Quelle: E&M/Jonas Rosenberger
Der Klimawandel setzt immer kürzere Fristen für das Gelingen der Energiewende. Die Stadtwerke sehen sich als Motor beim Klimaschutz, hadern aber mit der Prioritätensetzung der Kommunen.
Die Stadtwerke in Deutschland sehen sich als wichtiger Treiber für mehr Klimaschutz. Obwohl 2020 unter dem Einfluss der Corona-Pandemie stand, blieben die Aktivitäten zur Dekarbonisierung der Energie- und Wärmeversorgung sowie des Verkehrssektors beherrschend für 77 % der örtlichen Versorgungsunternehmen. Dies ist ein Ergebnis der jährlichen Stadtwerke-Studie des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) und des Beratungsunternehmens Ernst & Young.
Allerdings beklagen viele der 100 befragten Stadtwerke, die sich zu 90 % in kommunaler Trägerschaft befinden, dass die politische Leitungsebene die Dringlichkeit beim Klimaschutz nicht erkenne. Sie erwarte von Stadtwerken zuallererst, die Attraktivität der Kommune für Bürger und Unternehmen sicherzustellen (99 %). Zweitwichtigste Aufgabe sei der Erhalt und Ausbau der wirtschaftlichen Entwicklung in der Region (93 %), gefolgt von einer sicheren Gewinnabführung an die kommunalen Haushalte (75 %). Dass die Stadtwerke in den Augen der Kommunen besonders relevant für die Energiewende seien, glauben nur 54 % der Befragten.
Wärmewende und Wasserstoff ZukunftsfelderDie Befragung erfolgte in den ersten beiden Monaten des Jahres 2021, also vor dem Klimaschutzurteil des Bundesverfassungsgerichts. Dadurch erwarten BDEW und Ernst & Young eine Verschiebung der Prioritäten bei den Eigentümern. Ohnehin sehen zwei von drei Stadtwerken sich nicht länger als reiner Versorger, sondern als Infrastrukturdienstleister für die Kommunen (2020 waren es 57 %). Potenziale im Geschäft mit den Kommunen erkennen die Stadtwerke in der smarten Straßenbeleuchtung (77 %), im Ausbau der Elektromobilität (75 %) und in der Quartiersentwicklung (69 %).
Auch bei der nachhaltigen Stadtplanung glauben die Stadtwerke, einen wichtigen Beitrag leisten zu können. Sie sehen in der Wärmewende den größten Hebel zur Dekarbonisierung der Gesellschaft (85 %), noch vor der erneuerbaren Stromproduktion (76 %) und der Verkehrswende (75 %). Die Stadtwerke wollen dabei etwa Wärmeservices und Contracting-Modelle in der kommunalen und privaten Wohnungswirtschaft sowie im weiteren kommunalen Gebäudebestand ausbauen. Grundsätzlich sei das Geschäft mit den Kommunen entwicklungsfähig, da die Stadtwerke 2020 hier im Schnitt nur 25 % ihres Umsatzes generierten.
Am Beispiel von Rheinenergie Köln zeigt sich die Herkulesaufgabe der Quartiersentwicklung. Der Neubau von 15 Quartieren laufe gut, bei Altbausanierungen fehle die passende Technologie, sagt Vorstand Achim Südmeier. Dennoch verfügt mit der Stegerwaldsiedlung ein großes Arbeiterquartier aus den 1950er-Jahren inzwischen über Solaranlagen, Wärmepumpen und Speicher, Mobilitätsangebote und die verbindene künstliche Intelligenz. „Solange der CO2-Preis noch nicht bei mindestens 160 Euro pro Tonne liegt, funktionieren solche innovativen Projekte allerdings nur durch Förderung“, so Südmeier.
Bei der Stromproduktion läuft Wasserstoff nach Auffassung der Stadtwerke bereits in Kürze der Windenergie den (zweiten) Rang bei den relevanten Technologien zur Dekarbonisierung ab. In den kommenden fünf Jahren werde Solarenergie ihre Spitzenposition ausbauen, von jetzt 68 % auf 87 %. Wasserstofflösungen und andere klimafreundliche Gase würden ihren Anteil von 19 % auf 58 % ausbauen. Windenergie bleibe wichtig, werde mit 46 % (statt aktuell 34 %) dann aber drittwichtigste Säule sein.
Die Studie gelangt zu der Auffassung, dass Stadtwerke sich indes noch intensiv mit der Wasserstoffwende auseinandersetzen und konkrete Geschäftsmodelle entwickeln müssten. Schließlich würden Stadtwerke perspektivisch mit hohen H2-Anteilen in ihren Netzen arbeiten müssen, auch wenn sie selbst keinen Wasserstoff erzeugten. „Schon heute zeigen einzelne Projekte, dass mit Wasserstoff die regionale Wirtschaftsentwicklung und die Energiewende gleichermaßen vorangebracht werden können“, so BDEW-Geschäftsführerin Kerstin Andreae.
Mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie gekämpft zu haben, gaben 45 % der Stadtwerke an. Sie blieben aber weitgehend beherrschbar, sodass knapp die Hälfte der Versorger von positiven Geschäften in 2021 ausgeht. Die Pandemie brachte zugleich einen Digitalisierungsschub, sowohl bei der internen Arbeitsorganisation als auch in den Bereichen Kommunikation und Services für die Verbraucher. 86 % der Stadtwerke erwarten hier zusätzliche Aufgaben, etwa bei Smart Meter und in Fragen der IT-Sicherheit.
Um die Herausforderungen bewältigen zu können, setzen die Stadtwerke auf eine bessere Zusammenarbeit mit den Kommunen, die aktuell häufig schwerfällig und von intensiven Abstimmungsprozessen gekennzeichnet sei. Viele Stadtwerke plädieren für ein besseres Projektmanagement.
Die "
Stadtwerkestudie 2021" kann im Internet angefordert werden.
Dienstag, 14.09.2021, 14:55 Uhr
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