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Durch Forschung und Innovation kann die EU ihre Versorgung mit kritischen Rohstoffen erheblich verbessern. Zu diesem Schluss kommt eine Studie unter Leitung von Fraunhofer.
34 Rohstoffe sind es, die die EU derzeit als kritisch einstuft − sogenannte „Critical Raw Materials“. Darunter sind 17 sogenannte „Strategic Raw Materials“ (strategische Rohstoffe) gelistet, die perspektivisch eine steigende Nachfrage sowie größere Lieferschwierigkeiten erwarten lassen. Dazu gehören etwa Kobalt und Lithium, die in der Produktion von Batterien für Elektrofahrzeuge von Bedeutung sind.
Im Mai 2024 setzte die EU eine neue Verordnung in Kraft, mit dem die Rohstoffversorgung gesichert werden soll, − den „Critical Raw Materials Act“. Diese sieht vor, dass einzelne Drittstaaten nicht mehr als 65
Prozent des EU-Bedarfs an einem besonders wichtigen Rohstoff decken. Zudem soll die EU mindestens 10
Prozent ihres Bedarfs an kritischen Materialien mit eigener Gewinnung decken, 40
Prozent selbst verarbeiten und 25
Prozent recyceln können (wir berichteten).
Um diese Ziele zu erreichen, plädiert das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI dafür, zusätzliches Know-how und neue Technologien aufzubauen. Das „STOA“-Panel des Europäischen Parlaments hat bei ihr eine Studie in Auftrag gegeben, um die Rolle von Forschung und Innovation entlang der Wertschöpfungskette zu beleuchten und Forschungsbedarf zu identifizieren. „STOA“ steht für „Science and Technology Options Assessment“. Es handelt sich um einen Ausschuss des Europaparlamentes, der sich mit Wissenschaft und Technikfolgenabschätzung befasst.
Zu den Ergebnissen: In gleich mehreren Bereichen der Liefer- und Wertschöpfungsketten erkennen die Studienautoren Forschungsbedarf. Als Beispiel nennen sie etwa die Erkundung von Rohstoffvorkommen und die Entwicklung ökologischerer und sicherer Fördermethoden. Bedarf sehen sie auch in der Entwicklung neuer Methoden zur Verarbeitung und Produktion von Rohstoffen mit Blick auf eine Kreislaufwirtschaft, die das Recycling von Rohstoffen einbezieht.
Die Wissenschaftler betonen: Um die wirtschaftliche und politische Abhängigkeit von Rohstoff-reicheren Ländern zu verringern oder zu vermeiden, müsse die EU ihre Technologieführerschaft in diesen Bereichen weiter ausbauen.
Fraunhofer rät zu mehr Investitionen in die Forschung und in die Stärkung von Unternehmen in globalen Wertschöpfungsketten. Ein erster Schritt solle die Ausweitung von Monitoring- und Analysekapazitäten sein.
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Studie „The role of research and innovation in ensuring a safe and sustainable supply of critical raw materials in the EU“ - Zur Vollansicht bitte auf die Miniatur klicken - Quelle: Fraunhofer ISI |
Gerechtere Rohstoffförderung etablierenAuch in der stärkeren Einbeziehung der Sozialwissenschaften erkennen die Forschenden einen Handlungsbedarf. Der Grund: Bergbauprojekte oder neue Produktionsstandorte stoßen wegen ökologischer und sozialer Bedenken oft auf Widerstand. Beteiligungsprozesse und Ansätze zur Konfliktlösung könnten helfen, weltweit Standards für eine sozial gerechtere Rohstoffförderung zu etablieren.
In ihrer Studie identifizieren die Studienautoren drei Maßnahmenpakete für mehr Unabhängigkeit am Rohstoffmarkt:
- Das erste Paket umfasst Maßnahmen zur Stärkung von Forschungs- und Innovations-Kapazitäten innerhalb der EU. Der Rat der Wissenschaftler: Die EU-Institutionen, die mit der Umsetzung des „Critical Raw Material Acts“ beauftragt sind, benötigen zusätzliche Ressourcen für die Bewertung kritischer Rohstoffe und die Überwachung von Lieferketten. Darüber hinaus benötigen Unternehmen und Technologieanbieter Unterstützung bei der Entwicklung wettbewerbsfähiger Lösungen für den weltweiten Rohstoffmarkt.
- Das zweite Maßnahmenpaket zielt auf internationale Kooperationen. Die Forschenden betonen, dass Europa mit den Besten zusammenarbeiten muss – egal, ob es in einem Bereich bereits führend ist oder aufholen muss. Eine intensivere Zusammenarbeit mit den USA, Japan, aber zunehmend auch mit China, erscheint ihnen ratsam; ebenso wie intensivere gemeinsame innereuropäische Anstrengungen.
- Das dritte Maßnahmenpaket befasst sich mit der Legitimität von Projekten entlang der Lieferketten. Es bewertet politische Handlungsoptionen, um die Ursachen lokaler Konflikte zu untersuchen und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Forschung und Innovation könnten Wege der sozialverträglichen und nachhaltigen Wertschöpfung finden helfen.
Die 84-seitige Studie
„The role of research and innovation in ensuring a safe and sustainable supply of critical raw materials in the EU“ ist auf der Internetseite des Fraunhofer ISI downloadbar.
Montag, 22.07.2024, 16:13 Uhr
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