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Mit einem Klimazoll will die EU den Druck auf Industrie- und Schwellenländer erhöhen, anspruchsvolle Klimaziele zu erreichen - eine Kraftprobe mit ungewissem Ausgang.
Nach den Vorstellungen der EU-Kommission würden Waren aus Ländern, die den CO2-Ausstoß mindestens genauso belasten wie die EU, nicht vom Grenzausgleich (CBAM: Carbon Border Adjustment Mechanism) erfasst. Das sei ein klarer Ansporn, einen Preis oder eine Steuer auf den CO2-Ausstoß in den Herkunftsländern zu erheben, heißt es in Brüssel. Denn die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung entstünden dann in den Herkunftsländern und nicht in der EU.
In Brüssel hoffen manche, dass sich auf dieser Grundlage eine Art Klimaclub der Staaten mit den meisten CO2-Emissionen bilden lässt. Die Clubmitglieder müssten entweder eine CO2-Abgabe oder einen Emissionshandel einführen, der zu einer vergleichbaren Belastung wie in der EU führt. Im Gegenzug würden Waren zwischen den Clubmitgliedern frei gehandelt. Nur Waren aus Drittländern würden durch die CO2-Abgabe belastet.
Nach einer Untersuchung der französischen Denkfabrik Ifri ist der Klimaclub jedoch keine sehr realistische Idee. Der CBAM-Vorschlag der Kommission, der gegenwärtig vom Europäischen Parlament und den Mitgliedsstaaten beraten wird, sei zwar geeignet, eine internationale Debatte über die Klimapolitik in Gang zu bringen. Dabei müsse es vor allem darum gehen, die sehr unterschiedlichen Ansätze zu vereinheitlichen und vergleichbar zu machen. Nach Ansicht des Ifri ist die Debatte in den Ländern, die als Mitglieder für den Klimaclub unverzichtbar wären, aber noch nicht weit genug gediehen. Sinn mache der Klimaclub nur, wenn sich neben der EU mindestens auch die USA, China, Japan und Kanada daran beteiligten.
In den USA habe der Sieg von Joe Biden zwar neue Perspektiven für eine anspruchsvolle Klimapolitik eröffnet und auch in der Wirtschaft wachse die Überzeugung, dass marktbasierte Instrumente besser seien als neue Vorschriften für den Klimaschutz. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Capitol sei es jedoch höchst unwahrscheinlich, dass die Demokraten einen Emissionshandel oder eine CO2-Steuer durchsetzen könnten.
USA planen eigene Grenzausgleichsabgabe
Wahrscheinlicher sei es, dass die USA selbst eine Grenzausgleichsabgabe einführten, für die es in beiden Parteien gewisse Sympathien gebe. Allerdings sei eine WTO-konforme Ausgestaltung in den USA nicht leichter als für die EU. Erschwert werde die Situation dadurch, dass einige Staaten eigene Emissionshandelssysteme eingeführt hätten. Kalifornien schütze die eigene Elektrizitätswirtschaft sogar durch einen Grenzausgleich. Das habe eine Abwanderung der Erzeugung aber bislang nicht verhindert.
Besser sind die Aussichten nach Ansicht des Ifri in Kanada. Dort gebe es, anders als in den USA, eine breite Unterstützung für eine anspruchsvolle Klimapolitik. Die Regierung will dort schon 2022 einen Emissionshandel einführen, der neben der Industrie auch die Land- und Forstwirtschaft erfassen würde. Angesichts der engen wirtschaftlichen Verflechtung mit den USA sei es jedoch unwahrscheinlich, dass die davon ausgehenden Belastungen der CO2-Emissionen auch nur annähernd das europäische Niveau erreichten.
Das gelte auch für China, das den Emissionshandel bereits in mehreren regionalen Pilotprojekten getestet hat. Seit 2019 müssen alle Kraftwerke daran teilnehmen. Damit sind 40 % der chinesischen Emissionen abgedeckt. Die Industrie soll in den nächsten Jahren in den chinesischen Emissionshandel einbezogen werden.
Die Experten in Paris geben keine Prognose über das Preisniveau im chinesischen Emissionshandel ab, weisen aber darauf hin, dass es auch im Reich der Mitte die Gefahr der Abwanderung bestimmter Branchen (Carbon Leakage) gebe. Hohe CO2-Preise würden dazu führen, dass energieintensive Sektoren noch schneller in Länder mit noch niedrigeren Kosten wie Indien oder Vietnam abwanderten.
Japan hat schon 2012 eine Klimasteuer auf den Einsatz von Kohle und Öl eingeführt, die etwa zwei Drittel der japanischen CO2-Emissionen erfasst. Die Sätze bewegen sich zwischen 12 und 25 Dollar je Tonne CO2. Wichtige Sektoren wie Raffinerien oder die Stahlindustrie sind befreit. Im Durchschnitt belief sich die Belastung einer Tonne CO2 in Japan 2020 auf 38 Dollar. Die japanische Industrie wehre sich aber weiter gegen jede Erhöhung ihrer Energiekosten, heißt es in dem Papier des Ifri.
Allerdings bedrohe der CBAM der Europäer ein Drittel ihrer Exporte. Die japanische Regierung werde deswegen vor allem darauf achten, dass die EU nicht gegen die Regeln der WTO verstoße. Tokio wolle sich aktiv daran beteiligen, internationale Standards für den CO2-Ausstoß zu entwickeln und zu mehr Transparenz zu kommen.
Das Ifri sieht in den genannten Ländern also Ansätze für eine Zusammenarbeit mit der EU und seien daran interessiert, das Problem der klimapolitisch motivierten Verlagerung von Betrieben in den Griff zu bekommen. Die EU müsse mit ihrem CBAM zunächst unter Beweis stellen, dass dieses Instrument funktioniere, ohne dass die EU gegen ihre internationalen Verpflichtungen verstoße.
Montag, 13.09.2021, 14:35 Uhr
Tom Weingärtner
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