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Die Industrie könnte laut einer neuen Studie 44 Prozent ihres Energiebedarfs mit „standardmäßig verfügbaren Effizienztechnologien“ einsparen – ohne Produktionseinschränkungen.
Brachland in der deutschen Industrielandschaft: Nach einer neuen Studie könnten in der Industrie jährliche Energieeffizienzpotenziale in Höhe von insgesamt 410
Milliarden kWh erschlossen werden, ohne das Rad neu erfinden zu müssen. Möglich sei dies mit Energieeffizienz-Technologien, die bereits "standardmäßig verfügbar" sind, und es würde deswegen zu keinen Produktionseinschränkungen kommen. Das sagt die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz (Deneff), die die Untersuchung am Institut für Energietechnik und Energiemanagement der Hochschule Niederrhein in Auftrag gegeben hat.
"Diese 410
Terawattstunden entsprechen in der Größenordnung etwa der Stromproduktion von acht großen Kern- oder Kohlekraftwerken plus der Kapazität von vier der sechs neuen LNG-Terminals", erläutert Professor Jörg Meyer. "Die Diskussion über weitere Laufzeitverlängerungen von Kernkraftwerken wäre noch unnötiger, wären diese Potenziale bereits frühzeitig adressiert worden", so der Mitautor der Studie.
Das Einsparpotenzial entsprecht etwa 44
Prozent des Endenergiebedarfs der Industrie – im Jahr 2021 waren es 940
Milliarden kWh. Noch nicht eingerechnet seien in die 410
Milliarden kWh "die großen Potenziale aus Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft".
Wirtschaftlich, aber nicht "marktnah"Die in Summe größten Möglichkeiten sehen die Studienautoren bei der Prozesswärme, der Antriebstechnik und Raumwärme. Doch 60
Prozent der Energieeffizienzpotentiale – also etwa 248
Milliarden kWh pro Jahr – würde gar nicht erst ins Auge gefasst. Grund: Diese Potenziale seien "zwar wirtschaftlich, aber nicht marktnah". Unter "marktnah" verstehen die Hochschulforscher Maßnahmen, die eine sehr gute Rendite versprechen, sich aber nicht binnen dreier Jahre amortisieren. "Damit bleiben bislang immense Potenziale für klimafreundliches Wirtschaftswachstum, gesteigerte Wettbewerbsfähigkeit und strategische Versorgungssicherheit voraussichtlich ungenutzt", resümieren sie. Das marktnahe Einsparpotenzial beziffern sie auf 162
Milliarden kWh. "Das nicht gehobene wirtschaftliche Einsparpotenzial" beträgt demnach 248
Milliarden kWh.
Das finanzielle Einsparpotenzial für die Industrie liegt laut der Berechnungen bei 25
Milliarden Euro im Jahr. Die Autoren sprechen von einer großen Chance, die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Und: "Der Trend der Entkopplung von Wachstum und Verbrauch der letzten Jahre könnte so deutlich beschleunigt werden", heißt es.
Um die Resilienz der deutschen Industrie zu erhöhen und die Klimaziele zu erreichen, müsse die Wirtschaft, wo es gehe und wirtschaftlich sei, ihre Energieproduktivität noch deutlich stärker erhöhen, als dies bislang gelungen sei, appelliert die Deneff an die Unternehmenslenker in Deutschland.
In der Pflicht sieht man freilich auch die Politik. Bestehende Politiken wie Förderinstrumente und Energieeffizienznetzwerke seien weiterhin wichtig und ausbaufähig, könnten "aber die große Lücke nicht vollständig adressieren". "Entsprechend groß ist der Bedarf an zusätzlicher politischer Steuerung, insbesondere auch über das geplante Energieeffizienzgesetz", schreiben die Studienautoren.
Allein von Preissignalen erwarten sie sich keinen entscheidenden Impuls. "Setzte die Politik weitgehend auf Preispolitiken, müssten die Energiepreise sich gegenüber dem erwarteten 'new normal' noch einmal fast verdreifachen, damit erwartet werden könnte, dass die wirtschaftlichen Potenziale allein durch die Marktkräfte gehoben würden."
Die
"Kurzstudie Energieeffizienzmaßnahmen in der Industrie" steht auf der Internetseite der Deneff zum Download bereit.
Freitag, 14.04.2023, 16:20 Uhr
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