Sultan al Jaber, der Präsident der Klimakonferenz COP28 in Dubai, hat am Ende doch noch einen Text zustande gebracht, dem alle Vertragsstaaten des Pariser Abkommens zustimmen konnten. Es spricht einiges dafür, dass es sich dabei um einen guten Kompromiss handelt. Denn: Die Begeisterung ist überschaubar − auf allen Seiten.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) betont vor allem, dass sich die Staatengemeinschaft „erstmals zur Abkehr von allen fossilen Energien und zu einem massiven Ausbau von Wind- und Sonnenenergie“ bekannt habe. Trotzdem bleibe noch viel zu tun, „damit wir das fossile Zeitalter wirklich vollständig verlassen können“.
Sein Amtskollege aus Saudi-Arabien, Ölminister Abdulaziz bin Salman, macht deutlich, dass er es damit jedenfalls nicht eilig hat: „Es wird keine pharaonische Diktatur geben, jeder kann seinen eigenen Weg gehen.“ Der Saudi geht davon aus, dass die Exporte des Königreichs von den Beschlüssen der COP28 nicht berührt werden.
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Quelle: Statista |
Zwischen beiden Bewertungen gibt es, vorsichtig formuliert, ein Spannungsverhältnis. Habeck und der saudische Prinz haben zwar dem gleichen Text zugestimmt, aber der Verdacht besteht, dass sich die Umsetzung in beiden Ländern erheblich unterscheiden wird.
Die Allianz der pazifischen Inselstaaten, die am meisten vom Klimawandel bedroht sind, und viele Umweltschützer haben zahlreiche Hintertüren ausgemacht, die das grundsätzliche Bekenntnis zur Abkehr von den fossilen Brennstoffen relativieren. Dazu gehört der Hinweis, dass die Energiewende in „geordneter und gerechter Weise“ umgesetzt werden soll, und eine wenig verbindliche Wortwahl.
Der Einsatz von Öl und Erdgas bleibt auch in Zukunft erlaubt, wenn das dabei entstehende CO2 durch Abscheidung, Einlagerung und Weiterverarbeitung neutralisiert wird. Dem liegt die Idee einer Art Kreislaufwirtschaft zugrunde, die vor allem von den OPEC-Staaten propagiert wird: Danach würden die Anlagen zur Nutzung der fossilen Energie nachgerüstet und das aufgefangene CO2 in den Hohlräumen entsorgt, die bei der Förderung von Öl und Gas frei geworden sind.
CCS halten auch die EU-Staaten für unverzichtbarDas halten auch die EU-Staaten für unverzichtbar, jedenfalls dann, wenn es um Emissionen aus bestimmten Sektoren wie der Stahl- oder der Zementindustrie geht. Die Klimalobby hält diese Technologien für unsicher und fürchtet, dass der Hinweis auf CCS und CCU als Vorwand dient, die fossilen Brennstoffe einfach weiter zu nutzen. Unterstützung erhalten sie von Fatih Birol, Chef der International Energy Agency: „Dass CCS es der Öl- und Gasindustrie erlauben würde, einfach weiterzumachen und die Emissionen trotzdem zu reduzieren, ist pure Fantasie.“
Die EU kann mit dem Ergebnis der Klimakonferenz zufrieden sein und hat eine positive Bilanz der COP28 gezogen. Die Europäer haben in Dubai erneut eine führende Rolle gespielt. Sie können darauf verweisen, dass die Vertragsstaaten die von ihnen vorgegebenen Ziele, die Wachstumsrate der Energieeffizienz bis 2030 zu verdoppeln und die Nutzung der erneuerbaren Energien zu verdreifachen, übernommen haben. Damit erhält der Ausstieg aus den fossilen Energien, den die Europäer anstreben, mehr Dynamik, auch wenn er in Dubai nicht beschlossen wurde.
Als Erfolg wird in Brüssel auch verbucht, dass es, von bestimmten Ausnahmen abgesehen, keine Subventionen mehr für den Einsatz fossiler Brennstoffe geben soll.
In der in Dubai verabschiedeten Bestandsaufnahme wird anerkannt, dass sich die Welt zurzeit nicht auf dem Weg zum 1,5-Grad-Ziel befindet. Die Vertragsparteien haben sich deswegen darauf verständigt, dass jeder Staat in zwei Jahren einen neuen Klimaplan vorlegen muss, der eine stärkere Senkung der Treibhausgase vorsieht, als bisher geplant war. Die EU hält ihre eigenen Pläne zwar für vollständig vereinbar mit den Vorgaben für 2030, wird im Hinblick auf 2035 aber nachlegen müssen.
Europa spielt nach der COP28 weiter eine führende Rolle in der internationalen Klimapolitik. Die Frage, ob der Rest der Welt den Europäern folgt und ob der Abstand zwischen Avantgarde und Gefolgschaft größer oder kleiner wird, ist damit aber noch nicht beantwortet. Darüber entscheiden nicht die Klimakonferenzen, sondern die Vertragsstaaten, wenn sie die dort gefassten Beschlüsse umsetzen − oder nicht.
Bei der „globalen Bestandsaufnahme“(GST), die in Dubai vorgenommen wurde, ging es nicht nur darum, neue und anspruchsvollere Ziele zu vereinbaren. Mindestens genauso wichtig war die Debatte um die Instrumente der Klimapolitik, allen voran die Finanzierung der Energiewende und von Klimaschäden in der Dritten Welt.
