren streifte auch die verzwickte Situation mit den in der Vergangenheit in Dorsten ausgewiesenen vier Windkraftvorrangzonen. Das Gericht ließ durchblicken, dass der dafür maßgebliche Flächennutzungsplan rechtlich nicht haltbar sei. Damit entfalle auch das Argument, dass Windkraftprojekte auf Flächen außerhalb der Zonen verboten seien. Dass der Standort der Vestas-Anlage nicht in einer Vorrangzone liegt, ist folglich unerheblich.

Mit dem Urteil muss der Kreis Recklinghausen den positiven Vorbescheid nun erteilen. Daraufhin kann der vollständige Genehmigungsantrag erfolgen. Zur Freude auch von Rechtsanwalt Oliver Frank (Kanzlei Engemann und Partner), der von einer wichtigen Entscheidung sprach: „Selbst wenn immer der Einzelfall zu betrachten ist, wirkt Paragraf 2 des EEG auch ins Denkmalschutzrecht hinein.“

Das Schlusswort kommt vom Schlossbesitzer. Ferdinand Graf von Merveldt ergriff die Gelegenheit, um den „Herrschaftsanspruch“ seines Adelsgeschlechts anzusprechen. Dieser sei vor 200 Jahren erloschen, das Schloss sei als Geschenk ererbt und damit die Pflicht, es zu unterhalten. „Das tut jede Generation mit ihren Möglichkeiten, zu unseren zählt die Windkraftanlage.“

Dienstag, 31.10.2023, 16:35 Uhr
Volker Stephan

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