Peter Ahmels ist der neue Vorsitzende der Fachagentur Windenergie an Land. Der Windpionier macht den Verein auch fit für die Beratung zur Photovoltaik. Ein Gespräch mit E&M.
Der FA Wind hätte kaum Besseres passieren können: Die Fachagentur Windenergie an Land hat im Februar Peter Ahmels zu ihrem neuen Vorstandsvorsitzenden gewählt. Seit Mitte 2022 war die ehrenamtliche Position vakant gewesen. Damals war Michael Lindenthal (70) zurückgetreten, vormals Abteilungsleiter Energie und Klimaschutz im niedersächsischen Umweltministerium.
Und jetzt Ahmels. Der 66-Jährige ist nie Landesministerialbeamter gewesen, sondern Landwirt mit einem Doktor als Agraringenieur aus dem niedersächsischen Kreis Friesland. Er will gestalten und er ist eine Integrationsfigur der Onshore-Windkraft. Im Gespräch mit
E&M aus Anlass seiner Wahl erscheint er zugewandt, bodenständig, aber diplomatisch gewieft, man könnte zusammenfassen: friesisch ohne herb, mit einer politischen Mission, fein, aber nicht affektiert und ohne Allüren.
Die FA
Wind ist eine einzigartige bundesdeutsche Einrichtung zwischen den Ebenen der öffentlichen Hand, Wirtschafts- und Umweltverbänden (siehe Kasten). Als das wichtigste Anliegen für seine vierjährige Amtszeit bezeichnet Ahmels gegenüber E&M, die Länder und kommunalen Planungsverbände darin zu unterstützen, „rechtssicher und gleichzeitig umweltverträglich und mit hoher Akzeptanz Flächen auszuweisen“.
Hintergrund: Der Bund hatte auf Initiative von Robert Habecks BMWK im Wind-an-Land-Gesetz 2022 länderspezifische Flächenziele verankert, die bis 2032 zu durchschnittlich 2,2
Prozent führen sollen. Denn es fehlt an rechtssicheren Flächen. Bisher verbaut sind 0,9
Prozent. Das ist zu wenig, um bis 2030 die installierte Windenergieleistung an Land auf 115.000
MW quasi zu verdoppeln.
Und schon die Länder setzen die Flächenziele raumordnerisch und planerisch mit unterschiedlichem Eifer um: Das größte Windland Niedersachsen will Länderprimus werden und die ihm übertragenen 2,2
Prozent bereits 2026 ausgewiesen haben. Das beschloss das rot-grüne Landeskabinett im Juni. Die kommunalen Planungsregionen müssen ihre Flächennutzungspläne daran anpassen, wenn Windräder Aussicht auf Baurecht bekommen sollen.
2,2
Prozent ist der höchste Anteil, den der Bund von insgesamt sechs Ländern fordert. Auch von Thüringen. Dessen Infrastrukturministerin Susanna Karawanskij (Linke) erwähnte das Flächenziel halb distanzierend in einem Atemzug mit Zersiedelung und agrarischer Flächenkonkurrenz und die CDU, die die Erfurter Regierung duldet, forderte sie schon auf, sich in Berlin für ein Abtakeln des Ziels einzusetzen.
Und Bayern hat die restriktivste Vorschrift, dass neue Windräder das Zehnfache ihrer Höhe von Wohnungen entfernt sein müssen (10H), lediglich aufgeweicht und kann so seine 1,8
Prozent gar nicht erreichen. Der Freistaat nutzt mit 10H eine alte negative Länderöffnungsklausel aus Groko-Zeiten im Baurecht. Seit Juli nun ermöglicht umgekehrt eine positive Länder- und Gemeindeöffnungsklausel, zum Raumordnungsstreber zu werden.
Die Impulse des Bundes in den Ländern umzusetzen, die die Verwaltungshoheit haben, das erfordert also viel diplomatisches Fingerspitzengefühl und praktische Unterstützung. Ahmels will mit ihnen Runde Tische veranstalten. 2024 soll es insoweit eine Zwischenbilanz geben.
Ihm und der FA
Wind geht es aber nicht nur um Grund und Boden, sondern auch um eine vernünftige, vereinheitlichte, eindeutige und damit rechtssichere Arten- und Denkmalschutzpraxis, kürzere Genehmigungsdauern, Waldwind (Seite
14) und vieles mehr.