100 Milliarden Dollar pro Jahr für den Klimaschutz in der Dritten WeltErstmals konnten die Industrieländer auf einer Klimakonferenz darauf verweisen, dass sie ihre Zusage, 100 Milliarden Dollar pro Jahr für den Klimaschutz in der Dritten Welt bereitzustellen, erfüllt hatten. Im nächsten Jahr wird es darum gehen, diesen Zielwert für die Zukunft anzuheben.
In der Schlusserklärung von Dubai werden dafür die ersten Pflöcke eingeschlagen, wenn auf die „wachsende Lücke“ zwischen dem Finanzbedarf der Entwicklungsländer und den Angeboten der Industrieländer hingewiesen wird. Dieser Finanzbedarf belaufe sich allein bis 2030 auf mindestens 5,8 Billionen Dollar und steige danach auf 5 Billionen Dollar pro Jahr.
Die Reform der internationalen Finanzarchitektur soll vorangetrieben werden mit dem Ziel, Finanzinstitutionen wie die Weltbank oder die Entwicklungsbanken fit zu machen für die Finanzierung von Klimaprojekten. Ob das reicht, um den Einsatz von Öl und Gas in den Entwicklungsländern, deren Energiebedarf schnell wächst, wirksam zurückzudrängen, ist allerdings fraglich.Eine Reihe von Erfolgen bei der Finanzierung von Klimaschutzprojekten konnte außerhalb des eigentlichen Verhandlungsprozesses erzielt werden. Gleich zu Beginn der Klimakonferenz konnte der Schadenfonds eröffnet werden, aus dem Projekte finanziert werden sollen, durch die bereits eingetretene Schäden des Klimawandels in der Dritten Welt behoben oder kompensiert werden.
Vorerst bleibt das allerdings eine eher symbolische Geste. Die bis zum Ende der COP eingezahlten rund 800 Millionen Dollar sind angesichts der Probleme ein Tropfen auf den heißen Stein und welche Summen am Ende zusammenkommen, ist offen. Den westlichen Industrieländern ist es auch in Dubai nicht gelungen, China und andere Schwellenländer dazu zu bewegen, in den Schadenfonds einzuzahlen.
Im grünen Klimafonds, aus dem die Anpassung der besonders betroffenen Länder an den Klimawandel finanziert wird, stehen nach neuen Zusagen der USA und Großbritanniens jetzt 12,8 Milliarden Dollar bereit. Und die EU-Staaten stellen 175 Millionen Dollar zur Verfügung, um die Methanemissionen bis 2030 um 30 Prozent zu reduzieren.
Kohleausstiegsallianz hat nun 167 Mitglieder − inklusive USAAm Rande der Klimakonferenz bekannten sich sechs weitere Länder, darunter die USA, Kolumbien und Marokko, zum Ausstieg aus der Kohle. Die Kohleausstiegsallianz hat damit 167 Mitglieder, die sich verpflichten, die Verstromung von Kohle spätestens im nächsten Jahrzehnt einzustellen.
Auf Initiative von Deutschland, Japan und Namibia wurde in Dubai eine Wasserstoffallianz gegründet, die den grenzüberschreitenden Handel von kohlenstoffarmem Wasserstoff fördern will. Inzwischen sind der Allianz 36 Staaten beigetreten, darunter die USA, Kanada, Australien, Indien, Brasilien und Südafrika. Sie wollen gemeinsam ein System zur gegenseitigen Anerkennung von Zertifikaten für grünen Wasserstoff und Wasserstoffderivaten entwickeln.
Dem von Deutschland initiierten „Klimaclub“ traten in Dubai weitere Mitglieder bei. Inzwischen beteiligen sich daran 37 Länder, die rund ein Drittel der globalen CO2-Emissionen verursachen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verkündete am Rande der Klimakonferenz, dass der Klimaclub konkretere Formen annimmt: Deutschland und Chile werden gemeinsam den Vorsitz übernehmen und ein Sekretariat soll die Arbeiten des Klubs organisieren.
Er soll dafür sorgen, dass Branchen wie die Stahl- und die Zementindustrie, auf die im Rahmen der Klimapolitik besonders hohe Kosten zukommen, nicht versuchen, dieses Problem durch Standortverlagerungen zu lösen. Diese Branchen werden durch den europäischen Emissionshandel stark belastet. Damit sie trotzdem wettbewerbsfähig bleiben, müssten ihre Konkurrenten vergleichbare Preise für ihre Emissionen bezahlen.
Klimaclub soll Standards entwickelnDer Klimaclub soll zunächst für Transparenz sorgen und gemeinsame Standards entwickeln, damit die Klubmitglieder wissen, wie viel CO2 bei der Erzeugung bestimmter Produkte freigesetzt wird und welche Belastung daraus erwächst, etwa in Form von CO2-Steuern oder im Rahmen des Emissionshandels. Das ist die Voraussetzung dafür, dass die Klubmitglieder sich diese Belastungen gegenseitig anrechnen können, zum Beispiel wenn die EU in zwei Jahren beginnt, einen Klimazoll auf importierten Stahl oder Zement zu erheben.
Der Klimazoll der Europäer wirft bei den Handelspartnern der Europäer viele Fragen auf, die am Rande der Klimakonferenz gestellt wurden. Der Klimaclub hat dazu beigetragen, dass es der EU gelungen ist, die Debatte um den Klimazoll in Dubai vorerst auszubremsen.
Montag, 15.01.2024, 09:04 Uhr
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