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Polen stellte die Anteile des russischen Gaskonzernes Gazprom am Gasnetzbetreiber Europol Gaz und damit der Transitgasleitung Jamal-Europa im Land unter Zwangsverwaltung.
Über den Beschluss zur einstweiligen Zwangsverwaltung der Gazprom-Anteile am polnischen Gasnetzbetreiber Europol Gaz informierte das polnische Ministerium für Entwicklung und Technologie jüngst die Öffentlichkeit. Dies sei für das ordnungsgemäße Funktionieren dieses Unternehmens nötig, um lähmende Entscheidungsprozess zu vermeiden und den Gastransport über die betreffende kritische Infrastruktur sicherzustellen, erklärte Waldemar Buda, Minister für Entwicklung und Technologie.
Betroffen davon ist der polnische Abschnitt der Gasleitung Jamal-Europa, der von Europol Gaz betreiben wird. Der polnische Teil der Leitung, die aus Sibirien Richtung Europa verläuft, erstreckt sich 684 Kilometer quer durchs Land von der Ostgrenze bis an die Westgrenze nach Mallnow bei Frankfurt (Oder).
Im April kamen die Gastransporte aus Russland über Jamal-Europa ganz zum Erliegen. Sowohl Russland als auch Polen verhängten infolge des russischen Krieges in der Ukraine Sanktionen, die sich auf den Betrieb der Gasleitung auswirkten. Aktuell nutzt Polen die Gasleitung in umgekehrter Richtung für den Gasimport aus Deutschland.
Maßnahme gegen Russland und lähmende Entscheidungen
„Wir tun alles, was machbar ist, um den Folgen der russischen Aggression entgegenzuwirken, aber auch um das russische Kapital und den russischen Einfluss zu eliminieren. Die Verfassung erlaubt uns keine Enteignung. Deshalb haben wir zusammen mit dem Innen- und Verwaltungsministerium eine einstweilige Vermögensverwaltung eingeführt“, erläuterte Buda.
Ist Europol Gaz der Eigentümer von Jamal-Europa in Polen, so ist der polnische Fernleitungsnetzbetreiber Gaz-System für ihren ordnungsgemäßen Betrieb, einschließlich Wartung, Reparatur und technischer Überwachung, verantwortlich. Wegen des aktuellen Entscheidungsstillstands bei Europol Gaz hat Minister Buda zufolge Gaz-System ein Ansprechpartner gefehlt, um wichtige Entscheidungen für den sicheren Betrieb der Gasleitung zu treffen.
Außerdem ist das Ministerium für Entwicklung und Technologie befugt, in einem Unternehmen, das auf der Sanktionsliste des Innenministeriums steht, hier namentlich Gazprom, eine einstweilige Zwangsverwaltung einzurichten. Damit soll der Betrieb gewährleisten, Arbeitsplätze erhalten und wirtschaftliche Interessen des Staates geschützt werden.
PGNiG unter dem Dach der Orlengruppe
An Europol Gaz und somit am polnischen Abschnitt der Jamal-Europa-Pipeline ist Gazprom zu 48 Prozent beteiligt, die der Staat jetzt unter seiner Obhut hat und verwaltet. 48 Prozent von Europol Gaz hat ebenfalls das polnische Energieunternehmen PGNiG inne. Der Rest entfällt auf den Gashändler Gas Trading. Die PGNiG gehört seit November zur Orlen-Gruppe.
Damit habe diese die Fusion mit der PGNiG abgeschlossen und sei nun größter Energiekonzern Mitteleuropas, der, gemessen am Umsatz, zu den 150 Unternehmen der Welt gehören und über 100 Millionen Kunden bedienen soll, informierte der polnische Ölkonzern PKN Orlen. Durch die Zusammenlegung der Geschäftsbereiche mit der PGNiG verfüge die Orlen-Gruppe über das Potenzial, milliardenschwere Investitionen zu tätigen, die die Energiesicherheit und -unabhängigkeit ganz Mitteleuropas stärken.
Nur so könne sie die Energiewende auf den Märkten, auf denen sie tätig ist, erfolgreich umsetzen, heißt es weiter. Mehr Konjunktur für Investitionen beim Bau von Offshore-Windparks und Photovoltaikparks, der Entwicklung von Wasserstoffprojekten oder beim Bau kleiner modularer Kernreaktoren, die die Emissionen bestehender Heizkraftwerke reduzieren, sind demnach das erklärte Ziel. Jetzt beginne der Integrationsprozess der Geschäftsbereiche, um die gesamte Orlen-Gruppe in einen modernen Multienergiekonzern umzuwandeln. Der Staatsanteil soll am Ende bei knapp 50 Prozent liegen.
Mittwoch, 16.11.2022, 10:23 Uhr
Josephine Bollinger-Kanne
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