Und dann auch noch PV Und dann soll und will Ahmels noch den verträglichen PV-Ausbau zu einer eigenen Beratungskompetenz des Vereins machen. Die FA
Wind hat diesen im Juni
einstimmig in ihren Vereinszweck aufgenommen. Zwar fallen bei der Solarkraft die Vogelschutzkonflikte weg, dafür kommt bei der klassischen Freiflächen-PV „mit Sicherheit“, räumt der Vereinsvorsitzende ein, die Konkurrenz zur landwirtschaftlichen Nutzung dazu. Landwirt im Ruhestand Ahmels sagt, für PV-Freiflächen winkten seinen Kollegen derzeit ein Mehrfaches an Pacht gegenüber dem Pflanzenanbau durch andere Bauern. Der Energieertrag pro Fläche sei 30- bis 40-mal höher als bei Biogas.
Der Wind-Mann klingt gegenüber E&M
durchaus so, als wäre er mit dieser Hereinnahme d'accord: Es müssten nun mal gemäß EEG 2023 jährlich sowohl 10.000
MW Wind onshore als auch mehr als 20.000
MW PV ausgebaut werden, verdeutlicht er mit Blick auf die bundesdeutschen Ziele für 2030.
Für diese Aufgaben sollte man also sturmfest und erdverwachsen sein, wie es im Niedersachsenlied heißt. Peter Ahmels war ursprünglich Vollerwerbslandwirt, er wurde in Agrarökonomie promoviert. 1991, als es noch kein EEG gab, sondern erst den Vorläufer „Stromeinspeisungsgesetz“ errichtete der Pionier auf seinem Hof seine erste Windkraftanlage selbst: eine E
-33 von Enercon aus Aurich, das keine 50
Kilometer von ihm entfernt ist. Sie leistet 300
kW − heute werden im Schnitt onshore mehr als 5
MW pro Windrad installiert. Ihn habe immer Landtechnik interessiert, erzählt er und über einen Kontakt dort sei er zur Windkraft gestoßen.
Die Anlage läuft immer noch, genauso wie seine zweite, die er 1993 aufstellte, eine E-40 mit 500
kW, Seriennummer
4. Dann gehört Ahmels noch eine halbe E-53 mit 800
kW. Die teilt er sich mit Weggefährten. „Größe war nicht mein Ziel, sondern eine Politik, die den Ausbau begünstigt“, erklärt er
E&M. Ahmels ist vierfacher Vater. Inklusive Schwiegertöchter machen vier Nachkommen in Erneuerbaren.
Jedenfalls gelang Ahmels 1995/96 das Husarenstück, zwei konkurrierende Windkraftverbände miteinander zum Bundesverband Windenergie zu fusionieren. Von 1995 bis 2007 war er Vorstandsvorsitzender, dann Präsident des Bundesverbands Windenergie. Allermeist im Ehrenamt. Die Energiepolitik band zusehends mehr Zeit. Berlin statt Friesland. Nach und nach verpachtete er seine landwirtschaftlichen Flächen.
2008 wechselte Ahmels, erstmals in seinem Leben als Angestellter, zu der Deutschen Umwelthilfe (DUH), dem bekannten kompromisslosen und klagefreudigen Umwelt- und Erneuerbaren-Verein. Er leitete dort den Bereich Energie und Klima. Als ein „Unikat“ unter den Umweltorganisationen, berichtet er heute nicht ohne Stolz, baute er damals ein Dialogformat „Netzausbau“ auf, weil er der Überzeugung war und ist, dass die Energiewende nur zusammen zu denken ist.
Zu seinem weiteren Programm bei der FA
Wind sagt Ahmels
E&M, er werde die Länder in der Beratung ihrer Kommunen unterstützen, damit diese die mögliche kommunale Beteiligung an Wind- und PV-Stromerlösen von bis zu 0,2
Cent/kWh „rechtssicher mit den Projektierern verhandeln“. An der Stelle hätte er Wind und Solar schon beisammen, doch bereits bei Planung und Genehmigung gehen die rechtlichen Verhältnisse auseinander.
