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Das Europäische Parlament und der Ministerrat haben sich auf die Reform des sogenannten Elektrizitätsmarktdesigns (EMD) verständigt. Energieverbände sind damit größtenteils zufrieden.
Die Kommission hatte den Vorschlag für ein neues Strommarktdesign (EMD) im März unterbreitet, nach dem starken Anstieg der Energiepreise infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine 2022. Am 14. Dezember einigten sich nun Parlament und EU-Ministerrat auf das Design. Künftig sollen „zweiseitige Differenzverträge“ (CfD) und anlagenbezogene Direktlieferverträge (PPA) Standardinstrumente für den Ausbau erneuerbarer Anlagen sein. Dazu zählt auch Atomkraft.
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) begrüßte das neue europäische Strommarktdesign. Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae sagte, der Kompromiss enthalte aus Sicht des Verbandes einige erfreuliche Punkte. Vor allem blieben marktlich-wettbewerbliche Mechanismen im Strommarkt auch mit der neuen Reform erhalten.
Direktlieferung und Differenzvertrag bleiben freiwillig
Andreae unterstrich, dass sogenannte zweiseitige Differenzverträge (CfD) oder äquivalente Mechanismen weiterhin freiwillig bleiben. „Es wird also auch künftig kein Zwang auf Projektierer im Bereich Erneuerbare Energien ausgeübt, solche Differenzverträge abzuschließen“, sagte sie. Unternehmen stehe es damit weiterhin frei, alternativ Direktverträge zwischen Stromerzeugern und Abnehmern (Power Purchase Agreements − PPA) abzuschließen. VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing unterstrich, dass PPA nun leichter ohne Intermediär, also zum Beispiel zwischen Anlagenbetreiber und Industriebetrieb geschlossen werden könnten.
„Diese Einigung kann der EU helfen, ein auf erneuerbaren Energien basierendes Energiesystem aufzubauen“, urteilte Andreae. Zugleich würden die Langfristmärkte gestärkt. Ein sehr wichtiger Punkt sei auch der Verzicht auf eine Erlösabschöpfung für bestimmte Stromerzeugungstechnologien. Dies sei ein wichtiger Beitrag zur Investitionssicherheit beim Erneuerbaren-Ausbau und zum Vertrauen in den Energiemarkt.
Positiv sei die Einigung auch mit Blick auf Kapazitätsmärkte. „Es ist gut, dass die Mitgliedstaaten Kapazitätsmechanismen jetzt auch als dauerhaftes Instrument einsetzen können, statt, wie bislang vorgesehen, nur für einen bestimmten Zeitraum“, so die BDEW-Vertreterin. Problematisch sei allerdings die Entscheidung über die Frage, nach welchen Kriterien künftig der Preiskrisenmechanismus ausgelöst wird.
Krisenmechanismen sollen Ausnahme bleiben
„Ein Eingriff in die freie Preisbildung auf den Energiemärkten muss die absolute Ausnahme bleiben und durch entsprechend trennscharfe kumulative Kriterien flankiert werden“, forderte Andreae. Laut dem EU-Design tritt der Krisenfall ein, sobald der Großhandelspreis für Strom drei Monate lang 180 Euro/MWh im Durchschnitt übersteigt. Dann können die Mitgliedsstaaten Maßnahmen ergreifen, die Endpreise sowohl für private als auch für gewerbliche Verbraucher zu stabilisieren. Niemandem dürfe der Strom abgestellt werden, weil er seine höhere Stromrechnung nicht bezahlen kann.
Wind Europe hofft auf Schub für Turbinenausbau
Auch der Verband der Windkraftindustrie Wind Europe zeigte sich zufrieden und hofft, dass die Investitionssicherheit wiederhergestellt wird. „Entscheidend ist, dass eine dauerhafte Verankerung inframarginaler Erlösobergrenzen im Strommarktdesign der EU vermieden wird“, wertete Pierre Tardieu, Chief Policy Officer bei Wind Europe. Europa brauche so schnell wie möglich mehr erneuerbare Energien. Die Europäische Kommission will die Leistung aus Windkraft bis 2030 auf 420.000 MW steigern, was eine Verdopplung der aktuellen wäre.
Die EU-Regeln zur Gestaltung des Strommarktes sicherten nunmehr alle Marktwege für erneuerbare Energien, lobte Tardieu. Besonders Hybrid-Windparks mit Netzanschlüssen in zwei oder mehr Ländern seien sinnvoll, weil sie Platz und Geld sparen, indem sie Erzeugungs- und Übertragungsanlagen bündeln. Sie verbesserten den Energiefluss zwischen Ländern und verringerten die Umweltauswirkungen des Offshore-Netzausbaus, erläuterte Tardieu.
Die Vereinbarung unterstütze auch den dringend notwendigen Ausbau und die Optimierung der europäischen Stromnetze. Dazu gehören gute Regelungen zu Netztarifen, vorausschauende Netzinvestitionen sowie flexible Anschlussverträge und nicht fossile Flexibilität. „Gemeinsam werden sie dazu beitragen, den Anschluss neuer Windparks zu beschleunigen, was derzeit in vielen Ländern ein großes Problem darstellt“, hofft Wind Europe. Die guten Bestimmungen im Strommarktdesign müssten durch eine rasche Umsetzung der hervorragenden Bestimmungen des EU-Aktionsplans für Netze untermauert werden, forderte Tardieu.
Bevor die Vereinbarung in Kraft treten kann, muss sie noch vom Rat und vom Parlament offiziell angenommen werden. Der Rat will dies am 19. Dezember tun, das Parlament Anfang 2024.
Freitag, 15.12.2023, 13:46 Uhr
Susanne Harmsen
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