Quelle: E&M / Katia Meyer-Tien
Die Übertragungsnetzbetreiber sehen in einem Kapazitätsmarkt mit lokaler Komponente die Lösung für noch bestehende Probleme bei der Energiewende. Eine Studie untermauert das.
Die von der Bundesregierung angekündigte Kraftwerksstrategie, die den Neubau von Gaskraftwerken mit 10.500 MW vorsieht, wird von verschiedenen Seiten als unterdimensioniert bewertet. Analysen der deutschen und europäischen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) sowie das Versorgungssicherheits-Monitoring 2030/31 der Bundesnetzagentur sehen einen erheblichen Mehrbedarf an gesicherter Leistung, heißt es in einem Papier von Tennet, Transnet BW, 50 Hertz und Amprion. Genannt werden stattdessen 20.000 bis 25.000 MW. Das übersteigt die bisher in den Eckpunkten geplanten Ausschreibungsmengen von 10.500 MW natürlich bei Weitem.
Auch weisen die Ãœbertragungsnetzbetreiber darauf hin, dass es „im aktuellen Marktumfeld offensichtlich keine ausreichenden Anreize für Anlagenbetreiber gebe, um abseits der geplanten Ausschreibungen in erforderlichem Maße neue Anlagen zu errichten“. Um jenseits der Kraftwerkstrategie mittel- und langfristig für ausreichend Investitionen in gesicherte Leistung zu sorgen und gleichzeitig den Kohleausstieg zu ermöglichen, seien jedoch effektive und effiziente Instrumente erforderlich.
Deswegen sei es gut, dass die Bundesregierung sich darauf geeinigt hat, 2028 zusätzlich einen Kapazitätsmarkt einzuführen. Die vier Übertragungsnetzbetreiber hatten bereits 2022 Consentec und das Ecologic Institut beauftragt, in einer Studie einen konkreten Kapazitätsmarkt für den deutschen Strommarkt auszuarbeiten. Eine Besonderheit des in dieser Untersuchung beschriebenen Kapazitätsmarktes heben die ÜNB jetzt hervor: die Implementierung einer lokalen Komponente.
Auch Redispatchkosten würden zurückgehen
Aus Sicht der vier Ãœbertragungsnetzbetreiber ist diese lokale Komponente eine wesentliche Voraussetzung für ein effizientes Zusammenspiel des Ãœbertragungsnetzes mit flexiblen Erzeugungs- und Verbrauchseinrichtungen. So ließen sich, wie es heißt, Synergien heben – besonders bei der Erbringung von Systemdienstleistungen.
Die Ausschreibungen sollten so gestaltet werden, dass nicht nur die Verfügbarkeit von Leistung im gesamten Bundesgebiet angereizt wird, sondern dass auch lokale Investitionsanreize entstehen. Durch die lokale Komponente erwarten die ÜNB positive Effekte in verschiedenen Bereichen: CO2-Emissionen, Redispatch-Bedarf, Netzreserve-Bedarf (dazu siehe auch separate Meldung), Kosten von Systemdienstleistungen und damit letztlich auch bei den Netzentgelten.
Ein zentraler, umfassender Kapazitätsmarkt basiert, so das Papier der ÜNB, auf einem zentralen Kapazitätsnachfrager, der, ausgehend von einem festgelegten Versorgungssicherheits-Standard, den Bedarf berechnet und ausschreibt. Potenzielle Anbieter, die neben Erzeugern auch Speicher oder flexible Lasten sein können, bieten in Auktionen und erhalten bei Zuschlag eine Vergütung, die ihre Investition refinanziert.
Die Preisbildung und das Angebot auf dem Spotmarkt blieben unbeeinflusst, so Consentec und Ecologic Institut, da das Bereitstellen gesicherter Leistung nicht mit der Verpflichtung einhergeht, Strom zu erzeugen. Lediglich die Verfügbarkeit der Anlagen werde honoriert.
Positive Erfahrungen in anderen Staaten
In anderen europäischen Staaten wie zum Beispiel Belgien, Italien und Polen konnten sich Kapazitätsmärkte bereits durchsetzen, so die ÜNB. Ein zentraler deutscher Kapazitätsmarkt ließe sich zudem mit den zentralen Kapazitätsmärkten im europäischen Ausland gemäß den europarechtlichen Vorgaben gut koordinieren. Auch sei der zentrale Kapazitätsmarkt gut mit den vorgezogenen Ausschreibungen im Rahmen der Kraftwerksstrategie kombinierbar.
Aus Sicht der vier deutschen Ãœbertragungsnetzbetreiber gelingt es nur durch die Schaffung eines zentralen umfassenden Kapazitätsmarktes mit lokaler Komponente, „langfristig Anreize für Investitionen in gesicherte Leistung im ausreichenden Ausmaß und an den systemisch sinnvollen Standorten zu setzen“. Die lokale Komponente sei, etwa mit Blick auf Redispatch, von wesentlicher Bedeutung, damit die Investitionen dort getätigt werden, wo die Anlagen zur Systemsicherheit und -effizienz beitragen. Auch eine Technologieoffenheit sei von Vorteil und trage zur Weiterentwicklung bei.
Freitag, 17.05.2024, 16:04 Uhr
Günter Drewnitzky
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