Das dickste BrettUnd dann vielleicht das dickste Brett, der Artenschutz. Ahmels bekennt, der liege ihm persönlich „am Herzen“. Der EU-Notfallverordnung solle man „eine Chance einräumen“, es seien bei ihr indes noch „sehr viele Fragen offen“. Sie hat strategische (SUP) statt anlagenbezogene Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) ermöglicht und stellt bei artenschutzrechtlichen Konflikten als Alternative zur Versagung der Genehmigung Ausgleichsflächen und -gelder in Aussicht. Ahmels möchte einen Austausch unter den Ländern ermöglichen, wie sie die Verordnung im Genehmigungsrecht umsetzen.
Mit der anlagenbezogenen
UVP jedenfalls sei „dem Naturschutz nicht unbedingt geholfen“, da sie Momentaufnahmen von dynamischen Prozessen in der Natur mache, wie etwa wandernden Horststandorten. Ahmels steht hinter dem Ziel der Verordnung, ganze Populationen statt einzelner Tiervorkommen zu betrachten. Was den Rotmilan angeht, den der Naturschutz am häufigsten gegen potenzielle Standorte ins Feld bringt, gebe es die Beobachtung, dass er Windenergieanlagen umfliegen kann.
„Es ist notwendig, dieses Wissen zu verbreitern und persönlich vorzutragen“, sagt Peter Ahmels. Auch BUND, Nabu und Naturschutzring (DNR) − alles FA-Wind-Mitglieder − diskutierten schon den Populationsschutz, allerdings nur in einem inoffiziellen „Non-Paper“.
Ahmels erkennt an, dass die Haltung und der Umgang mit den Naturschutzverbänden ein „Kernpunkt“ der Debatte ist. Und der sei „nicht leicht zu lösen“. Beide Seiten, sie und die Erneuerbaren-Branche, sollten sich „nicht dem Dialog entziehen“, appelliert er. Die Alternative sei nämlich, „das alles gerichtlich ausfechten zu lassen. Das führt nur beiderseits zu Groll, das hilft nicht weiter.“
Sicherlich sei ein solcher Dialog „mühselig“. Aber Ahmels erinnert daran, wie ein damaliger schleswig-holsteinischer Umweltminister durch ein Dialogformat ermöglicht hat, dass die für die Energiewende wichtige Westküstenleitung ohne Klagen errichtet wurde. Er hieß, siehe oben, Robert Habeck.
Die „Fachagentur zur Förderung eines natur- und umweltverträglichen Ausbaus der Windenergie an Land“ ist eine einzigartige Kooperations-, Studien-, Wissensaustausch- und Beratungsplattform für die öffentliche Hand, für Interessenvertreter und die deutsche Gesellschaft: Sie ist als Verein organisiert. Ordentliche Mitglieder sind der Bund − vertreten durch das Wirtschafts- und das Umweltministerium −, die Länder, Bundesverbände der Energie- und Maschinenbaubranche und der kommunalen Ebenen sowie der organisierte Umwelt- und Naturschutz. Das Wirtschaftsressort darf immer den Vorstandsvorsitz vorschlagen. Unter den Fördermitgliedern finden sich etliche Projektierer. Der Vereinszweck − Umwelt- und Klimaschutz zu fördern, indem man Onshore-Wind fördert − orientiert sich an den energie- und klimapolitischen Zielen des Bundes.
Die FA Wind kümmert sich aber unter anderem auch um die Koordination mit dem Netzausbau und allgemein die Integration ins Energiesystem, die räumliche Steuerung des Zubaus, Repowering, Wertschöpfung, Technologieforschung und -entwicklung sowie die ökologische Begleitforschung bis hin zum Rückbau. Zu alledem gibt sie Untersuchungen und Empfehlungen ab. Legendär sind die regelmäßigen Zubaustatistiken der FA Wind. Im Juni ist die Photovoltaik dazugekommen.
Die FA Wind beschäftigt elf Fachkräfte. Peter Ahmels bekleidet den Vorstandsvorsitz seit Februar, Stellvertreter sind Wolfram Axthelm (Geschäftsführer BWE Bundesverband Windenergie), Kay Ruge (Landkreistag, beide seit 2017) und Florian Schöne (Geschäftsführer DNR Deutscher Naturschutzring).
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„Die Alternative zum Dialog heißt, alles gerichtlich auszufechten. Das führt nur zu Groll“ Peter Ahmels, neuer Vorstandsvorsitzender der Fachagentur Windenergie an Land Quelle: Studio Monbijou Berlin |
Freitag, 29.09.2023, 09:10 Uhr
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